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In der zehnseitigen Horror-Kurzgeschichte tauchen plötzlich kleine Lebewesen in der Wohnung der jungen Claudia auf. Aber die nützlichen "Smergs", so der Name dieser Mikrowesen, brauchen Schmutz, um existieren zu können. Claudia aber spielt die Putzsüchtige. Dass die beiden Parteien da überhaupt nicht zusammenpassen, muss jedem klar sein. Wer wird wohl wem das Überleben schwer machen?
Der Autor Achim Hildebrand hat diese Kurzgeschichte im Jahre 2004 geschrieben, die dann im Sommer 2013 im zweiten Band der Anthologie-Reihe "Zwielicht Classic" veröffentlicht wurde. Das Taschenbuch "Zwielicht Classic 2" umfasst 178 Seiten; weiterhin liegen die Geschichten in E-Book-Form in den gängigen Online-Stores zum bezahlten Download bereit.
"Nnnnnhhhh", die Anspannung und Frustration eines ganzen missratenen Tages verließen Claudia in einem einzigen wohligen Seufzer, als sie sich bis zum Kinn ins angenehm heiße Wasser gleiten ließ. Der duftige Schaum kitzelte und knisterte in ihren Ohren. Sie ließ es mit einem wohligen Nasenkräuseln geschehen und lehnte sich entspannt zurück.
So bleib ich jetzt liegen, dachte sie, einfach liegen, bis das Wasser kalt ist ...
Ihr Blick wanderte träge über das rötelfarbene Wolkenmuster der Kacheln, ein unaufgeregtes, beruhigendes Muster, ohne aufdringliche Kontraste oder kitschige Dekorbilder. Nur unterbrochen durch die hellen Pfade der Fugen.
Sie stutzte. Da war etwas, das die weiße Harmonie der Linien unterbrach, direkt über ihrem Unterarm, der auf dem Rand der Wanne ruhte. Neugierig beugte sie sich vor. Es war ein bräunlich-grauer Fleck, der sich in die Fuge schmiegte, kaum länger als ein Streichholz. Nicht nur eine Verfärbung, sondern unverkennbar ein Belag, der auf dem unschuldigen Weiß haftete. Sollte das etwa Dreck sein?
Verdrossen runzelte sie die Brauen. Sie konnte sich nicht vorstellen, eine solche Schmutzkruste übersehen zu haben. Sie putzte ihr Bad dreimal die Woche gründlich und bis in die letzte Ecke, aber das hier sah aus, als habe es sich über Wochen – wenn nicht Monate – angesammelt ... festgesetzt ... eingefressen ...
Claudia war kurzsichtig. So kurzsichtig, dass sie nie sicher war, welche Schuhe sie gerade trug. Darum konnte sie mit den Augen ganz nahe herangehen und mit fast mikroskopischer Schärfe auch die kleinsten Einzelheiten erkennen. Es sah aus wie eingetrockneter, vergrauter Seifenschaumschorf, durchsetzt mit abgebrochenen Haarspitzen, zusammengebackenen Hautschuppen und seltsam schmierigen Filamenten, deren Natur sie nicht näher bestimmen konnte. Möglicherweise waren es alte, verklebte Spinnweben.
Seltsam, dachte sie, es sieht aus wie eine winzige Landschaft. Mit Bergen, Höhlen und Tälern. Sie schauderte bei der Vorstellung, diese kleine Welt sei bewohnt von kleinen, ekligen Mikroben. Mikroben, die an den filigranen Spinnwebsäulen hinauf zu ihren Höhlen krabbelten, darin verschwanden und dort ihren sinistren Bazillengeschäften nachgingen.
Claudia schnaubte unwillig. Das konnte sie nicht so bleiben lassen. Mit einem solchen Dreckflecken neben sich konnte sie ihr Bad nicht genießen. Auf keinen Fall. Hektisch kletterte sie aus der Wanne, trocknete sich flüchtig ab, kramte ein neues Scheuerschwämmchen aus dem Unterschrank und tränkte es mit Fugenreiniger.
Der durchdringende Geruch allein und die cremige Konsistenz beruhigten sie schon ein wenig. Sie versprachen Reinheit und Makellosigkeit. Claudia presste den Schwamm auf die Fuge und rieb ihn kräftig hin und her. Puh, der Flecken war widerspenstig – so, als habe er Wurzeln in der Fugenmasse. Nur ganz allmählich wurde er blasser, und sie musste mehrere Male die Hand wechseln, bis er so weit verschwunden war, dass sie auch bei schärfstem Hinsehen keine Verfärbung mehr wahrnehmen konnte.
Zufrieden stieg sie wieder in die Wanne und spürte, wie die Entspannung zurückkehrte. Jetzt war alles richtig. Das war ihr Bad, wie es sein sollte, und nun konnte sie sich auch fühlen, wie sie sich fühlen wollte.
Als sie eine Stunde später zu Bett ging, hatte sie die Sache schon fast wieder vergessen und schlief auf der Stelle ein. ...
Neben Horror bietet die spannende Anthologie-Reihe "Zwielicht Classic" auch etwas Dark Fantasy oder Science Fiction. Mittlerweile (2018) wurden vom Herausgeber Michael Schmidt mehr als ein Dutzend Bände veröffentlicht. Auf dem Autorenprofil von Michael Schmidt findet ihr alle Bücher der Classic-Reihe und noch viel mehr.
Ein ausführliches Interview mit dem Autor Achim Hildebrand lest ihr auf dem phantastischen Fantasy-Guide von Ralf Steinberg.
Der II. Band enthält folgende Geschichten:
Achim Hildebrand – Smergs (2004)
Stefan Melneczuk – Invasion (2009)
Tobias Bachmann – Der Mann, der die Kerzen anzündete (2006)
Michael Siefener – Der Besuch (2005)
Christian Weis – Lili (2008)
Marcus Richter – Subcutis (2007)
Andreas Flögel – Im Keller warten die Phantome (2007)
Jörg Herbig – Nachrichten aus Rehgib (2011)
Lothar Nietsch – Tour de Fini (2008)
Walter Diociaiuti – Zigeuneraugen (2007; Gewinner des Vincent Preises 2007)
Nina Horvath – Der Heckeeuro (2012)
Michael Schmidt – Oststadt (2008)
Regina Schleheck – Auto fahren (2011)
Weitere Textbeiträge (Auswahl):
Martin Strasser – Der Poet der Fantasie (2007)
Kathleen Weise – Interview mit Björn Ian Craig (2012)
Elmar Huber – Interview mit Stefan Melneczuk (2012)
Mehr Horror und Phantastik: Zwielicht Classic I: Blind Date | Zwielicht II: Feuerhaut | Zwielicht III: Das Tal der Tiere | Zwielicht X: Unsere Rezension
© "Zwielicht Classic II": Dem Herausgeber Michael Schmidt und den beteiligten Autoren / Autorinnen danken wir herzlich für die Leseprobe aus der Horror-Kurzgeschichte "Smergs"; das Coverbild stammt von Lothar Bauer, 02/2019.
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