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Im siebzehnten Bundesland, also im Land der Hartz-IV-Bezieher, ist immer für Unterhaltung gesorgt. Das muss so sein, denn auf dumme Gedanken kommen soll ja nun keiner.
Die meisten kennen ja dieses Spiel aus der Kinder- und Jugendgruppenzeit: Die Reise nach Jerusalem. Es geht darum, dass einige Stühle aufgestellt werden und dass es exakt einen Mitspieler mehr gibt als Sitzgelegenheiten. Dann erklingt Musik und alle gehen im Kreis um die Stühle herum. Sobald nun die Musik abbricht, setzt sich jeder, so schnell er kann, auf so ein Teil. Einer bleibt allerdings immer übrig dabei, denn einer bekommt mit Sicherheit keinen Stuhl und scheidet aus. Für die nächste Runde wird dann ein Stuhl weggenommen und alles geht von vorne los.
Nun gibt es eine Variante für Erwachsene bzw. für Familien. Das ist ein wenig komplizierter, wenn der Effekt auch am Schluss der Gleiche ist. Die Mitspieler einer Runde sind die Familienmitglieder einer "Bedarfsgemeinschaft", also Leute, die den Hartz-IV-Regelsatz beziehen. Nun nehmen wir den Normalfall an, dass nämlich diese Familie so schnell wie möglich aus dem Bezug herausfallen möchte und dafür auch etwas tut: Bewerbungen schreiben zum Beispiel und gutwillig alle Maßnahmen mitmachen (ablehnen ist sowieso nicht drin), die eine Wiedereingliederung zum Endziel haben, ganz gleich, wie die realen Aussichten auch sein mögen.
Nehmen wir weiter an, es gibt da neben schulpflichtigen Kindern auch eines, das justament die Schule abgeschlossen hat und eine Ausbildung machen möchte. Weiter stellen wir uns vor, der betreffende Schulabgänger hat jede Menge Bewerbungen geschrieben, wenn auch erfolglos. Und weil der hoffnungsvolle Sprössling sich ehrlich bemüht hat und damit auch aufgefallen ist, bekommt er eine Chance. Die besteht darin, dass ein öffentlicher Träger die Kosten für seine Ausbildung übernimmt und ihn dafür in ein Programm eingliedert.
Der Berufsneueinsteiger hat nun einen unschätzbaren Bonus, den er potenziellen Ausbildungsbetrieben vor die Nase halten kann: er ist völlig kostenlos, denn Lehrlingsvergütung sowie Sozialabgaben übernimmt der Träger der Maßnahme, somit braucht ein Betrieb nicht ans Knausern zu denken. In der heutigen Zeit ist so etwas ein unwiderstehliches Angebot, denn die Chance auf eine Lehrstelle erhöht sich schlagartig.
Nun können wir den Gedanken weiterspinnen wie folgt: Eine Firma greift tatsächlich zu, um dieses Angebot umgehend zu nutzen und ist bereit, einen Ausbildungsvertrag mit dem Schulabgänger und dem Träger der Maßnahme zu schließen. Das wäre ja ein richtiges Happy End, mit allem, was so dazugehört. Wäre es jedenfalls dann, wenn es sich nicht um das Hartzer Land handeln würde. Wie wir uns erinnern, möchte die betreffende Familie ja gerne auf eigenen Füßen stehen und tut dafür, was sie kann. Es gibt da auch durchaus die eine oder andere Chance in der Zukunft, denn man hat Bewerbungsgespräche geführt und denkt über alle möglichen Varianten des Geldverdienens in legaler Weise nach.
Die Ausbildung des Kindes scheint erst einmal gesichert und somit blitzt Licht am Ende des Tunnels. Jedenfalls, sollte man das meinen – doch erweist sich das Licht als Glühwürmchen, das rasch wieder entschwindet, denn jetzt kommt der Hinweis auf diese Klausel im Ausbildungsvertrag. Die besagt nämlich, dass das ganze schöne Programm mit Übernahme der Kosten nur dann gilt, wenn das Kind im Hartz-IV-Bezug ist. Sobald nämlich das nicht mehr der Fall ist, wird es aus dem Programm ausgeschlossen. "Tja", könnte da manch einer vielleicht sagen, "vielleicht wird der Azubi ja vom Betrieb übernommen." Die Antwort kann da nur sein, dass man die Realität nicht aus den Augen verlieren sollte – man kann das positive Denken nämlich auch übertreiben. Schließlich war der Grund für den Ausbildungsvertrag der angebotene Nulltarif und nicht das sonnige Lächeln des Sprösslings.
Wie man es nun auch anfängt: Einer sitzt auf der Straße – entweder die Eltern oder das Kind. Um diesem die wichtige Ausbildung zu erhalten, müssten die Eltern nun zusehen, dass sie nicht aus dem Hartz-IV-Bezug herausfallen. Oder aber damit leben, die Zukunft des Kindes ruiniert zu haben, weil dieses ja ein weiteres Jahr verliert. Und im nächsten Jahr werden viele nachrücken, die eine Lehrstelle suchen. Es handelt sich nicht um das "zwischen den Stühlen sitzen", sondern um viel zu wenige Stühle. Eben "die Reise in den Hartz".
Dieser Fall ist nicht fiktiv und nur ein kleiner Abriss aus dem schönen "Hartz".
© "Spiel und Spaß im Hartzer Land: Die Reise nach Jerusalem": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Diskussionsrunde, CC0 (Public Domain Lizenz).
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