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Der Versuch, die Träume zu entschlüsseln, ist so alt wie die Menschheit. Was sich geändert hat im Laufe der Zeit ist die Sicht dieser Bilder, die dann zu uns kommen, wenn wir schlafen. In früheren Zeiten sah man, je nach geistiger Ausrichtung, die Träume als Botschaften von Geistern oder anderen spirituellen Wesenheiten, und im Mittelalter sah man die Traumbilder sogar zuweilen als Anfechtungen des Teufels.
Es hat im Laufe der Geschichte Träume gegeben, die Berühmtheit erlangt haben, nimmt man zum Beispiel die biblische Geschichte von Josef und dem Pharao, der von den fetten und den mageren Kühen träumte. Der amerikanische Präsident Abraham Lincoln soll wenige Tage vor seiner Ermordung einen Traum gehabt haben, in dem er seiner eigenen Beerdigung als Beobachter beiwohnte. Prophetische Träume sind ein Thema, das sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte zieht, ob man nun daran glaubt oder nicht.
Es gibt viele Geschichten von Erfindern oder Wissenschaftlern, denen im Traum die Lösung eines Problems anhand von Bildern aufging – wobei es hier eher um eine Botschaft des Unterbewusstseins geht. Wer längere Zeit intensiv nach einer Lösung sucht, kann ein wenig "betriebsblind" werden. Er hat zwar die Komponenten für das Ganze zusammen, aber sein Verstand ist nicht in der Lage, sie zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Das Unterbewusstsein, in dem sich die Lösung längst manifestiert hat, nutzt nun sein eigenes Mitteilungssystem, um den Vollzug zu melden. Es geht dann nur noch darum, die Sprache des Traumes auch zu verstehen, denn diese spricht meist in Gleichnissen.
Fast jeder kennt die alten "Traumbücher", in denen fein säuberlich die Symbole erklärt wurden, was sich allerdings meist sehr an überkommenen abergläubischen Vorstellungen festmachte. Da wird zum Beispiel eine Katze als Symbol für Falschheit beschrieben. Das kann durchaus so sein – jedoch nur, wenn der Träumende die Feliden so sieht. Ein ausgemachter Liebhaber der schönen Wohnungstiger wird das völlig anders belegen. Natürlich gibt es Symbole, die allgemein Gültigkeit haben, das steht außer Frage – manche archetypischen Bilder sind uralt und formten sich, als die Menschen als Spezies noch jung waren. So konnte anhand von Träumen kleiner Kinder nachgewiesen werden, dass es so etwas wie einen "Schablonensatz" gibt, der praktisch zur Grundausstattung gehört. Kinder träumten von archetypischen Bildern, selbst wenn sie noch nie vorher davon gehört hatten.
Es muss auch davon ausgegangen werden, dass auch Kulturen über die Jahrtausende hinweg unsere Traumbilder prägen. Ein einfaches Beispiel dafür ist die negative Belegung der Drachen in unserem Kulturkreis als Ungeheuer, das Menschen frisst und in seiner Eigenschaft als "Lindwurm" der Schlange gleicht und somit dem Teufel zugehörig ist. Im Gegensatz dazu sind Drachen im asiatischen Denken durchweg positive Geschöpfe, die Glück bringen und gutartig sind. In der neueren Fantasy-Literatur hat sich der Ruf der großen Echsen ebenfalls gewaltig gebessert – aber das ändert nichts an unserem Artgedächtnis. Trotzdem kann ein Sammler von Drachenfiguren schweißgebadet vor Angst aus einem Traum aufwachen, in dem er einen solchen "Lindwurm" gesehen hat. Das Unterbewusste ist stärker als das neu angeeignete.
Manche Symbole wandeln sich im Laufe der Zeit – wo früher eine Kutsche herhalten musste, wird es heute wohl ein Auto sein, doch tatsächlich ist die Traumdeutung nur von Wert, wenn sie individuell geschieht. Das bedeutet, dass der betreffende Mensch, der den Traum hat, ihn selber entschlüsseln muss letztendlich. Der Psychologe – oder ein gutes Buch über seriöse Deutung – kann und soll Hilfestellung geben, doch niemand kann sagen: "Du hast von einer Katze geträumt, also will dir eine Person böses." Der Betroffene muss sich selber fragen: "Was bedeuten Katzen für mich – was hat das Tier getan? Hat es mich bedroht oder war es freundlich? Wo bin ich ihr begegnet und woran erinnert mich das?", usw. usw.
Die Komplexität der Träume lässt einen solchen Telegrammstil kaum zu – meist hängen die Bilder auch zusammen, so dass die "Katze" mit Kontext "gelesen" werden muss. Die allererste Frage muss allerdings sein: "Wie habe ich mich nach dem Erwachen gefühlt?" Und: "Hat dieser Traum ein gutes oder schlechtes Gefühl hinterlassen?" Bei Träumen, an die wir uns erinnern und die uns einige Zeit nicht aus dem Kopf gehen, ist es mit Sicherheit lohnend, sich näher damit zu befassen, denn irgendetwas daran ist für uns wichtig. So äußert sich der Körper zuweilen in Traumbildern, um auf einen Missstand hinzuweisen.
Allzu oft verdrängen wir Symptome, weil sie uns gerade nicht in den Kram passen, wir überhören gerne Signale. Auch hier ist Aufmerksamkeit geboten. Was prophetische Träume betrifft, so ist es die Angelegenheit jedes Einzelnen, ob er daran glaubt oder nicht – aber unser Inneres weiß weitaus mehr als wir denken, und ist auch bereit uns das mitzuteilen. Nicht nur was die Zukunft betrifft, sondern auch das Hier und Jetzt.
© "Wer träumt hat mehr vom Leben": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Abbildung der Synapsen: Autor Marcus Hein.
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