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Fantasy-Geschichten stehen hoch im Kurs – sie laufen wohl kaum Gefahr, wieder aus der Mode zu kommen. Würde jemand den Versuch unternehmen, sämtliche Welten, die von Autoren erfunden wurden, zu kartographieren, es würde wohl ein Lebenswerk daraus werden. Schon die Heldensagen der Antike waren eigentlich ein Vorläufer dieser Geschichten, denn deren Taten und Abenteuer waren eher im Reich der Phantasie angesiedelt als in der Realität, was ihrer Beliebtheit keinen Abbruch tat. Eher im Gegenteil, denn jede Zeit braucht ihren Helden, ob er nun Herkules heißt oder Batman.
Ein Held, der sich ebenso am Hofe König Artus bewegte wie in der Wildnis der skandinavischen Wälder und Moore, bereicherte ab dem Jahre 1937 die Phantasiewelten der Jungen und Mädchen in der ganzen Welt. Die Rede ist von Prinz Eisenherz oder Prince Valiant, wie er im englischen Original heißt. Sein Schöpfer, der amerikanische Zeichner Hal Foster (1892-1982), schuf mit ihm eine Figur, die in der Zeit der Tafelrunde König Artus von Britannien lebte. Was Fosters Arbeit zur damaligen Zeit besonders machte, war die äußerst realistische Art seiner Darstellungen. Menschen, Tiere und Natur waren "nach dem Leben" gezeichnet und wirkten niemals überzogen oder karikaturistisch aufgefasst.
Die anfänglich in Schwarz-Weiß gehaltenen Szenen von Hal Fosters Geschichten hatten eine unwiderstehlich schöne Ausstrahlung, ohne jedoch allzu klischeehaft zu wirken. Sprechblasen gab es nicht, dafür aber vergleichsweise viel Text unter den Bildern. Damals störte das noch niemanden, denn die Geschichten waren ebenso wenig oberflächlich wie die Bilder. Zwar hielt sich der Zeichner sehr an die romantisierte Betrachtungsweise der Verhältnisse der Zeit, die er darstellte (also etwa das fünfte Jahrhundert nach Christus), doch beschrieb er durchaus keine Spielwelt. Seine überaus sorgfältig gezeichneten Waffen oder sonstige Ausrüstungen sind nicht wirklich "zeitgenössisch", sondern eher einem späteren Jahrhundert zuzurechnen, was Foster durchaus klar war, denn die tatsächlichen Gegebenheiten hätten der Vorstellung der Leser nicht unbedingt entsprochen und wahrscheinlich eher langweilig ausgesehen.
Was fast modern anmutet, ist die Tatsache, dass Hal Foster nicht nur die kriegerischen Aspekte der Geschichten hervorhob. Ebenso wie er die Kämpfe und Schwierigkeiten des ritterlichen Lebens und des Helden beschreibt, erzählt er von alltäglichen Dingen wie Streitereien unter Eheleuten oder den Schwierigkeiten, was das Thema Kindererziehung betrifft. Der Held, Prinz Eisenherz, der zunächst als landloser Königssohn an den Hof des Großkönigs kommt, da sein Vater durch eine Verschwörung den Thron des nordischen Königreiches verlor, ist eine sehr facettenreiche Figur. Sein Edelmut wird ebenso hervorgehoben wie seine Ecken und Kanten. Eisenherz trifft auf seinen Fahrten eine wunderschöne und sehr kluge Frau, die er heiratet – und der Leser erlebt die häuslichen Episoden ebenso mit wie die Heldenreisen des Prinzen.
Die Comics von Foster faszinierten auch die Mädchen, die in der Königin ein Vorbild sehen konnten – die intelligente und warmherzige Königin Aleta trug die schönsten Gewänder und Frisuren, auf deren Details Hal Foster großen Wert legte. Außerdem war die Gemahlin des Prinzen wohl das, was man heute eine emanzipierte Frau nennen würde – sie gebot über ein eigenes Königreich, die Nebelinseln – und verstand sogar zu kämpfen. Allerdings setzte sie seltener den Dolch als ihre Klugheit und ihr Gefühl für Menschen ein. Doch einige Male begegnete der Leser auch Frauen, die so gar nicht zum Zeitgeist außerhalb der Hefte passten, da sie Rüstung und Schwert trugen. Dafür konnte es vorkommen, dass die Hauptfigur ohne Rücksicht auf Heldentum und Stärke schlicht und ergreifend in Ohnmacht fiel.
Man erlebte mit, wie die Kinder des Paares aufwuchsen, schmunzelte über die vielen kleinen Begleitgeschichten, die in die Abenteuer des jeweiligen Bandes eingefügt waren und lernte nebenbei so manches. Denn obwohl Foster sich der künstlerischen Freiheit in der Darstellung der Mode und Ausrüstung bediente, vermittelte er doch auch echte Bildung, was einige historische Abläufe betraf. Die Hauptfiguren waren sehr gut herausgearbeitet und besaßen Tiefe, man traf gewisse Personen immer wieder einmal und freute sich darüber – so wie den Wikinger Boltar oder den Schiffsbauer Gundar Harl. Hal Foster verzichtete – psychologisch gesehen – durchaus auf Schwarz-Weiß-Malerei, er bemühte sich um Authentizität, was das Menschliche betrifft. Die Geschichten hatten alles, was ein gutes Fantasy-Abenteuer braucht: Spannung, Humor, Dramatik und Überraschungen. In einigen Episoden brach Hal Foster eine Lanze für das Andersartige, das nach genauerem Hinsehen nicht schlecht oder böse war, sondern einfach eben anders.
Die Ethik, der sich der Zeichner und Autor wohl verpflichtet fühlte, ist immer präsent in den Geschichten, wenn auch ohne erhobenen Zeigefinger. Prinz Eisenherz ist, obwohl ein Ritter mit höchsten Tugenden, durchaus nicht unangreifbar. Er muss kämpfen, um dem Ideal des Rittertums zu entsprechen, er entwickelt sich gewissermaßen in Echtzeit. Treu bleibt er sich in letzter Konsequenz immer, aber er ist nicht einfach der Sieger im Kettenhemd – er ist auch Familienvater und Freund, Sohn und Diplomat. Nicht anders als ein Filmepos der Neuzeit entführten die Bände Hal Fosters in eine Welt, die so lange real war, wie man las – mit allem was dazugehört. Und das in wunderschönen, anrührenden Bildern.
© "Zur Erinnerung an Hal Foster": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Die Abbildung zeigt ein Wikingerschiff (Lizenz: gemeinfrei).
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