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Schröder lehnte sich in seinem gepolsterten Stuhl erwartungsvoll zurück. Gleich würde die Vorstellung beginnen, und wie jeden Abend saß er in der allerersten Reihe. Der Club hier war teuer, sauteuer sogar – aber das Programm war es wert. Seit einigen Wochen gastierte hier "Madame Sarrona mit der Schlangenkrone" und sorgte für ein volles Haus. Die Dauerplatzkarte vorne an der Bühne hatte Schröder einiges gekostet, aber er wusste, dass es sich für ihn bezahlt machen würde.
Schlangen ... das waren sie alle, die Weiber – das war keine Frage – und er tat sein Bestes, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, indem er es der einen oder anderen so richtig zeigte. Und Madame Sarrona würde die Krönung seiner Mission sein, das war ihm klar, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Solche Schuppen wie dieser hier, Glitzertempel für die besseren Herrschaften, waren sonst nicht sein Ding, aber als er an jenem Abend ziellos durch die Innenstadt gegangen war, hatte ihn etwas an diesem Plakat gefesselt. "Die Lady mit der Schlangenkrone" hatte in glitzernden Buchstaben darauf gestanden, und darüber sah man eine Kobra. Sonst nichts.
Es war ein sehr kalter und regnerischer Abend gewesen, das war wohl der Grund dafür, dass Schröder noch einen Platz bekam. Etwas zog ihn hinein, zog ihn zu dem, was diese Kobra auf dem grellen Plakat verhieß. Der mittelgroße Saal war ziemlich voll, aber Schröder bekam einen recht guten Platz an der Seite. Das Vorprogramm war langweilig, vier Kerle zeigten Muskeln und bauten menschliche Pyramiden – zum Gähnen. Dann wurde es dunkel, und die Hauptattraktion wurde angekündigt ... von irgendwoher erklang Flötenmusik. Dann ein Gong, und rotes Licht flammte auf. Schröder stockte der Atem, denn auf der Bühne stand wie aus dem Nichts eine weibliche Gestalt, die sich zur Flötenmusik wiegte ... sachte erst, dann aber schneller und schneller. Man sah nur eine Silhouette, einen Schattenriss, der eine schlanke weibliche Gestalt mit einer Art hohem Kopfputz zeigte.
Eigentlich wäre auch das langweilig gewesen, aber Schröder spürte eine sonderbare Spannung in sich aufsteigen. Es hielt ihn in seinem Stuhl, er hätte nicht aufstehen können – selbst wenn er es gewollt hätte. Dann gab es noch einmal einen Gongschlag, und grüngoldenes Licht fiel auf die sich wiegende Gestalt. Da wusste Schröder, dass hier die Erfüllung auf ihn wartete. Die Frau war hinreißend, geschmeidig schlank, und sie bewegte sich wie ein Reptil. Das Licht warf Reflexe auf ihr Kleid aus schimmerndem Stoff, das aussah, als hätte man es ihr auf den Körper gesprüht. Spots flammten auf und erfassten zwei hohe Krüge, die bisher unsichtbar gewesen waren. Wie von Geisterhand bewegt öffneten sich die runden Deckel und je vier große Schlangen hoben ihre Köpfe. Das war kein gewöhnlicher Schlangentanz, das war Schröder sofort klar. Obwohl er kein Reptilienkenner war, erkannte er doch, dass es sich dabei um Kobras handelte und nicht etwa um träge Pythons, wie die so genannten Schlangenbändiger sie sich sonst für gewöhnlich um den Körper legten.
Dann erklang eine Trommel, die Flöte verstummte. Und zum Rhythmus der acht Schlangen tanzte Madame Sarrona mit weit aufgerissenen Augen einen sonderbar anmutenden, aber hocherotischen Tanz. Schröder wurde der Mund trocken, er saß starr in dem hartgepolsterten Stuhl und starrte die Frau auf der Bühne an. Dann nahm er ihren Kopfputz wahr – sie trug eine Art breitrandigen Hut oder eher Korb auf dem Kopf, voller sich windender Schlangen. Er konnte nicht erkennen, um was für eine Art es sich handelte – aber das war ihm auch gleichgültig, denn plötzlich traf ihn ihr Blick. Sie hatte riesige Augen, die starr und glitzernd seinen Blick fingen ... die Schlange hatte ihn bemerkt. Gut so, sie sollte ihn kennenlernen.
Es waren zehn gewesen oder mehr in den letzten Jahren, denen er von dieser Welt geholfen hatte und alle in verschiedenen Städten. Schlangen waren es gewesen, hinterlistige und falsche Weibsbilder. In Lokalen, auf Festen ... hatten versucht, sich um ihn zu winden und ihm die Luft abzuschnüren ... hatten sich herangeschlängelt. Sie hatten etwas von ihm gewollt und er hatte es ihnen gegeben, bis sie kreischten und um sich schlugen. Dann hatte er geschlagen, aber Schlangen konnten sich herauswinden aus jedem Griff, das war ihr Wesen. Die glatte Haut war ihr Schutz, diese herrlich glatte Haut, die ihn anzog und abstieß gleichermaßen. Aber gegen Säure waren sie machtlos. "Sprüh ihnen Säure in die Augen, lass nicht zu, dass sie dich verschlingen." Dann der Draht. Bis jetzt hatte er Glück gehabt, denn es war verboten, sie auszurotten.
© Erzählung "Die Lady mit der Schlangenkrone: Madame Sarrona" von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Die Abbildung zeigt ein römisches Fresko aus dem Atrium von Pompeji (Quelle: Wikipedia, Lizenz: gemeinfrei).
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