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PC-Spiele, die etwas mit Anbau von Nahrungsmitteln und Nutztierhaltung zu tun haben, boomen gewaltig. Viele Communitys lassen die Spielebetreiber zu, und so kann es vorkommen, dass in den Gästebüchern nicht nur zum Geburtstag gratuliert wird, sondern jemand händeringend nach irgendeinem Viehzeug sucht, das ihm noch fehlt.
Die Regale in den Spieleabteilungen der Kaufhäuser sind voll davon und auch beim größten Internet-Ramschladen der Welt werden sie in Massen angeboten – von gut gebraucht bis original verpackt. Die Games sind meist mit putziger Grafik ausgestattet, oft im Comic-Stil und erlauben eine einfache Marktwirtschaft. Sprich: produziere, verkaufe und investiere in neue Rohstoffe, um den Verdienst zu steigern. Daneben gibt es dann noch zahlreiche Sahnetupfer wie z. B. bunte Dekorationen und hübsche Häuschen mit Zäunchen. Es sieht aus wie in einer Laubenkolonie der besseren Art mit viel, viel Platz.
Was man real nicht kann und vor allem nicht darf, ist hier erlaubt – zwischen Tomatenstauden und Apfelbäumen hüpfen artgerecht gehaltene Ziegen und Hühner umher. Niemand stört sich an frühmorgendlichem Hahnengeschrei, was im wirklichen Leben so nicht vorkommt, wie viele Gerichtsurteile belegen können. Obwohl es bei dieser Art virtuellem Zeitvertreib so gut wie nie zu Gewalttätigkeiten kommt, sind diese Bauernhof-Simulationen ungemein beliebt, und zwar durchweg bei allen Altersgruppen.
Hier und da gibt es bei unserem Bauernhof randalierende Bären oder salatmordende Kaninchen, aber trotzdem liegt der Pazifismus-Faktor bei satten hundert Prozent. Viele Spiele haben zwei Modi, einen geruhsamen und einen mit knallhartem Zeitlimit – für Unterhaltung ist auf jeden Fall gesorgt.
Es wäre interessant herauszufinden, ob es echte Viehzüchter und Ackerbauern gibt, die nach dem sehr harten Tagewerk so ein Spiel spielen ... es ist erlaubt, daran zu zweifeln, denn für sie ist der tägliche Kampf um die Wirtschaftlichkeit real – sie werden über die Disney-Version des Bauernlebens wohl nur ein müdes Grinsen übrig haben. Aber wer morgens die Augen öffnet und durch das Fenster anstatt blühender Apfelbäume die triste Häuserzeile gegenüber sieht und den Kindern nicht einmal einen kleinen Hund schenken kann, weil das Ärger gäbe mit dem Vermieter, für den ist die Welt der schnell wachsenden Karotten das Paradies.
Die meisten Menschen tun stundenlang irgendeine Arbeit, die jeder andere auch tun könnte. Ob es sich nun um eine Putzkolonne oder einen Job an einer Supermarktkasse handelt, eine Stellung in irgendeinem Amt oder sonst etwas – sie tun es für das Überleben. Wer täglich Treppenaufgänge putzt, hat keinen Bezug dazu, obwohl es natürlich wichtig ist, dass es getan wird. Doch kurze Zeit nach dieser Aktion ist die Fläche wahrscheinlich schon wieder für eine Reinigung reif – es ist eine Art Hamsterrad.
Im Gegenzug kann jeder Hobbygärtner bestätigen, dass es ein unglaublich gutes Gefühl ist, mit einem Korb selbstgezogener Tomaten aus dem Garten zu gehen. Es ist einfach ein direkter Zusammenhang. Wer in irgendeiner Firma arbeitet, bekommt am Monatsende so etwas wie Chips, die er gegen das, was er braucht und/oder möchte, einlösen kann. Wer seinen eigenen Schnittlauch zieht, und sei es nur auf der Fensterbank, kommt ohne Zwischenmedium aus. Man hat ihn ausgesät, gepflegt und dann kann man ihn ernten und verwerten. Diese einfache Sache ist schon lange keine Selbstverständlichkeit in unseren Städten. Kaum noch jemand hat so etwas wie einen Schrebergarten, denn dafür fehlt oft die Zeit – und außerdem gibt es da sehr strenge Reglements, was Anbau und Aussehen betrifft.
Wir verlieren in immer größerem Maße den Bezug zu dem, was wir tun, wir halten die Regelung mit den Chips für das Natürliche – aber wer kennt nicht die Freude am Selbstgemachten, Unmittelbaren. Nach Feierabend noch schnell zum Discounter zu rennen, um für den nächsten Morgen einen abgepackten Kuchen zu kaufen, ist die eine Sache – einen selbstgebackenen auf den Tisch stellen zu können eine andere. Aber das ist neben anderen Faktoren eine Zeitfrage.
Wenn wir uns allerdings zu sehr von Ursache und Wirkung entfernen, wird vor allem unsere Unzufriedenheit wachsen. Farmerspiele sind ein netter Ausgleich, aber es wäre vielleicht auch eine gute Sache, wenn wir uns auch im wirklichen Leben nicht allzu sehr von allem, was wächst und lebendig ist, entfernen. Helfen wir nicht dabei, uns immer mehr einsperren zu lassen, um uneingeschränkt funktionsfähig zu sein. Wir haben ein Recht auf Nähe zu unseren Wurzeln.
© "Das blaue Band für den größten Kürbis": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: PC-Spiel mit Joypad, CC0 (Public Domain Lizenz).
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