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Marilyn Monroe soll einmal auf die Frage, was sie im Bett trage, gesagt haben: "Einen Tropfen Chanel No 5." Das kostbare Duftwässerchen gehörte damals zur allerersten Garnitur, was das "unsichtbare Kleid unter dem Kleid" betrifft, und noch heute hat es Kultstatus.
Der Wunsch nach schönen Düften, um sich damit zu umgeben, dürfte so alt wie die ersten Zivilisationen sein. Wir wissen, dass in Hochkulturen wie im alten Ägypten duftende Salben und Essenzen zur Grundausstattung der gepflegten Dame ebenso wie der des gepflegten Herrn gehörten. Man schwelgte geradezu in Wohlgerüchen, was so weit ging, dass man sich bei Festen einen Kegel aus stark duftendem Talg auf den Scheitel setzte. Bei zunehmender Wärme schmolz dieses Gebilde und verbreitete seine Duftbotschaft. Die Kunst, aus Kräutern sowie pflanzlichen oder tierischen Fetten stark riechende Salben und Öle zu machen, ist sehr alt. Die Methoden wurden immer raffinierter, die Duftpalette immer reichhaltiger.
Die Schönen und Wohlhabenden des Orients machten eine ganze Wissenschaft daraus, wie welcher Duft auf das Gemüt wirkt. Die erotisierende Wirkung stand wahrscheinlich immer im Vordergrund, gefolgt von der Abgrenzung von den "Gerüchen der Straße". Die sorgsam hergestellten Mittel waren nicht billig, nur die Wohlhabenden konnten sich das "gut riechen" leisten. In Europa hatte man nicht so viel Geschick im Umgang mit den Sinnenschmeichlern – es gab keine große Auswahl unter den Duftwassern. Die Landbevölkerung rieb sich mit stark duftenden Kräutern wie Farnen oder ähnlichem ein. Wenn etwas Besonderes anstand und wer es sich leisten konnte, griff zu Lavendelwasser oder sonst etwas eher gewöhnlichem.
Die Kreuzfahrer führten die gesamten "Wohlgerüche Arabiens" mit sich, nebst anderen Kulturschüben, als sie aus dem Heiligen Land zurückkamen. Es dauerte nicht lange – und der gesamte europäische Kontinent parfümierte sich. Sollte ein Mensch der Moderne per Zeitreise in gewisse Ären des Mittelalters gelangen, wäre neben dem umgekehrten Kulturschock eine gnadenlose Nebenhöhleneruption die Folge. In Zeiten, in denen mit Wasser höchst sparsam umgegangen wurde, war die Geruchspalette in den Straßen einer Stadt von betroffen machender Vielfalt. Die Kanalisation fehlte, und in keinem Haus fand man die heute übliche "Nasszelle". Diese war mit den letzten Ausläufern der griechischen und römischen Kultur untergegangen.
Die zum Teil sehr frequentierten Badehäuser dienten eher dem fröhlichen Zusammensein als der Reinigung, und in Zeiten der Pestangst waren sie geschlossen. Bei diesen Verhältnissen ist es nicht verwunderlich, dass Duft so etwas wie Nasenurlaub war – und sehr gefragt. In den nächsten Jahrhunderten wurde es durchaus nicht besser, denn auch Paläste wie Versailles sahen zwar sehr schön aus, aber sie stanken zum Himmel. Man wusch sich nie, schminkte sich aber Schicht auf Schicht und erfand kleine Helferlein, die das Leben weniger ruchbar machen sollten: parfümierte Beutelchen, die an und unter der Kleidung getragen wurden, sowie Salben und Puder in immer neuen Variationen.
Da standesgemäße Kleidung sehr teuer war, trug so mancher Höfling aus verarmtem Hause monatelang den gleichen Anzug – die Wirkung auf den Geruchssinn kann nur erahnt werden. Unterwäsche war so gut wie nicht bekannt, sie wurde durch das "Hemd" ersetzt. Dieses Teil aus teurem und kostbar besticktem Material war bei den Damen ein langes, bei den Herren ein kürzeres Kleidungsstück. Die Männer wickelten sich das Teil um die Oberschenkel, die Frauen trugen es unter ihren Roben. Gewechselt wurde ein Hemd praktisch nie – wurde solch ein Teil einmal gewaschen, musste die Eigentümerin solange im Morgenmantel verbleiben, bis es wieder einsatzfähig war.
Wie wichtig Parfüms bei diesen Gegebenheiten waren, ist überhaupt nicht abzuschätzen. Allerdings muss die Mischung von Rosenwasser oder Veilchenduft mit dem sehr eindringlichen Eigengeruch recht gewöhnungsbedürftig gewesen sein.
Heute haben Duftstoffe nichts von ihrer Wichtigkeit verloren, obwohl sie in fast allen Fällen auf die gewaschene Haut aufgebracht werden. Wir müssten nicht parfümieren ... aber wir lieben es nun einmal. Und nicht nur hinter den Ohren oder an den Handgelenken, auch die Wohnung hat ihr eigenes Parfüm. Verschiedene Duftnoten haben jeweils variierende Wirkungen auf das Gemüt, und fast jeder hat eine Duftlampe in Betrieb oder Räucherstäbchen herumliegen. Das macht tatsächlich Sinn, denn wir machen vieles an Gerüchen fest, auch wenn das meist unterbewusst geschieht. Die rechte Weihnachtsstimmung zum Beispiel stellt sich verstärkt ein, wenn einige Tropfen passendes Öl seine Botschaft entfaltet. Die Industrie hat dafür Aromen wie Spekulatius, Zimt oder andere festliche Düfte hergestellt. Teure Rohstoffe sind da völlig unnötig, denn die Chemie hat ausreichenden Ersatz.
Parfüms sind auch nicht mehr unerschwinglich, bis auf besondere Marken natürlich. Aber es kommt heute zum Teil auch wieder auf die Dosierung an ... der erotische Tropfen Chanel ist ein ausgezeichneter Botschafter – aber selbst er verliert seine Wirkung, wenn er im Dutzend sein (Duft)Fähnchen schwenkt. Wer beim Bummeln eine meterlange Parfümschleppe hinter sich herzieht, hat auf jeden Fall zu viel des Guten getan.
© "Parfüm – das Kleid unter dem Kleid": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Parfüm Flakons, CC0 (Public Domain Lizenz).
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