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(April 2011) Rentiere, Schnee und Schwitzhütten, Romantik pur und Natur satt – das ist Finnland. Jedenfalls stellen wir uns das skandinavische Land so vor. Irgendwie könnte es das Heimatland des Weihnachtsmannes sein.
Nun ist Finnland ein europäisches Land, und es hat mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen wie viele andere Mitgliedsländer der Europäischen Union. Und gerade diese Probleme begünstigen, wie überall in Europa, das Aufkommen der Nationalisten wie nie zuvor seit vielen Jahren. Mit dem Kandidaten der "Wahren Finnen", Timo Soini, hat das Land im Norden einen dramatischen Ruck nach rechts gemacht. Soini passt ins Bild, er ist geradezu ein Antipolitiker, könnte man meinen. Schlanke Eleganz kann er nicht ins Feld führen, aber dafür die typischen Versprechungen, die seinesgleichen grundsätzlich macht.
Mit "Finnland den Finnen" will Soini die gute alte Zeit zurückholen, als Finnland noch so war wie er es kannte und überschauen konnte. Also ein Land ohne Zuwanderer, ohne den Euro, ohne die europäische Gemeinschaft und natürlich ohne Schwulen- und Lesbenehen. Als bekennender Katholik ist er gegen Abtreibungen und hebt sich auf jeden Fall von der protestantischen Mehrheit in der politischen Landschaft ab, was ihm aber bei den Wählern durchaus nicht zum Nachteil gereicht hat. Seine Wähler sind die typischen Verzweifelten, solche die keine Arbeit haben, die schlecht oder gar nicht ausgebildet sind – also diejenigen, die es immer am härtesten trifft, wenn sich ein Land nicht gerade in einer glanzvollen Phase des Aufschwungs befindet.
Ob nun im Land der Rentiere oder in Frankreich, Deutschland oder sonst wo in Europa – die Zornigen suchen nach Schuldigen. Und wer bereit ist, ihnen diese zu bieten, kann sich der Gefolgschaft sicher sein. Wer gegen die intellektuellen Politiker mit ihren schwammigen Versprechungen ist, muss für die Benachteiligten sein und gilt als Gleichgesinnter – als einer, der die Sorgen der Leute versteht. Die Angst vor dem Fremden ist immer präsent, sie schlummert vielleicht, aber sie ist allzu leicht zu wecken. In den Köpfen der Menschen muss nur noch die fixe Idee installiert werden, dass alles wieder besser wird, sobald das Land abgeriegelt ist wie die gute Wohnstube vor der Bescherung (die kommt dann hinterher, wenn jeder erkennt, dass "aussperren" immer auch "einsperren" heißt).
Finnische Finnen, deutsche Deutsche, französische Franzosen ... es klappt fast immer mit dieser Art von Manipulation. Beängstigend ist, dass die Rechte immer mit denselben Ungereimtheiten und denselben kruden Ideen punktet – gleichgültig, in welchem Land. Und wie viele andere führende europäische Rechte polemisiert Soini nicht selbst, er lässt hetzen. Anders kann man seine schweigende Zustimmung nicht werten, wenn seine Parteigenossen kein Blatt vor den Mund nehmen in Sachen "Zuwanderer".
Die etablierten Parteien und Politiker halten erschreckt den Atem an, wenn die Rechten so gewaltig aufholen wie gerade in Finnland. Obwohl sie wissen, wieso es dazu kam, ändern sie nichts – doch läge dies durchaus in ihrer Macht. Die Menschen, die am meisten benachteiligt sind – diejenigen, die durch die meisten Raster fallen – werden solange nicht berücksichtigt, bis jemand wie Soini kommt und das vorhandene Potenzial nutzt, indem er sich ihrer Angst und ihrer Unzufriedenheit bedient.
Das einzige, was beruhigend wirken kann, ist die Tatsache, dass sich die Rechten meist recht schnell selber deklassieren, und ihre Anhänger rasch merken, dass ihre "Retter" in Sachen Korruption, Ignoranz und Unfähigkeit nicht nur mit den anderen Parteien mithalten können, sondern diese zuweilen auch um Längen schlagen, wie so manches Beispiel gezeigt hat. Zu hoffen bleibt, dass bis dahin nicht allzu viel Schaden angerichtet wird – ob in Finnland oder anderswo.
© "Politik im hohen Norden: Finnisch für Fortgeschrittene": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Zwei Elche, CC0 (Public Domain Lizenz).
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