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"Ich habe gar keine Lust mehr, in diesen Laden zu gehen – ich habe das Gefühl, dass man mich dort absichtlich schlecht behandelt. Schon zweimal musste ich an der Kasse meine Tasche vorzeigen, allerdings als einziger von etwa zehn Leuten. Das war so furchtbar peinlich. Die Kassiererinnen grinsen mich schon dämlich an, wenn sie mich in der Warteschlange sehen – vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, aber das glaube ich nicht wirklich. Jedenfalls habe ich Magendrücken, wenn es ans Einkaufen geht. Dieser Laden liegt nun mal am Nächsten und ich bin nicht mehr sehr gut zu Fuß."
"Ich habe schon ein schlechtes Gefühl, wenn ich zur Arbeit gehe – es gibt da einige Kunden, die sich hobbymäßig über uns beschweren. Mich trifft es ziemlich oft, und wenn ich die so reinkommen sehe, weiß ich, dass wieder ein Gespräch mit dem Marktleiter ansteht. Zu den meisten anderen Kollegen sind die allerdings maiglockenfreundlich. Diese Ungerechtigkeit macht mich fertig jedes Mal. Die suchen richtig danach, habe ich das Gefühl. Meine Magenschmerzen werden langsam chronisch, aber was soll ich machen, ich brauche diesen Job."
Es könnte sich auch um andere Szenarien handeln, denn Machtspiele werden immer und überall gerne gespielt:
"Der Lehrer kann mich nicht ausstehen, das steht fest. Der passt fast nur auf mich auf – die anderen drumherum machen derzeit, was sie wollen. Bei keinem kommt so ein Kommentar, wenn er was nicht weiß – nur bei mir muss natürlich so eine blöde Anmache kommen. Die ganze Klasse lacht sich einen weg, wenn der Kerl mich was fragt – noch bevor ich überhaupt was gesagt habe. Ich kann nix dafür, wenn ich nicht so tolle Klamotten hab und manchmal nicht gleich alles mitbringe, so wie Materialien und das alles. Wir haben's halt nicht dick zuhause. Meine Eltern sagen, ich bilde mir das nur ein. Am liebsten würde ich die Schule wechseln."
"Morgens muss ich mich total zusammenreißen, um überhaupt noch den Saal betreten zu können. Die grinsen sich einen, sobald ich auch nur 'Guten Morgen' sage – und dann geht das los. Die beiden Kerls machen, was sie wollen, führen mich als absoluten Idioten vor. Die Gespräche mit den Eltern führten zu nichts – die kommen selber nicht klar. Außerdem hat der Vater des einen Rowdies einigen Einfluss. Es tut richtig weh, dass diese Jungen einen guten Unterricht für die anderen doch sehr schwierig machen. Ich habe um eine Versetzung nachgefragt – aber das dauert, und bis dahin werde ich bei den Kollegen auch nicht gerade als Held gefeiert. Der Arzt sagt, ich hätte ein Magengeschwür – und dass ich Stress vermeiden soll. Der hat gut reden."
Betroffene Bürger, die zum Beispiel vor einem Schalter einer Behörde stehen, kennen dieses Angstdrücken. Aber auch Mitarbeiter von Behörden kennen es ... es sieht aus, als ob gerade zu denen, die empfindsam reagieren, immer die Uneinsichtigen und Lauten kommen, die auch vor Randale nicht zurückschrecken – oder dass, im umgekehrten Falle, immer ein Sachbearbeiter mit scheinbar sadistischer Veranlagung hinter dem Schreibtisch sitzt. Es scheint eine besonders gut funktionierende Anziehungskraft zwischen solchen Gegenpolen zu geben.
Es hat etwas mit dem "Kerbeneffekt" zu tun: wo schon ein Pfad getreten wurde, kommt man leichter zum Ziel – es ist einfacher, eine bereits geschlagene Kerbe zu treffen. Menschen, die sensibel reagieren, haben feine Antennen für Angriffe, sie leiden eher darunter. Der Spruch "Man darf keine Schwäche zeigen" wird leider immer als Rezept gehandelt – aber er geht völlig an der Sache vorbei.
Derjenige, der ein Opfer sucht, reagiert nicht auf Schwäche, sondern auf Sensibilität. Jemanden mit versteckter oder offener Herabsetzung ärgern nützt nur dann etwas, wenn dies auch bemerkt und empfunden wird. Das hat mit Stärke nichts zu tun – auch und oft gerade ein tief empfindender Mensch kann einige Kraft aufbringen, wenn es um Dinge geht, die ihm wichtig sind. Man kann sich allerdings nicht darauf trainieren, solche Angriffe nicht wahrzunehmen – das wäre wohl auch nicht wünschenswert. Die Erfahrung, die wir in unserem Leben sammeln, ist wichtig für uns. Es bleibt nur die Möglichkeit, der Situation anders zu begegnen.
Menschen, die aus Spaß andere schikanieren, folgen einem eingefahrenen Pfad. Sie sind auf mögliche Verhaltensweisen ihrer Opfer trainiert – weicht das ab, kommen sie aus dem Konzept. Hilflose Wut, die mühsam unterdrückt wird, das starre Gesicht, wenn gegen das Weinen angekämpft wird – das sind die Zeichen dafür, dass sie getroffen haben. Sie kennen diese Anzeichen sehr gut und arbeiten direkt darauf hin.
Verweigert man das nun, indem man ruhig den Blickkontakt hält und vielleicht einfach fragt "Man muss Ihnen einmal sehr wehgetan haben, denn anders kann ich Ihr Verhalten nicht deuten" (dies wirkt sogar, anders formuliert, bei den Schülern), oder auch "Was gibt Ihnen das? Sie sind deswegen ja noch kein anderer als der, der Sie nun einmal sind" kann das erstaunlich positive Folgen haben, aber auch zu einer äußerst aggressiven Haltung führen. Die Betreffenden fühlen sich demaskiert, was sie durch ihr Verhalten vor jedem – und vor allem vor sich selber – verbergen wollen, das wird punktgenau angesprochen.
Eigentlich sollte damit erreicht werden, dass man Ruhe hat – denn wahrscheinlich hat man die größte Schwachstelle des anderen getroffen. Mangelndes Selbstbewusstsein und immer noch schmerzende Verletzungen sind oft die Gründe für solches Verhalten. Beide Faktoren führen leider oft zu einem Verhalten, das als Bösartigkeit wahrgenommen wird.
Falls man das Gefühl hat, so eine für die anderen bequeme Kerbe als eine Art Abzeichen oder Stigma auf der Stirn zu tragen, dann ist das gar nicht so weit hergeholt – denn Menschen, die sich seit Jahren auf diese Art selber therapieren, haben einen feinen Sinn dafür, wo sie ansetzen und treffen können. Sensibilität ist dafür nötig, eine größere, als man solchen Zeitgenossen im Allgemeinen zutrauen würde. Und das ist die Chance der Friedliebenden ... wer etwas herausschreit, hat die Türe weit offen. Also kann man auch etwas hineinrufen ... und wird wahrscheinlich etwas bewirken.
© "Machtspiele – Szenarien und Schutz vor Mobbing": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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