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Geisterbeschwörung ist etwas, das man im Allgemeinen aus Filmen oder Büchern kennt. Mehrere Menschen sitzen in einem dunklen Raum um einen Tisch herum und halten sich an den Händen. Die interessanteste Person der Runde ist mit Sicherheit das Medium selber – oft eine Frau, die mit geschlossenen Augen und bleichem Gesicht geradezu aus der Gruppe heraussticht. Irgendwann nun wird mit höflichen Worten gefragt, ob ein Geist anwesend ist, was regiegemäß auch direkt beantwortet wird, indem der Tisch bebt.
Im weiteren Verlauf fängt das Medium an zu stöhnen, dann zu hyperventilieren und dann – mit einigermaßen anderer Stimme als seiner gewöhnlichen – zu sprechen. Manchmal erscheint auch ein weißes Gewaber um die Gruppe, mit Sicherheit aber klirrt eine Fensterscheibe und die einzige Kerze erlischt, was erschrecktes Schreien und das "in-Ohnmacht-fallen" des Mediums zur Folge hat. Solche und ähnlichen Séancen erfreuten sich in der Vergangenheit immer wieder größter Beliebtheit. Zu gewissen Zeiten war diese Art der Freizeitgestaltung ein absolutes Muss, wollte man mitreden können.
Ganz ist dieser Trend nie erloschen und in der heutigen Zeit sind Praktiken wie das besonders bei Jugendlichen beliebte "Gläserrücken" Gegenstand vieler Zusammenkünfte. Bei dieser Art der Beschwörung arrangiert man eine Art "Ouija-Brett" aus den Trinkgläsern des hauseigenen Bestandes. Ein umgedrehtes Glas ersetzt die "Planchette", welche normalerweise auf die Buchstaben und Zahlen des Brettes zeigt während einer Sitzung. Genau wie hier werden die Finger lose auf das Glas gelegt, das dann zu den auf Zetteln gemalten Ziffern und Buchstaben wandert. Eigentlich eher ein spannendes Spiel mit dem Unterbewusstsein – jedoch ist das Gläserrücken nicht ungefährlich. Wie auch immer die Antworten auf die Fragen an einen zufällig anwesenden Geist ausfallen, sie werden oft ernst genommen und beeinflussen die Psyche nachhaltig.
Aber zurück zu den "ernsthaften" Séancen. Viele dieser Veranstaltungen waren und sind durchaus kommerziell – man zahlte, um mit einem Verstorbenen sprechen zu können. Es gab und gibt erstaunlich viele Menschen, die glauben, dafür gute Gründe zu haben. Einer möchte noch unbedingt etwas wissen, einem anderen liegt an Vergebung, um die er nicht zu Lebzeiten der betreffenden Person bat. Die Sehnsucht und die Trauer von Hinterbliebenen ist ein starker Faktor, der sie dazu bringt, für eine Verbindung in das Jenseits zu investieren. Und tatsächlich scheiden sich hier die Geister, denn um sich auf eine Beschwörung derselben einzulassen, muss man daran glauben, dass ein Kontakt mit Verstorbenen möglich ist. Nun beinhaltet das Wort "Jenseits" schon, dass der Aufenthalt eben "dort" und nicht "hier" ist. Allein der Gedanke, dass die Seelen in irgendeinem Zwischenreich darauf warten, dass jemand sie ans Telefon ruft, ist einigermaßen beängstigend. Für die Verstorbenen in dem Fall wohl mehr als für die Teilnehmer an der Sitzung.
Die Geisteskräfte, über die ein Medium verfügen muss, um eine Leitung sonst wohin zu stellen, müssen schon sehr beachtlich sein – und hier nimmt sich der Autor die Freiheit, das zu bezweifeln. Mit Toten sprechen zu wollen wirkt ein wenig wie der Versuch, neben einem abfahrenden Bus herzurennen, um noch ein wenig mit den Insassen zu plauschen und damit auch dann nicht aufzuhören, wenn er schon lange außer Sicht ist. Die Frage dabei ist, warum um alles in der Welt sollte ein Mensch das wollen. Unausgesprochenes in einer Beziehung kann nach dem Tod eines Beteiligten nun einmal nicht mehr geklärt werden, das ist ein Naturgesetz. Dafür wäre Zeit, wenn alle noch am Leben sind – dann ist es noch nicht zu spät. Jedenfalls sollte man das annehmen. Wenn es sinnvoll wäre, über die Barriere Tod hinweg miteinander zu kommunizieren, dann könnten wir es vermutlich mehr oder weniger – je nach Sensibilität und Geduld.
Nüchtern betrachtet hat die Praxis ein "Fräulein vom Amt" in Gestalt eines Mediums zu bezahlen, etwas leicht Besessenes. Die neue Art des Spiritismus hat weniger etwas mit den Dahingegangenen als mit Geistern zu tun. Im Internet finden sich genaue Anweisungen für Beschwörungen, für die es eine Art Etikette zu geben scheint. So mahnt ein Seitenbetreiber, man solle auf keinen Fall ein religiöses Zeichen an sich tragen und zur Sicherheit allen Schmuck ablegen. Es scheint, als reagierten Geister leicht beleidigt auf Identifikationszeichen. Da es aber nun ebenso freundliche wie böse Geistwesen gibt, ist es von Vorteil, das herauszufinden, bevor man sich auf ein Schwätzchen einlässt. Zu dem Behufe unterzieht man die unsichtbaren Gäste einer kleinen Wesensprüfung, bei der man sie die Namen der Erzengel buchstabieren lässt. Weigern sie sich, fallen sie glattweg durch.
Die gängigen Regeln bei angewandten Beschwörungen haben sonderbarerweise immer ein oder mehrere christliche Elemente im Ritual, was umso mehr verwundert, als das eben im Christentum alles, was mit Geistern zu tun hat, als strengstens verboten gilt. Es ist ein glücklicher Umstand, dass diese krude Mischung aus Halb- und Nichtwissen im besten Fall nichts weiter zeitigt als einige Albträume und vielleicht zeitweise Angst im Dunkeln. Im negativen Fall kommt es zu psychischen Störungen, die eine Behandlung notwendig machen. Man könnte sagen, die bösen Geister, die man rief, kommen aus dem eigenen Innern und es könnte schwer sein, sie wieder los zu werden.
Es gilt auch als gefährlich, nach dem eigenen Todesdatum zu fragen – wahrscheinlich gilt das in der Geisterwelt als zu intim. Wer solche "Anweisungen" liest, kommt um die Feststellung nicht herum, dass auch in diesem Jahrtausend der finsterste Aberglaube herrscht – und durchaus nicht nur in unzugänglichen Winkeln der Dschungel oder auf den Inseln der Südsee. Diese recht große Ecke im Internet beschert ein äußerst zwiespältiges Gefühl – man wird durch moderne Technik in die Zeiten der Menschheit versetzt, in denen Wissen durch angstbedingte Spekulationen ersetzt war. Fazit: Man sollte seine Geisteshaltung vor Befolgung solcher Anleitungen immer intensiv prüfen.
© Textbeitrag "Wes Geistes Kind man ist": Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Schwarzer Engel, CC0 (Public Domain Lizenz).
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