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Jugend und Alkohol
Wer kennt nicht das Bild des jugendlichen Heroinabhängigen, der erst seine gesamte Habe und dann sich selbst verkauft, um an die Droge zu kommen? Abgemagerte, verzweifelte Jugendliche, die kein eigenes Leben mehr haben – und vor allem nicht mehr die geringste Entscheidungsfreiheit – treiben sich an schmuddeligen Orten herum und tun Dinge, die sie nicht tun wollen. Keiner von ihnen hat auch nur den Hauch einer Chance, den Tagesablauf selbst zu bestimmen.
Es gibt auch noch andere Bilder – smarte Leute, die ein kleines Vermögen in weißes Pulver investieren und sich das sogar leisten können. Designerträume in Pillenform pimpen jede Disco-Nacht zum ultimativen Erlebnis hoch. Diskrete Kliniken machen dann einen kleinen Urlaub nötig, sofern das Herz nicht schon vorher kapituliert hat.
Drogen sind gefährlich, das weiß jeder. Eine Überdosis beendet ein Leben schnell, ganz gleich wie lange es gedauert hat. Diese schillernden kleinen Fahrkarten in eine Vergnügungsbude, die sich schnell als Geisterbahn mit echten Monstern herausstellt, haben etwas gemeinsam: sie sind illegal. Das ist für Menschen in einem gewissen Alter vielleicht tatsächlich ein Anreiz – aber es macht das Beschaffen nicht ganz so einfach, jedenfalls nicht, was harte Drogen angeht.
Wer tatsächlich clean werden und auch bleiben will, hat somit eine gewisse Chance nach dem Entzug. Die besteht darin, dass die alten Kreise gemieden werden müssen, und zwar radikal. Freundschaften, die auf der gemeinsamen Sucht aufgebaut sind, müssen ohne jeden Kontext beendet und Orte gemieden werden, die auch nur den allerkleinsten Bezug zur Droge haben. Daran scheitern viele, die ihre Bindungen nicht verlieren wollen, aber wer diese Hürde nimmt, hat viel erreicht. Kaum eine Leuchtreklame wird "den reinsten Stoff hier bei Joe" anbieten, und das Zeug kann man auch nicht bei der nächsten Tankstelle holen.
Doch wer macht sich schon Gedanken darüber, dass man die gefährlichste Droge, welche die größte zerstörerische Kraft hat, überall bekommt? Sie wird täglich in Werbespots und auf Plakatwänden angepriesen – es gibt kaum einen Supermarkt, wo man sie nicht kaufen kann: von Cent-Beträgen pro Dose bis hin zu hunderten von Euro für eine Flasche aus der Königsklasse. Es gibt so viele Variationen davon, dass kaum einer alle kennt. Es ist der Alkohol, von dem hier die Rede ist. Er hält die Spitze der Drogen-Rangliste, die von britischen Forschern festgelegt worden ist.
Zwar hat man weitaus größere Chancen, beim Besuch einer öffentlichen Toilette über einen toten Fixer zu stolpern als über einen toten Trinker – aber wie vielen vom Alkohol Abhängigen begegnet man täglich, ohne es zu bemerken? Der langsame Verfall eines Trinkers nimmt keinen dramatischen Verlauf, es geht manchmal sogar lange Jahre gut. Vermeintlich jedenfalls, denn Trinker gehen nicht sehr oft zum Arzt. Sind sie auf dem breiten Strom des Suffes schon im Abseits, also zum Beispiel in der Obdachlosigkeit gelandet, so ist die medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet. Symptome werden glattgetrunken und lange nicht wahrgenommen – ständiger Rausch lähmt die Wahrnehmung. Heimliche Trinker, von denen es sehr viel mehr gibt, als man glauben möchte, riskieren keine Diagnose – sie möchten auch selber nicht konfrontieren, was mit ihnen los ist.
Gemein ist ihnen aber allen, dass auch sie letztendlich keinerlei Einfluss auf ihre Entscheidungen haben. Alkohol zerstört ebenso – wie jede andere Droge – nicht nur den Körper und den Geist, sondern auch das gesamte soziale Leben. Er treibt in die Arbeitslosigkeit, denn geregelte Zeiten und Leistungsanspruch vertragen sich nicht damit. Er macht einsam, denn Nichttrinker kapitulieren meist irgendwann, was die Freundschaft mit einem Abhängigen betrifft. Oder sie können sich nicht zurückziehen – wie Verwandte, Ehepartner, Kinder – und leiden fürchterlich darunter. Entweder unter Übergriffen, den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die durch die Sucht entstehen, und natürlich darunter, einen geliebten Menschen nicht von der Selbstzerstörung abhalten zu können.
