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"Frauen rauchen nicht auf der Straße. Das ist eklig", sprach meine Oma und schaute sehr missbilligend auf meine Packung Zigaretten, die ich aus meiner Jeans gezogen hatte. Das war in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts und ich rauchte noch. Ich hatte natürlich gewusst, dass sie das sagen würde. Und sie wusste wohl auch, dass ich das nicht so hinnehmen konnte. "Bei Männern sieht es wohl nicht schlimm aus, was?", meinte ich dann und zündete meine Flumme an. "Das ist was anderes, das sind Männer." Was dann folgte, war Programm. Oma fand die neuen Zeiten zwar nicht so schlecht – von der Pille zum Beispiel hielt sie viel, denn ihrer Meinung nach hätte zu allen Zeiten viel Elend verhindert werden können, hätte es dieses kleine Ding schon früher gegeben.
So fortschrittlich war sie – aber das mit dem Rauchen in der Öffentlichkeit, das ging nun einmal gar nicht. Später lernte ich dazu, was diese Dinge betraf, und längst nicht mehr von Großmutter. "Wenn Frauen betrunken sind, ist das doch viel schlimmer als bei Männern." Warum das so sein sollte, verstand ich nicht – ich fand es grundsätzlich eklig, das Geschlecht war mir dabei egal. Aber stets war bei Frauen die Erwartungshaltung größer, was Benehmen und gute Manieren betraf. So als wären die weiblichen Vertreter der Spezies von Geburt an zurückhaltender und im Grunde ästhetischer. Natürlich sind die Gründe dafür einigermaßen klar – wurde das "schwache" Geschlecht doch in allen Bereichen des Lebens hoch-, aber von der Realität ferngehalten.
Das galt natürlich nur für Adel und Bürgerschaft. Frauen der niederen Klassen wurden diese Rücksichten nicht zuteil – ganz im Gegenteil. Mittlerweile hat sich sehr viel verändert – Frauen dürfen nicht nur mitten im Lebens- und Überlebenskampf stehen ... sie müssen. Alles in Allem könnte man zufrieden sein über die lange aufgeweichten Grenzen ... schließlich tun Frauen alles, was Männer auch tun, und können (theoretisch) jeden Beruf ergreifen, den sie wollen. So weit so gut.
Und dann ertappe ich mich dabei, wie ich selber genau das tue, was ich Oma und allen anderen Leuten, die immer wieder diese Sprüche aufsagten, übel genommen hatte. Ich bin entsetzt, als ich eine Frau das tun sehe, was ich eigentlich nur Männern so richtig zutraue. Ich bin über ein Blog gestolpert, das von einer Jägerin geschrieben wird (www.melissabachman.com) – und bin ziemlich angewidert.
Mir ist sofort klar, dass ich da in dieselbe Falle geraten bin, in der viele Mitmenschen heute noch stecken – aber als ich mir die Fotos genauer ansehe, bin ich verwirrt. Die Frau, die sich immer wieder mit toten Tieren, die sie selber erlegt hat, fotografieren lässt, ist weit entfernt davon in grünem Loden und mit geschlechtsneutralem waidmännischen Gehabe zu posieren. Die Jägerin ist geschminkt, sie sieht – bis auf die Kleidung – aus, als säße sie in einem angesagten Bistro und würde sich glänzend unterhalten. Sie lächelt freudestrahlend über ihrer Beute: den Bären, der tot vor ihr liegt, hat sie mit Pfeil und Bogen erschossen.
Ich kann hier nur hoffen, dass diese Frau damit wirklich umgehen kann, denn wenn nicht, leidet das Tier erheblich, bis es denn endlich stirbt. Aber ihre Art zu posieren ist es, die mich stutzig macht. Bilder von der Strecke habe ich oft gesehen – die Jäger grinsen auch, keine Frage – aber diese zur Schau gestellte jubelnde Freude ist eigentlich nie zu sehen. Zwar ist der amerikanische Jagdsport mit diesen straff organisierten "Clubs" hierzulande nicht zu vergleichen, aber trotzdem wirken die Bilder wie Werbeplakate. Mir fällt der Ausdruck "Selbstverliebtheit" ein. Die Fotos haben etwas sehr Narzisstisches, so als ob jemand alles, was er hat, in die Auslage wirft, um sich bestmöglich zu verkaufen.
Ich versuche, die Sache erst einmal positiv zu sehen. Hier haben wir eine Bärenjägerin, eine hübsche Frau, die zeigt, dass Amazonen, auch wenn sie zurechtgemacht sind, genau das gleiche tun können wie Männer – und das ebenso gut, wenn nicht besser. Dass sie sich freut wie Bolle zu Weihnachten, wenn ein Tier tot vor ihr liegt – und das ohne Not – ist etwas, das Männer ja schließlich auch tun. Aber nach einigem Nachdenken sehe ich das dann doch anders.
Zigaretten zwischen Frauenlippen auf offener Straße – eine betrunkene, grölende Frau in der Kneipe – das sind Dinge, die mit Gewohnheiten zu tun haben. Hier Unterschiede zu machen hat keine Berechtigung. Aber Frauen misshandeln Kinder, morden – und das ist immer weniger die Ausnahme. Oft steht unglaublicher Druck hinter solchen Dingen. Aber kalte Täterinnen, die absolut kein Unrechtsempfinden haben, solche die zum Beispiel aus Gier töten, oder Dinge tun wie ihre Kinder missbrauchen, die unterscheiden sich nicht von männlichen Tätern. Wie auch? Menschen sind zu vielem fähig, das hat mit dem Geschlecht nichts zu tun. Oder vielleicht doch?
Was also stört mich an diesen Bildern – ist es die kalte Weise, wie sie sich über den Tod, den sie gebracht hat, freut? Oder die Art, wie sie sich selber zelebriert? Wieso bescheinige ich männlichen Sporttötern so etwas wie Dummheit und dieser Frau eher bewusste Grausamkeit ... ist es die Tatsache, dass ich von Frauen mehr erwarte? Warum? Weil sie Kinder bekommen können und darum näher am Wunder des Lebens sind? Unsinn – dass das bloße Vorstellung ist, haben tausende von Prozessakten belegt. Außerdem gibt es mit Sicherheit auch Jagd-Blogs, die der Selbstapplaudierung männlicher Jäger dienen.
Frauen haben zu vielen Zeiten gejagt – das zeigen archäologische Funde deutlich. Aber das war notwendig. Die Unschuld ging verloren bei der zarten Hand der Edelfrauen, auf denen ein zierlicher Beizvogel saß. Das war selten unumgänglich. Aber Lust am Töten zu haben – einfach Lust dazu, ohne sich Nahrung beschaffen zu müssen, das ist nicht akzeptabel, ob es sich nun um Männer oder Frauen handelt.
Und doch ... diese Bilder machen mich betroffener, als es der Fall wäre, wenn ein männlicher Jäger, zurechtgemacht und pomadisiert, sich auf diese Weise selbst zelebriert. Warum auch immer. Tja, Oma ... was soll ich sagen?
© "Bärenjägerin: Kein(e) Beruf(ung) für eine Frau?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Bär im Schnee, CC0 (Public Domain Lizenz).
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