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(Februar 2011) Es ist beschlossen – der Vater des Amokläufers von Winnenden muss nicht in Haft, seine Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, dass er die Tat nicht verhindert, sondern durch seinen Umgang mit den scharfen Waffen, die er im Hause hielt, erst möglich gemacht habe.
Die reinen Fakten bestätigen das Urteil durchaus, denn die Familie war durch Therapeuten von der Gefühlslage des Sohnes in Kenntnis gesetzt worden. Der hatte seinen Welthass mehreren Personen gegenüber ausgesprochen und konnte zu der Zeit wohl als eine tickende Zeitbombe angesehen werden. Dass dieser Junge, der nicht mehr berechenbar war, in einem Haushalt lebte, in dem es scharfe Waffen gab, wusste keiner der Psychologen. Der Vater selbst nun stellte scheinbar absolut keinen Bezug zu einer möglichen Katastrophe her und nahm seinen Sohn nach dem besagten Therapiegespräch mit in den Schützenverein.
Man kann sich nur schwer vorstellen, was in einem Menschen vorgeht, der glaubt, durch den Umgang mit Schusswaffen die Aggression eines anderen beherrschbar zu machen. Wahrscheinlich war es dem Vater des Amokläufers zu keiner Zeit bewusst, was er da eigentlich tat. Er war nicht fähig, einen Zusammenhang herzustellen.
Dieser Fall ist einer der wenigen in Deutschland, in denen unverantwortlicher Umgang mit Schusswaffen im Haus zu einem Desaster führt – das klingt zynisch, denn einer ist schon zu viel. Doch gemessen an den USA, wo jährlich viele Menschen durch legale Feuerwaffen sterben, ist es tatsächlich verschwindend gering. Wir sprechen hier nicht von Gangstern, die sich auf dunklen Wegen eine Pistole oder sonst etwas besorgen, um dann die nächste Tankstelle zu überfallen oder einen Rachefeldzug gegen den Nachbarn starten. Hier geht es um den alltäglichen Wahnsinn von Menschen, die glauben, dass sie ohne Gewehr oder Pistole nicht auskommen.
Die meisten amerikanischen Haushalte verfügen über Waffen, jedenfalls in den Bundesstaaten, wo dies erlaubt ist. Gewehre werden in den Häusern aufbewahrt, um entweder tatsächlich Wild damit zu erlegen oder aber, weitaus häufiger, sich gegen unerwünschte Eindringlinge wie Einbrecher verteidigen zu können. Das klingt zwar nicht unlogisch, aber die Statistik zeigt, dass so gut wie nie ein Verbrecher, sondern meist Familienangehörige getötet oder verletzt werden. Entweder eskaliert ein Ehestreit, in dessen Verlauf die Waffe zum Einsatz kommt, oder die Kinder wissen genau, wo Dad die Munition zu seiner Pistole hat – und beim nächsten Spiel kracht es dann. Diese Tatsachen will niemand hören in einem Land, in dem jeder glaubt, dass es zu seinen Grundrechten gehört, je nach Belieben die Zeit zurückzudrehen und wie ein Sheriff in einer Goldgräberstadt zu agieren.
Für wie viel Elend diese Verliebtheit in Schusswaffen schon verantwortlich ist, kann niemand genau nachvollziehen. Hierzulande gibt es unzählige Schützenvereine, für deren Mitglieder es das Höchste ist, für eine Sekunde Gott zu sein. Auch in Deutschland spielen Pistolen und Gewehre traurige Rollen in Familiendramen und schützen niemanden vor Verbrechern. Denn der Abzug ist ein Instrument großer Macht. Ein Fingerkrümmen setzt eine gewaltige zerstörerische Kraft frei, über die man nach Belieben gebieten kann. Im Stand und mit einem Minimum an Bewegung kann man auf Distanz etwas bewirken, ohne selber in Gefahr zu sein.
Wer den Abzug drückt, ist Herr über Leben und Tod. Zwar könnte man hier einwenden, dass das Schießen auf Scheiben ein harmloser Sport sei – aber das ist es nur vordergründig. Das Besitzen eines präzisen Tötungsinstruments kann niemals harmlos sein. Wer unbedingt seine Geschicklichkeit unter Beweis stellen will, kann dies ebenso gut mit Farbkugeln tun – vielleicht auch mit Pfeil und Bogen. Natürlich kann man auch damit töten, das steht außer Frage – nur ist es weitaus schwieriger, so ein Gerät zu verbergen.
Vermutlich brauchen Leute, die das Schießen mit Feuerwaffen lieben, einfach den dazu passenden Knall ... wem einfällt, dass das ein wenig infantil klingt, dem sei gesagt, dass es das wohl auch ist. Es hat nun einmal viel mit den Kindern zu tun, die sich mit Pistolen aus Kunststoff wilde Duelle liefern. Es geht um Macht, sonst um nichts ... denn keine, wirklich keine Ausrede wird die Trauer derjenigen mildern, die jemanden verloren haben, weil jemand völlig ohne Not und Grund Tötungsmaschinen zu Hause herumliegen hat.
Einwände wie "jedes Küchenmesser und jeder Hammer kann zum Töten benutzt werden" greifen nicht – denn solche Zweckentfremdungen sind meist entweder dem Affekt oder der Selbstverteidigung zuzuschreiben. Mit einem Schraubenschlüssel läuft niemand Amok. Es geht um die ungute Faszination des Abzugsmoments, diesem Kick, von dem jemand glaubt, dass er ihn endlich einmal wichtig macht. Für eine Sekunde auf dem Schießstand oder bei der Jagd – oder beim völligen Ausrasten, das in einer Blutorgie gipfelt. Es wird Zeit, dass die Bestimmungen, was Feuerwaffen betrifft, in diesem Land extrem verschärft werden.
© "Am Abzug – Das Instrument großer Macht": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Gerechtigkeit, CC0 (Public Domain Lizenz).
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