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Eine Bewerbung zu schreiben ist nicht so einfach, wie man vielleicht denken würde – da gibt es sehr strenge Richtlinien. Das lernt man spätestens, wenn man längere Zeit arbeitslos war und in irgendeiner "Maßnahme" gelandet ist, deren Ziel es ist, den freien Arbeitsmarkt um die eigene Person zu bereichern. Von Hand geschrieben geht gar nicht, das steht fest. Schreibmaschine ist auch völlig out – und wer glaubt, sich damit herausreden zu können, dass er weder Computer noch Internetanschluss hat, der wird darauf hingewiesen, dass es schließlich Internet-Cafés gibt. Oder Verwandte und Freunde.
Dann sieht man zu seinem Erstaunen, dass sich doch einiges geändert hat, was die Form einer Bewerbung betrifft. Das passiert laufend und sollte nicht entmutigen, es gibt ja herunterladbare Beispiele im Internet. Die kann man sich – so man hat – ja als Muster nehmen. Und spätestens jetzt kommen die vielen kleinen Fallstricke zum Tragen. Der Lebenslauf sollte lückenlos und Babyzeiten und ähnliches peinlichst genau in den moderaten Zeitrahmen gesetzt sein. Die Coaches der verschiedenen Maßnahmen erklären auch geduldig, wieso das so sein muss. "Die Leute im Personalbüro gucken auf den Lebenslauf, lesen nur die ein bis zwei Posten, die interessant sind – und dann legen sie das Papier entweder gleich weg oder erst einmal obenauf." Großartig, wieso muss ich dann mühsam das fehlende halbe Jahr rekonstruieren, weil ich mich absolut nicht mehr an 1972 erinnern kann?
Meine Sicht der Dinge ist die: gleich oben steht das Geburtsjahr – weiter guckt da wahrscheinlich keiner. Die Abschlüsse interessieren keinen, wenn sie nicht einigermaßen frisch sind. Sagen darf man das natürlich nicht, denn das könnte als mangelnde Motivation ausgelegt werden.
Beim Bewerbungsschreiben bekommt man das Gefühl, man setzt einen komplizierten Vertrag zwischen zwei verfeindeten Nationen auf – so vieles gibt es da zu beachten. "Nicht immer das gleiche Wort verwenden." Ist ja gut, wird geändert. Aber dann muss man lügen ohne Ende. Tatsache ist, dass man nicht nur den einen "Betrieb besonders schätzt, weil ...", sondern man schreibt verzweifelt alle an, die auch nur entfernt infrage kommen.
Dann soll man in ein bis zwei Sätzen die eigenen Fähigkeiten beschreiben. "Ich bin teamfähig", oder auch: "Ich bin belastbar." Das muss man, der Coach dringt darauf. Na gut – Papier ist geduldig, auch Druckerpapier. Natürlich arbeitet man gerne mit Menschen und wenn man Belastungen fürchtet, drückt man sich. Aber was diese hingeschriebenen Standardsätze eigentlich sollen, bleibt unklar. "Ich bin gerne bereit, Schichtarbeit zu leisten." Muss man auch hinschreiben, auch wenn man keine Ahnung hat, wie man kurz vor Mitternacht, wenn die Schicht endet, nach Hause kommen soll, wenn man kein Auto hat (hat man selten, wenn man in einer Maßnahme gelandet ist). Ein Zug fährt nicht mehr, und ein Bus erst recht nicht. Egal – schreiben wir es halt hin.
Zeugnisse sind ein großes Thema – Arbeitgeber sind schließlich verpflichtet, eines zu schreiben. Ja, aber woher nehmen, niemand dachte an so was. Vor allem nicht, wenn der letzte Job eine Putzkolonne war oder Helfer in der Fabrikation. Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn sich jemand für eine hoch dotierte Vertrauensstellung bewirbt, dass Zeugnisse und lückenlose Lebensläufe gebraucht werden – keine Frage. Was ist aber, wenn man eigentlich einen Job am Band, als Reinigungskraft oder Aushilfe annehmen will bzw. muss? Da ist ein aufgeplustertes Bewerbungskunstwerk wohl eher hinderlich. Oder will man jetzt Hilfskräfte, die ihre Bewerbung auf Bütten schreiben?
Jemand, der eine große Familie versorgen musste und kleine Kinder großziehen, versteht mit Sicherheit jede Menge vom Saubermachen, wenn unter Umständen etwas weniger von korrekten Anschreiben nach den neuesten Richtlinien. Und wieso muss jemand, der Paletten hin- und herfährt, Kisten schleppt und verlädt, eine gestochene Bewerbung vorlegen ... Staplerschein und Lebenslauf sollte reichen. Alles andere ist Blödsinn. Oder handelt es sich letztendlich um eine getarnte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Personalbüros? Oder am Ende vielleicht um eine Geldbeschaffungsmaßnahme für die vielen Anbieter, die sich das Coaching aufs Firmenetikett geschrieben haben und die auf die kommunalen Träger angewiesen sind? Das wird wohl noch einige Zeit ein Rätsel bleiben – und bis dahin werden wir zu perfekten Layoutern und Schriftdesignern, damit wir putzen oder irgendetwas schleppen dürfen.
© "Heute schreiben wir Bewerbungen": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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