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Tiere haben keine Seele, ergo sind sie auch nicht religiös in dem Sinne, dass sie zu einer Art Anbetung eines höheren Wesens fähig sind. Das stellt wohl die gängigste Meinung in Bezug auf unsere allernächsten Verwandten dar. Das sind im Übrigen alle Tiere, denn der Stoff, aus dem das Leben gewebt ist, kann in sehr vielen Variationen zusammengesetzt sein.
Die Diskussion um die Seele der Tiere wurde immer wieder geführt, und natürlich geht es dabei auch um ein Bewusstsein. Den Fehler, beides zu verwechseln, sollte man allerdings nicht machen. "Sich bewusst sein als Individuum" hat nicht zwingend etwas mit Spiritualität zu tun. Das zeigt schon das Beispiel des Homo sapiens. Das Ausüben – oder das sich zu einer Religion bekennen – kommt auch ohne das spirituelle Bewusstsein aus, betrachtet man das zwanghafte Befolgen gewisser Normen oder Gebote, die mit dem jeweiligen Glauben zusammenhängen, entweder um sich dem Gruppendruck zu beugen oder der traditionellen Wurzeln wegen.
Viele Menschen befolgen durchaus Gebote und haben die Richtlinien ihres von der jeweiligen Kultur abhängigen Glaubens verinnerlicht, ohne tatsächlich in letzter Konsequenz zu glauben. Um aber glauben zu können, ist ein spirituelles Bewusstsein notwendig – also eines, das zu Gedanken jenseits des Materiellen fähig ist. Das wäre – grob gesagt, um die Sache zu vereinfachen – die Seele. Übrigens wird in der Bibel keinem Geschöpf eine solche abgesprochen, sondern alles, was lebt, wird als eine solche – eine Seele – bezeichnet.
Nun hat noch niemand ein Tier bei irgendetwas beobachtet, das etwas wie Beten oder eine Art Gottesdienst sein könnte. Wenn es auch, nebenbei bemerkt, einige Vertreter der Fauna gibt, die sehr auffällige Verhaltensweisen zeigen, wenn sie mit dem Tod von Artgenossen konfrontiert werden. Man hat beobachtet, dass Elefanten zum Beispiel sehr liebevoll mit den Überresten ihrer Spezies umgehen, ein Verhalten, das schon viele Biologen und andere Beobachter erstaunt hat. Das gilt auch für Menschenaffen, die ein Verhalten zeigen, das wir Menschen uns durchaus mit Trauer übersetzen können. Aber das nur am Rande, denn Trauer ist nicht zwangsläufig ein Hinweis auf die Fähigkeit zum Glauben in spiritueller Hinsicht.
Die nächste Frage könnte dann vielleicht sein: "Wenn Tiere in der Lage sind zu glauben oder zu beten, wer ist dann das Objekt ihrer Verehrung?" Gibt es also einen Gott der Bienen oder Elefanten, oder sind sie sich einer universellen Gottheit bewusst? Die ganze Diskussion darum klingt etwas absurd, und vielleicht sollten wir einen Menschen befragen, der etwas mehr davon versteht als wir überzivilisierte Mitteleuropäer.
Haben Tiere eine Religion? Gibt es einen Gott der Tiere? Haben Tiere eine Seele?
Stellen wir uns also jemanden vor, dem wir eher zutrauen können, mit diesen schwierigen Fragen fertig zu werden. Einen Menschen, der etwas von der Erde und ihrem System versteht – einen Schamanen vielleicht, dem wir unser Problem darlegen. Sobald dieser Mensch darüber hinweggekommen ist, dass wir seine Zeit mit so etwas Törichtem verschwenden wollen, erbarmt er sich unserer Unbedarftheit und erklärt sich bereit, uns etwas beizubringen. Dies ist nicht einfach für ihn, denn sein Bewusstsein ist erfüllt mit vielen wichtigen Dingen, die er weiß und fühlt – und von denen wir absolut keine Ahnung haben. An dieser Aufgabe scheitert er allerdings erst einmal und sucht nach einem Weg, uns für das, was er lehren kann, vorzubereiten und schickt uns für einige Wochen in die Wildnis. Nach Ablauf dieser Zeit sitzen wir dann etwas schlanker, etwas wacher und frischer, wenn auch zerstochen und auch zerschrammt, wieder am Feuer des Lehrers und beantworten seine Fragen.
"Was habt ihr gesehen?" Und die Stunden verrinnen wie im Flug bei den Geschichten von weitem Himmel und Gras, von Bäumen und Flüssen. Tiere haben wir beobachtet, wir sahen Bienen im Sonnenschein, Hasen und Rehe. Wir haben Wölfe beobachtet und manchmal auch nur im Gras gelegen und in den Himmel geschaut. Wir haben gelernt, uns still zu verhalten und haben erlebt, wie jeder Flecken Gras von Leben vibrierte, wie tausende von Lebewesen ihrer Aufgabe nachgehen. Wir haben vergessen, dass jenseits dieses Landes Tempel stehen, in die Menschen gehen, um sich als wahre Gläubige zu fühlen. Gotteshäuser, die Moschee oder Kirche, Synagoge oder Kapelle genannt werden.
Wir erinnern uns daran, dass wir Wölfe gesehen haben, die mit ihren Jungen spielten, ebenso wie Hirschkälber, die sich neckten. "Was habt ihr dabei gefühlt?", fragt der Lehrer. Und am Feuer schließen wir die Augen und spüren wieder die Verbundenheit, die Freude an allem, was lebt – an allem, was wir draußen erlebt und gelernt hatten. Wir sagen es aber nicht, weil man dafür keine Worte braucht und legen die Hand auf das Herz.
Dann neigt sich der Alte vor und sagt leise: "Ihr habt den großen Geist gespürt, den Himmel. Habt ihr den Tieren in die Augen gesehen, den Wölfen und Hirschen – habt ihr die Vögel gesehen und die Fische im Fluss, habt ihr den Erdboden belauscht?" Als wir nicken, lehnt er sich zurück und lächelt.
Dann stellt er die letzte Frage, nämlich diese: "Und was habt ihr herausgefunden? Kennen die Tiere den großen Geist?" Und wie im Chor sagen wir: "Das müssen sie nicht, sie sind ein Teil von ihm." Und der Lehrer sagt noch, bevor er uns entlässt: "Seht zu, dass ihr nicht mehr außerhalb von ihm steht, denn das ist es, was euer Leben beschattet."
© "Tiere und Spiritualität": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011.
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