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(März 2011) Es war vor vielen Jahren, als ich zum ersten Mal von Dir hörte. Das war ... lass mich nachdenken – ja das war, als ich meine erste "Emma" las. Ich war selbstverständlich begeistert von dem Blatt, das mir eine Freundin empfohlen hatte. Die Courage las ich auch, klar – aber Du und Emma, ihr wart mir einfach näher. Eigentlich konnte ich es kaum abwarten an den Kiosk zu rennen, um das Blatt zu kaufen, endlich gab's mal was für uns.
Wie eine Furie habe ich Dich verteidigt, wenn mal wieder irgend so ein Kerl meinte: "Klar, die frustrierte hässliche Kuh hat keinen abgekriegt." Meist waren das Männer, die so gut wie nie in den Spiegel sahen und sich deshalb nicht wunderten, wieso sie eigentlich keine Frau oder Freundin hatten, so wie sie aussahen. Aber das nur am Rande, denn vor allem bewunderte ich Deinen scharfen Verstand und natürlich Deinen Kampfgeist.
Wie vielen Frauen Du ihre sexuelle Identität bestätigt oder vielleicht sogar erst gegeben hattest mit Deinem Buch "Der kleine Unterschied", weißt nicht einmal Du selber. Du hast Tempelhallen einstürzen lassen und Idole vom Sockel geholt, könnte man sagen. Du hast Deinen Schwestern beigebracht, dass es nicht an ihnen lag, dass sie die Sache mit dem Geschlechtsverkehr nicht so sehr mochten, sondern daran, dass eine Menge Leute im Laufe der Jahrhunderte eine Menge Unsinn von sich gegeben hatten. Und dass Frauen auch "NEIN" sagen dürfen, das hast Du ihnen auch vor Augen geführt. Und niemals hast Du so etwas wie "Männerhass" gepredigt. Das wurde Dir zwar angehängt, es stimmte aber einfach so nicht.
Ja, das waren noch Zeiten in den Siebzigern und Achtzigern des vorigen Jahrhunderts, als die Frauen anfingen zu begreifen, dass sie nicht von Natur aus unterlegen waren – und so weiter und so fort. Heute sind das wohl olle Kamellen, guckt man sich die silikongefüllten neuen Frauen an. Nun ja, zumindest kann man sagen, dass sie nicht hohl sind ... kleiner Scherz am Rande. Sieht man sich die Kanzlerin an, weiß man, dass sich sehr wohl einiges geändert hat – bis auf kleine Ausfallschritte in Richtung Äußerlichkeit. Aber niemand kann sagen, dass Angela keinen abgekriegt hätte ... hat sie nämlich. Nimmt man die Worte einer amerikanischen Feministin, die da besagen, dass wir Frauen es geschafft haben, wenn eine völlig unfähige Frau das höchste Amt im Staat innehat, dann sind wir ja echt direkt auf der Ziellinie.
Aber ich schweife ab, Alice. Was ich sagen will ist, wir verdanken Dir wirklich viel. Du hast den Mythos des vaginalen Orgasmus erbarmungslos deinstalliert und wer weiß, wie vielen Schwestern den Weg zu ebenso viel Spaß am Sex, wie ihn Männer haben, gezeigt. Das war überfällig. Wie liebte ich deine Schlagfertigkeit, wenn du fehlgeleitete Schwestern wie Verona Pooth oder Esther Vilar ein wenig vorgeführt hast – letztere ist so was wie eine Frauenhasserin nach meinem Verständnis. Wahrscheinlich, will sie irgendwas kompensieren damit. Vielleicht haben ihre Eltern ihr den Besuch einer Hauswirtschaftsschule verboten. Dann hast Du hier und da TV-Präsenz gezeigt, auch in Shows und so was alles. Ich mochte das, denn Du hast einen tollen Humor.
Ja, Alice ... und was tust Du jetzt? Du verbündest Dich mit dem Teufel, um einen kleinen Poltergeist ... äääh Kachelmann zu fangen, oder wie muss man das sehen? Eine Kolumne in der BILD ... Alice, das geht so was von gar nicht. Diesmal hast Du Dich in der Wahl der Mittel, oder eher gesagt, des Podiums vergriffen. Die Mitarbeit bei diesem Blatt ist kein Startloch, um in der Kampfarena seine Meisterin zu stehen, sondern eher eine Abschussrampe, Alice. Ich verstehe das nicht, und ich denke, dass sehr viele Frauen das auch nicht verstehen. Und aus diesem Grund, Alice, verabschiede ich mich an dieser Stelle von Dir. Wir haben eine lange Wegstrecke zusammen hinter uns gebracht, aber jetzt ist es Zeit für die Trennung.
Ich meine, jeder von uns hat schon das eine oder andere Mal zu Mitteln gegriffen, die wir nicht unbedingt einem Ethik-Komitee hätten erklären können. Aber das, was Du jetzt machst, geht entschieden zu weit. Du warst für mich so etwas wie ... ja, so etwas wie eine Art Vorbildfrau. Jedenfalls was Deine Arbeit und Deine Präsenz betrifft. Aber die Zeiten ändern sich, die Menschen vielleicht auch und schließlich hat jeder das Recht seine Meinung zu ändern. Das hast Du getan und ich tue es auch. In diesem Sinne ... so long, Alice. Es war schön mit Dir.
© Textbeitrag "Dear Alice, oder Living next door to Alice": Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Fragezeichen, CC0 (Public Domain Lizenz).
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