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(Mai 2011) Da steht er nun, der deutsche Bürger, und weiß kaum noch, wovor er sich mehr fürchten soll. Die Anhänger Osama bin Ladens haben mit Rache gedroht, was kaum eine große Überraschung sein dürfte. Aber der misstrauische Blick des deutschen Arbeitnehmers geht vielmehr in eine andere Richtung. Er fürchtet nämlich eine Invasion der Billigarbeitskräfte.
Diese tief sitzende Angst hatte bewirkt, dass die Bundesrepublik nebst Österreich um einen Aufschub gebeten hatte, was die offenen Grenzen betrifft. Und so war der Arbeitsmarkt noch sieben Jahre sicher, im Gegensatz zum Rest Europas. Dass kein EU-Land von arbeitswütigen Horden aus Polen oder Tschechien überfallen wurde, tut dem Bangen um die Löhne keinen Abbruch – die Deutschen fürchten das Allerschlimmste.
Horrorvisionen von ausländischen Bürgern, die sich begeistert auf jede Art von Sklavenarbeit stürzen und mit freundlichem Lächeln ein besseres Taschengeld in Empfang nehmen, während einheimische Arbeitssuchende vor den Werkstoren stehen, sind das Thema vieler Stammtischreden. Und die sind traditionell wegen ihrer ausgeprägten Realitätsferne bekannt. In den Köpfen vieler Deutscher geistert immer noch die vage Idee vom goldenen Land, in dem Milch und Honig fließt, jedenfalls mehr als sonst wo, und dass selbstverständlich alle Schmarotzer es nur darauf abgesehen haben, ist nur eine Folgerung. Dass der Strom dieser Köstlichkeiten zu einem kaum noch wahrnehmbaren Rinnsal geschwunden ist, entging der Aufmerksamkeit der Freizeitpolitiker wohl.
Deutschland ist längst ein Billiglohnland geworden, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder England, wo man einen flächendeckenden Mindestlohn verankert hat – einen, der um einiges höher ist als hierzulande. Diese Länder konnten keinen Run auf ihren Arbeitsmarkt verzeichnen – soll heißen, dass man jenseits der östlichen Grenzen auf einen Run verzichtet hat. Der Gesetzgeber hat hier in der Republik einiges an Entwicklung verschlafen, und die Arbeitgeber können mit den Schultern zucken. Schließlich müssen sie ja auch sehen, wo sie bleiben – ohne sie ginge gar nichts mehr.
Um zu der Angst noch die Verwirrung zu fügen, suchen Betriebe händeringend nach geeigneten Auszubildenden, während doch viele Jugendliche hunderte von erfolglosen Bewerbungen losschicken. Die Lösung dieses Rätsels liegt in dem Wort "geeignet", denn dass neben dem niedrigen Lohnniveau auch Bildungsnotstand herrscht, hat in vielen Köpfen immer noch keinen Eingang gefunden. Der Sparkurs der letzten Jahre hat nichts gebracht – außer vielen Menschen, die trotz Vollzeitbeschäftigung kaum über die Runden kommen, und ein kaum noch überzeugendes Bildungssystem, das seiner Aufgabe noch gerecht werden kann.
Natürlich sind nicht nur die vielen Einsparungen, was Bildung und Projekte für Jugendliche betrifft, als der einzige Grund der Misere anzusehen, denn hier haben die Eltern wie auch die Lehrer versagt – es hätte nicht soweit kommen müssen, dass man das Bildungsniveau dem wachsenden Desinteresse der Schüler angleicht. Was die Schulpolitik betrifft, wurde unser Land schon längst vielfach überholt. Wenn wir also fähige und motivierte Auszubildende importieren müssen, sollte jedem klar sein, dass wir so ziemlich am Boden des Fasses angekommen sind und schon lange nicht mehr aus dem Vollen schöpfen können, denn für arbeits- und lernwillige Menschen in Europa ist Deutschland nicht mehr die erste Wahl.
Was die Angst vor einem absoluten Absinken des Lohnniveaus betrifft, so haben vor allem die Unternehmer ihren Nutzen davon. Und vielleicht die Stammtische, denn dieses Thema wird noch sehr lange aktuell bleiben.
© "Die neue Arbeitsfreiheit im Billiglohnland Deutschland": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Arbeiter auf Baustelle, CC0 (Public Domain Lizenz).
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