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Herr Schneller stand vor der Eingangstür aus schäbigem, wenn auch schwerem Holz mit den stumpfen Messingbeschlägen. Das Firmenschild war, wie er ein wenig erheitert feststellte, aus emailliertem Blech. Es hatte arge Rostflecken und zeigte in verschnörkelter Schrift den Firmennamen: Schneider & Morsky. Schneller hatte so seine Bedenken, aber sein bester Freund hatte ihm diese Detektei empfohlen: "Sie ist zwar nicht gerade modern, weißt du ... aber dort wird unglaublich effizient gearbeitet. Und günstig, mein Lieber. Unglaublich günstig sind die. Wirst schon sehen."
Schneller zuckte mit den Achseln, in seinem Kopf wollten die Begriffe "günstig" und "effizient" nicht so recht zusammenfinden. Und bei aller Nostalgie – dieses Haus war vielleicht ein Museumsstück und hatte einen gewissen Charme, aber er brauchte Ermittler, die ihr Handwerk verstanden. Da er aber nun einmal diesen Termin vereinbart hatte, wollte er nicht direkt vor der Haustür umdrehen. Zumindest wollte er sich das Ganze einmal ansehen.
Das Innere des Hauses sah ganz so aus, wie man es von außen erwarten konnte: weitläufiges Treppenhaus, schmiedeeisernes Geländer und hohe Stuckdecken. Ein weiteres Emailleschild verwies, was die Detektei betraf, auf das 1. Obergeschoss. Schneller folgte dem Hinweis schmunzelnd, wenn auch leicht verärgert, und fand sich vor einer alten Türe mit bunten Glaseinsätzen, wie man sie vor hundert Jahren verwendet hatte. Gerade als er die Hand auf die Klinke legen wollte, schwang die Türe auf und eine adrette und recht junge Frau begrüßte ihn mit einem unwiderstehlichen Lächeln. Auf das angenehmste überrascht erwiderte Schneller die Begrüßung und ließ sich in die Räume der Detektei Schneider & Morsky führen.
Beide gingen einen langen Flur mit sehr hoher Decke entlang, der nur von den bunten Oberlichtern der Türen zu den einzelnen Räumen beleuchtet wurde, bis die Angestellte die letzte Tür öffnete. Der große Raum dahinter war ein wenig dämmrig und duftete nach Tabak. Schneller stand noch unschlüssig in der Tür, als sich ein alter Mann von seinem Schreibtischstuhl erhob und mit ausgestreckter Hand auf ihn zukam: "Ich freue mich, Sie hier bei uns begrüßen zu dürfen, Herr Schneller. Ich bin Albert Schneider." Der Mann war sehr schlank und trug einen gut geschnittenen dunkelgrauen Anzug. Das weiße Haar war korrekt gescheitelt und die hellen grauen Augen betrachteten Schneller freundlich und wohlwollend. Dann wies Schneider mit einladender Geste auf eine sehr schöne kleine Sitzecke mit Ledersesseln und Marmortischchen, die der Klient jetzt erst bemerkte.
Schneller setzte sich und ließ sich Kaffee einschenken, lehnte eine Zigarette allerdings ab. Hier ging es geruhsam zu, so wie vor fünfzig Jahren – und sonderbarerweise störte das Schneller nicht einmal. Er wollte gerade etwas dazu sagen, als ein sanftes Klopfen und das Öffnen der Türe seine Aufmerksamkeit ablenkte. Ein dicklicher Herr mit Glatze und runden Wangen kam auf ihn zu und begrüßte ihn per Handschlag: "Behalten Sie doch Platz bitte, mein Name ist Franz Morsky." Man konnte das Lächeln des recht kleinen Mannes nur als sonnig bezeichnen, und obwohl Schneller ihn sehr sympathisch fand, fragte er sich doch mittlerweile, ob diese Altherrenriege wirklich etwas für ihn tun konnte.
Als alle eine Tasse in Händen hielten, fragte Schneider dann endlich nach den Wünschen des neuen Klienten. Und Schneller sagte ihnen, worum es ging ... er hatte dieses Telefonat mitgehört. Er wusste, dass sein Partner sich mit jemandem treffen würde. Und er wusste wo. Langsam aber sicher hatte sich der Verdacht, dass der Kompagnon mit einer Firma zusammenarbeitete, die ihm seit Monaten Angebote machte, verdichtet. Aufträge wurden storniert oder gingen an Konkurrenzunternehmen – es hatte sonderbare Störfälle in der Produktion gegeben. Und Miklisch, so hieß sein Partner, benahm sich seit ebenso langer Zeit genauso sonderbar. Er drängte immer mehr auf Verkauf. Das Unternehmen galt ihm nichts, er wollte das schnelle und große Geld, das war Schneider klar mittlerweile. Und wenn die Pechsträhne anhielt, würde man das tatsächlich ins Auge fassen müssen.
Nun war Schneller keiner, der allzu rasch aufgab – außerdem hing er an seinem Betrieb. Ihm fehlte nur eines ... ein Beweis. "Wer bei diesem Treffen Mäuschen sein könnte ...", hatte er sich gedacht. Und das war der Grund für sein Hier sein. Er wollte wissen, ob sein Verdacht richtig war: "Verstehen Sie", sagte er zu den beiden Alten, "sie treffen sich in einem Stehcafé, wo viele Leute sind. Niemand kann ihnen da sehr nahe kommen, bei dem Betrieb. Wie könnte man da ... außer vielleicht mit modernster Technik oder so etwas. Schließlich kann man sich ja nicht unsichtbar machen." Morsky und Schneider wechselten einen amüsierten Blick.
© "Detektei Schneider & Morsky: Herr Schneller": Erzählung von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Illustration Detektiv, CC0 (Public Domain Lizenz).
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