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Die Autorin Ilona E. Schwartz veröffentlicht hier eine weitere Leseprobe aus ihren Büchern. Die komplette Erzählung wurde im Buch "Jan und die Märchenbühne der Wunder" veröffentlicht (Informationen dazu siehe weiter unten).
Er seufzte und griff im Vorbeigehen nach seiner Jacke, die am Haken im winzigen Flur der Wohnung hing. Seine Frau keifte hinter ihm her, wie sie es immer tat. Es hatte keinen Zweck, hinzuhören oder gar zu antworten – wenn sie dieses Endlosband abspulte, konnten nichts und niemand diesen Strom unterbrechen. Als er die Treppe hinunterging, hörte er noch ihre Stimme, diese Mischung aus Vorwurf und Weinerlichkeit, die er kaum noch ertrug. Er konnte sie nicht zum Stillsein bringen, die Frau – also floh er, floh in die Straßen des düsteren kleinen Vorortes, in dem sie beide gezwungen waren, zu wohnen.
Das war einmal anders gewesen, vor einigen Jahren. Er hatte gut verdient und sie hatten sich vieles anschaffen können im Laufe der Zeit. Es war, als dächte er an eine andere Frau, wenn er an diese Zeit zurückdachte. Lebendig war sie gewesen und gelacht hatte sie viel. Verwöhnt war sie auch, aber das hatte er gemocht. So hübsch hatte sie ausgesehen, so bezaubernd. Dann war es bergab gegangen, erst hatte die Firma Insolvenz beantragt und er war gekündigt worden. Die nächste Stelle war nicht so hoch dotiert und auch weiter entfernt. Man hatte das kleine Auto der Frau abschaffen müssen, die Kosten waren einfach zu hoch geworden. Den eigenen Wagen brauchte er, um die fast hundert Kilometer hin und zurück zur Arbeitsstelle zu fahren.
Seufzend ging der Mann, die Hände in den Jackentaschen vergraben, durch den verdreckten kleinen Park, wie die ungepflegte und völlig überwucherte Grünanlage sich großspurig nannte. Streitende Jugendliche schubsten sich gegenseitig in die regennassen Büsche, hier und da saßen alte Männer mit Flaschen auf den mit Graffiti übersäten Bänken. Es kümmerte ihn nicht, er hing denselben Gedanken nach wie so oft. Und er wusste genau – sie würden ihn zu demselben Schluss führen wie immer. Früher war er vor diesem Halt des Kopfkarussells zurückgeschreckt, aber jetzt nicht mehr. Als er wiederum arbeitslos geworden war, so erinnerte er sich, musste die Wohnung aufgegeben und mit einer kleineren vertauscht werden. Sie hatten an allem gespart, damit sie wenigstens den "allernotwendigsten" Standard halten konnten, wie die Frau verbittert gesagt hatte. Eine Arbeit wollte sie nicht suchen; sobald er das Thema vorsichtig ansprach, presste sie die Lippen zusammen und sah an ihm vorbei – sie begriff nichts.
Als er noch eine Stelle hatte und nicht oft daheim war, hatte sie sich immer mehr in den vier Wänden verkrochen. Laufen mochte sie nicht, und seit sie nicht mehr zu ihren Freundinnen fahren konnte, hatte sie das Interesse an der Außenwelt immer mehr verloren. Dann hatte sie sich der Astrologie zugewandt – oder dem, was sie dafür hielt. Ihn schauderte bei dem Gedanken an die teuren Abos für pseudoastrologische Fachzeitschriften, die das Konto belasteten. Aber er wollte ihr nicht alles wegnehmen, sie hatte ja schließlich keine Schuld. Doch dann fing sie an, alles was sie tat, nach "den Sternen" zu tun. Hausputz nach den Sternen, den sie dreimal wöchentlich ansetzte (er hielt das für eine Ersatzhandlung) und der ihn jedes Mal aus der Wohnung trieb. Haare schneiden, einkaufen und kochen nach den Sternen und was es sonst noch für Verrücktheiten gab – es wurde immer schlimmer.
Sie fing an, Geld auszugeben für irgendwelche astrologischen Telefondienste ... er verstand nichts davon und hielt es für Humbug. Aber die Streitereien und fürchterlichen Szenen, wenn er mit ihr darüber reden wollte, lehrten ihn, es hinzunehmen. Er war nie gewalttätig gewesen, aber schon ein- oder zweimal musste er hinauslaufen, bevor er zugeschlagen hätte. Als sie in dieses fürchterliche kleine Loch ziehen mussten, weil ihre Wohnung nicht "angemessen" war nach den Richtlinien für Bedürftige, hatte sie darauf bestanden, ihre über Jahre gesammelten Nippesfiguren mitzunehmen. Kisten voller Zeug waren es, darunter allein die zwölf Planetengötter aus Marmor-Imitat und über einen halben Meter hoch. Ihn schauderte, wenn er an das winzige Wohnzimmer dachte, das eigentlich viel größer hätte sein können, wenn nicht jede Wand ...
© "Die Macht der Sterne": Erzählung von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Die Abbildung zeigt Flammarions Holzstich, 1888 (Quelle: Wikipedia, Lizenz: gemeinfrei).
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