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(Februar 2011) Passiver Widerstand ist nicht nutzlos, das hat dieser Tage das Beispiel Dresden gezeigt. Wieder einmal hatte sich das Ereignis vom 13. Februar 1945 gejährt – dem wohl schrecklichsten Tag in der Geschichte dieser geschichtslastigen Stadt. Die Bombenanflüge der alliierten Streitkräfte machten Dresden fast dem Erdboden gleich – mit einer unglaublich tödlichen Präzision warfen die Flieger ihre zerstörerische Fracht über dem Häusermeer der Stadt ab.
So viel zu den historischen Ereignissen, die jeder kennt. Jährlich gedenkt man in Dresden der Opfer dieses aberwitzigen Krieges und ist sich darüber einig, dass so etwas nie wieder passieren darf. Der Heidefriedhof, auf dem die Bombenopfer ihre letzte Ruhe fanden, ist ein zentraler Ort des Gedenkens. Die Prozession, an der auch Repräsentanten der damals beteiligten Streitkräfte teilnahmen, führte an vielen Mahnmalen vorbei, die an zahlreiche betroffene Städte des Zweiten Weltkriegs erinnern, ebenso wie an die Konzentrationslager. Es war tatsächlich ein Tag der Versöhnung.
Nun fanden sich allerdings auch Vertreter der ewig Gestrigen ein – solche, die es nicht über sich bringen, das Bombardement des 13. Februar 1945 als etwas zu sehen, das vermeidbar gewesen wäre. Solche, die von Völkermord reden, heute noch. Und die nur ein Volk kennen. Und wie jedes Jahr verstellten ihnen solche Menschen, die in der Lage sind, weiterzudenken und für die Zukunft Verantwortung zu übernehmen, den Weg.
Eine Menschenkette bildete sich und schützte die Mahnmale ebenso wie die neue Synagoge vor Missbrauch und Entweihung. Der Aufmarsch derjenigen, die es lieber gesehen hätten, dass dieser Gedenktag einer des Hasses wäre, war so nicht besonders effizient und zeigte nicht die Wirkung, die er eigentlich sollte. Er ging unter, scheiterte am völligen Gegenteil.
Menschenketten sind ein Mittel des friedlichen Widerstandes, sie zeigen Zusammengehörigkeit und Einigkeit ... sie sind ein Symbol für das Miteinander. Menschen verschiedenster sozialer Schichten, Berufe und auch politischer Überzeugung fassen sich an den Händen, um ein gemeinsames Anliegen zu zeigen, eine Mauer zu bilden und Stellung zu beziehen.
Manche dieser menschlichen Barrieren gegen Ungerechtigkeit haben Berühmtheit erlangt. Der Baltische Weg, eine Kette, die am 23. August 1989 gebildet wurde – am Jahrestag des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspaktes für die Unabhängigkeit Lettlands, Estlands und Litauens – wurde von 2 Millionen Menschen gebildet. Sie reichte von Tallinn bis Vilnius. Am 22. Oktober 1983 fassten sich über 400.000 Menschen an den Händen und bildeten eine Kette von Stuttgart nach Neu-Ulm, um gegen den Nachrüstungsbeschluss der NATO zu protestieren. Im gleichen Jahr formierten sich an die 80.000 Teilnehmer in Berkshire, Großbritannien, gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland. Es gibt noch viele Beispiele – in allen Ländern der Welt – die zeigen, dass Menschen durchaus in der Lage sind, für ein gemeinsames Ziel gemeinsam etwas zu tun.
Eigentlich wird nichts getan im Sinne von Aktion, aber das ist auch nicht nötig – es fällt den jeweiligen Aufsichtsbehörden nicht sehr schwer gegen Demonstrationen vorzugehen, immer wird sich jemand finden, der ausschert und irgendetwas tut, das die Gewalt rechtfertigt in den Augen der Regierungen. Wo Menschen ein Anliegen haben, wo sie wütend genug sind auf die Straße zu gehen, da kochen die Emotionen hoch, und die Gefahr der Eskalation wird immer größer. Und tatsächlich kann sich eine große Menschenmenge von einer Sekunde zur anderen in einen Mob verwandeln. Das bezieht sich nicht nur auf die Demonstrierenden, sondern auch auf die Ordnungskräfte, denn auch in den Polizeiformationen fallen die Hemmschwellen, sobald einer anfängt zuzuschlagen. Diese Art Kettenreaktion ist ebenso unberechenbar wie unvermeidbar, wenn gewisse Faktoren zusammenkommen.
Eine Menschenkette ist völlig anders, niemand hebt die Fäuste und brüllt Parolen ... weder für noch gegen den Krieg. Allein das Händehalten scheint so etwas wie eine Verstärkung der Kraft zu sein, ein Gleichrichter, der Ausfälle vermeidet. Und das macht sie so stark, in ihrer Art so undurchbrechbar. Wer mit Grausen sieht, wie Menschen in großen Rudeln schießend und prügelnd durch verwüstete Straßen ziehen, wie mit erhobenen Fäusten im Gleichschritt versucht wird Angst und Schrecken zu verbreiten, wer diese Bilder fürchtet, der wird versöhnt beim Anblick einer Menschenkette.
Dass Menschen tatsächlich dazu fähig sind, dass sie sich real ebenso wie symbolisch an den Händen halten oder nebeneinander stehen, das ist so etwas wie ein Licht am Ende des Tunnels. Es zeigt einfach, dass die schon sprichwörtliche Verrohung der Menschen, die von vielen befürchtet wird, nicht unbedingt real ist oder sein wird. Es gibt noch ein Gegengewicht, und das wird immer schwerer.
Vielleicht neigt sich die große Waage der Menschheit doch noch auf der Seite der Zivilisation, des Fortschritts und des Lernens. Man könnte es auf den Punkt bringen, indem man sagt, eine Menschenkette ist Agieren im Gleichklang und verhindert das Marschieren im Gleichschritt.
© "Ketten können Fesseln sprengen": Beitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011.
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