Freundschaften haben hier auch nur einen gemeinsamen Nenner – den Alkohol. Wirkliche Beziehungen zwischen Süchtigen und Nichtsüchtigen gibt es nicht, denn der Kranke kann das nicht zulassen. Alkoholkranke sind nicht selten aggressiv, wenngleich sie im nüchternen Zustand fast wie ein völlig anderer Mensch wirken können. Es ist nicht der Alkohol, der sie direkt aggressiv macht, sondern die enthemmende Wirkung. Unter dieser Droge fallen nach und nach die Barrieren, die sonst für soziales Agieren sorgen. Man haut eben zu – vor allem, weil man sich so herrlich stark fühlt. Auch sinkt die Hemmschwelle, sich absichtlich selbst zu verletzen, zu verstümmeln oder umzubringen. Wie bei jeder Sucht werden die Parameter langsam aber ständig verschoben, ethische Kriterien spielen keine Rolle mehr.
Unter Alkoholeinfluss werden weitaus mehr Straftaten begangen als unter Drogeneinfluss, will man bei dieser Trennung bleiben. Menschen werden misshandelt oder getötet, es kommt zu schlimmen Verkehrsunfällen, die von betrunkenen Fahrern verursacht werden. Die Folgen für die Gesundheit sind erschreckend und der Entzug ist sehr schwierig. Viele Trinker nehmen sich selber nicht als Süchtige wahr, ihren überhöhten Konsum überblicken sie nicht mehr und ebenso wenig die Folgen für ihre direkte Umwelt.
Hat ein Süchtiger realisiert, dass er Hilfe braucht und macht eine Therapie, ist es nach der Entlassung sehr viel schwieriger. Denn hier gibt es nun einmal diese Leuchtreklamen, die vielen Flaschen und Dosen, die überall herumstehen. Egal, ob man die alten Saufkumpane meidet – überall ist man von trinkenden Menschen umgeben. Alkohol gehört nun einmal dazu – kaum eine Feier kommt ohne ihn aus. Fruchtsaft oder Sprudel im Glas – der Tischnachbar trinkt ein schönes Pils. Nicht zu vergessen, die wohlmeinenden Mitmenschen mit Standardsätzen wie: "Ach komm, einer schadet dir doch nicht."
Die ständige, kaum zu übersehende Präsenz der im Endeffekt gefährlichsten Droge der Welt führt zu kollabierenden sozialen Strukturen, die schlimmste Folgen haben können und werden. Die Zigarettenwerbung ist seit langem verboten und mittlerweile hat sich die Gefährlichkeit des Rauchens in den meisten Köpfen etabliert. Raucher schädigen nicht nur sich, sondern auch ihre Mitmenschen. Das ist bei Trinkern nicht anders, denn die Gesundheit anderer steht auch hier auf dem Spiel – und in keinem geringeren Maße. Denn ein Raucher, der gerade seine Droge konsumiert hat, ist deshalb nicht weniger fähig zum Autofahren und wird deswegen auch niemanden verprügeln.
Beide Verhaltensweisen, die des Rauchers und die des Trinkers, betreffen nicht nur den Konsumenten direkt. Der Trend geht dahin, dass Raucher eine gewisse gesellschaftliche Ächtung erfahren – wenngleich auch in recht milder Form bis jetzt. So mancher lässt seine Packung lieber stecken, weil sein Tischnachbar einige ziemlich saure Blicke von anderen Anwesenden kassiert hat beim Anzünden einer Zigarette. Das ist auch richtig so und führt vielleicht dazu, dass das Rauchen in der Öffentlichkeit stark abnimmt.
Was aber wollen wir gegen den Alkoholmissbrauch tun? Bestimmt nicht jeden schief ansehen, der ein Glas Wein oder Bier trinkt, das tun die meisten wohl. Aber wer will bei einem Menschen den genauen Punkt bestimmen, wann ein Genussmittel zur Droge wird – und somit zur Sucht mit allen tödlichen Konsequenzen? Ein Anfang wäre es vielleicht, die direkten Folgen der ausgelassenen Anstoßereien nicht als Kavaliersdelikt zu sehen. Solange das Gesetz den Zustand des Betrunkenseins als strafmildernd bewertet – anstatt als das Gegenteil, wie es wahrscheinlich angebrachter wäre – kommen wir nicht weiter. Handlungsbedarf besteht schon sehr lange.
© "Alkohol: Tödliche Droge Nummer Eins": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Grafik "Teenager und Alkohol", Urheber: Idimitrios, Creative Commons-Lizenz.
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