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Ein erbitterter Passant sprach einmal demonstrierende Tierschützer an und sagte, dass sie wohl besser etwas für Menschen tun sollten. Auf die Frage, was ER denn für andere zu tun bereit wäre, gab er keine Antwort und ging seines Weges.
Möglicherweise fragen sich Menschen, wieso gerade für den Tierschutz so viel gearbeitet wird – nicht wenige Aktive bringen sich da wirklich sehr ein. Es sieht wahrscheinlich sogar recht befremdlich aus, wenn für Tiere so viel und für Menschen so wenig getan wird. Tierschützer investieren Zeit, Geld und auch ihre Nerven, um Hunden aus spanischen Tierheimen eine letzte Chance zu geben oder gegen Missstände zu kämpfen. Es gibt auf der Erde immer mehr Gebiete, wo Menschen hungern oder gefoltert werden, wo Kinder kaum eine Chance haben, um einigermaßen gesund das Erwachsenenalter zu erreichen. Wieso, könnte man fragen, tun wir nicht mehr für diese Menschen?
Man könnte dagegenhalten: "Weil es so schwer gemacht wird, etwas für Menschen zu tun". Nicht völlig zu Unrecht – zum Beispiel – misstrauen viele Bürger den Spendenorganisationen; und wenn nicht denen, dann denjenigen, die am Bestimmungsort die Sachen verteilen. Wer selbst nicht viel hat und trotzdem Geld spendet, würde es dann schon gerne dazu verwendet sehen, einem Menschen das harte Los etwas zu mildern. Das wäre allerdings nur hundertprozentig gewährleistet, wenn man die Hilfsgüter persönlich zu denjenigen bringt, für die sie bestimmt sind. Das tun einige Leute auch tatsächlich – findig und mit nicht wenig Mut ausgestattet stellen Leute Konvois zusammen, die in Krisen- oder Katastrophengebiete fahren.
Aber der Normalbürger mit Job oder Hartz-IV-Bezügen, außerdem Familie und weiteren Verpflichtungen, kann das nun einmal nicht. Entweder spendet er oder er lässt es sein. Hier ist tatkräftige, tatsächliche Hilfe zu leisten für die Meisten von uns also nicht wirklich möglich.
Die Menschen, die in den Shoppingmeilen an die Wand gelehnt sitzen, freuen sich über jeden Cent – aber da kursieren eben auch diese Geschichten von organisiertem Bettlertum oder von den eigentlich wohlhabenden Leuten, die "einen auf bedürftig machen und ein dickes Auto um die Ecke geparkt haben". Ersteres kann sein, wenn wohl auch eher selten – das Zweite ist möglicherweise einmal unter zehntausend Fällen so. Das sollte man eben riskieren. Manche Menschen packen sich immer einige Münzen in die Tasche, wenn sie durch die Fußgängerzonen gehen – nur für diese Leute, die um ein wenig Kleingeld bitten. Und das sind meist nicht die besonders wohlhabenden Leute.
Bei einem Gespräch, das ich vor längerer Zeit mit einem "Tippelbruder" führte, der mit seinem Hund unterwegs war und sich Geld für das Allernotwendigste zusammenschnorrte, erfuhr ich, dass "die Leute, die selber kaum was haben, meist was geben. Ich weiß das, weil ich 'nen Blick dafür habe. Zwanzig Cent hier oder da – vielleicht auch mal mehr."
Wenn Straßenmusiker toll spielen – das könnten sich viele noch leisten, aber tun es selten. Vielleicht, weil es da zu viele Gerüchte gibt, oder weil man da eine tief sitzende Angst verspürt, dass es einem selber mal so gehen könnte? Vielleicht sitzt auch der Spruch "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" zu stark in einigen Bürgern. Wobei angemerkt werden sollte, dass Betteln bestimmt keine leichte Sache ist.
Das Ordnungsamt jeder Stadt kennt diese Einsätze, bei denen es um Verletzung des Tierschutzgesetzes geht. Oft zu Recht – oft auch, weil Lumpi einfach zu oft mit Bellen genervt hat oder weil man denen "da drüben" gerne eins überbraten würde. Aber auch, wenn die Anzeige gerechtfertigt ist – bei misshandelten Tieren wird schneller reagiert als bei misshandelten Kindern. Bei Letzterem wird eher einmal weggesehen – dazu kommt noch der Gedanke: "Da passiert ja doch nichts und ich bin nachher der Dumme". Leider ist dieser Gedanke nicht unbedingt abwegig. Man steht nicht übel da vor der Nachbarschaft, wenn man dazu beigetragen hat, dass der Kettenhund endlich befreit wird. Aber bei misshandelten Menschen gibt es da diese seltsame Scheu. Man wird nicht zum Held, wenn man das Jugendamt informiert, weil ein Kind am Verhungern oder ständig mit blauen Malen bedeckt ist.
Die Frau, die immer mal wieder diese Sonnenbrille trägt, obwohl sich hier und da ein Endchen der Verfärbung darunter hervorstiehlt, weist alle Gedanken an Prügel von sich. Sie zittert vor Angst, jemand könnte die Behörden informieren. Sie leugnet es oder sie hält zu demjenigen, der sie so zurichtet.
Also ist Helfen tatsächlich nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Ob man das nun wahrhaben will oder nicht, man kann im Vorfeld oft nichts tun. Jedenfalls nicht direkt – aber man kann zu einer guten Atmosphäre beitragen – und das sollte nicht unterschätzt werden. Vielleicht kennen Sie das: ein stressiger Morgen, man ist zu spät dran und fühlt sich auch nicht so besonders wohl. Aber dann macht der Busfahrer einen Scherz und lächelt so richtig freundlich, jemand rückt gut gelaunt beiseite, damit man sich noch setzen kann ... so etwas verbessert tatsächlich die eigene Laune und hebt den Wohlfühlpegel an.
Mir ist durchaus klar, wie abgedroschen es vielleicht klingt, wenn ich sage, dass es nichts kostet, wenn man dem Gegenüber mit einem Lächeln in die Augen sieht und dass die Wirkung verblüffend sein kann und meist auch ist. Wer da nicht positiv reagiert, ist selber schuld. Tatkräftige Hilfe für den Nächsten fängt nämlich beim Wahrnehmen an. Wer mich wirklich ansieht, auch wenn es nur beim Herausgeben des Wechselgeldes ist, der SIEHT mich wirklich, er akzeptiert meinen Status als Mitmensch und zeigt somit Freundlichkeit UND Respekt. Das ist so etwas wie ein Vitaminbonbon für das Gemüt. Das könnte sogar für die Frau mit der Sonnenbrille eine Hilfe sein – sie wird respektiert. Und vielleicht ergibt sich etwas daraus, wer weiß. Wer zehn Cent in die Mütze eines Bettlers oder Straßenmusikanten wirft, sollte das mit einem Lächeln und einem Blick in die Augen tun.
Freundlichkeit schafft ein besseres Klima für alle und macht viele Dinge einfach leichter – und plötzlich sind auch Dinge möglich, an die man eigentlich nicht geglaubt hätte. So erübrigt sich der Satz: "Was kann ich schon tun, ich hab ja keine Möglichkeiten zum Helfen" ein für alle mal. Wer nichts zu geben hat außer seiner Freundlichkeit gibt schon sehr, sehr viel. Und macht das Leben etwas besser – abgedroschen oder nicht.
© "Helfen ist manchmal schwer, aber hoffnungslos ist es nicht": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Die Abbildung zeigt ein Detail aus der "Kinderkrippe", ein Gemälde von Albert Anker, Lizenz: gemeinfrei.
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