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Jedes Kind weiß: Wir leben im Computer- und Roboterzeitalter. Wer hat das nicht schon tagtäglich am eigenen Leib erfahren?
Vor wenigen Tagen war ich vormittags zu einem Vorstellungsgespräch für einen Büroberuf geladen. Ich zeigte mich von meiner besten Seite. Ich konnte einem potentiellen Chef und zwei weiteren Personen, einer Dame und einem Herrn, Zertifikate von vielen Fortbildungen und EDV-Kursen neueren Datums sowie sehr gute Zeugnisse früherer Arbeitgeber, bei denen man nichts Negatives zwischen den Zeilen lesen kann, vorlegen.
Die Dame und die Herren des Vorstellungsgesprächs zeigten sich nicht sehr beeindruckt. Was ich sonst noch kann, interessierte sie noch weniger. Anscheinend sind andere Kenntnisse nicht so wichtig. Natürlich läuft ohne EDV-Kenntnisse gar nichts mehr, nicht mal in einem Beruf außerhalb eines Büros. So wurde ich freundlich verabschiedet und ich wusste schon, dass ich die Stelle nicht bekommen sollte.
Für die Zeit meines Vorstellungsgesprächs hatte ich meinen Haushaltsroboter Emil programmiert; er sollte während meiner Abwesenheit staubwischen und staubsaugen. Ich habe Emil schon länger und nach anfänglichen Startschwierigkeiten klappt es ganz gut mit ihm.
Nach dem Vorstellungsgespräch musste ich noch zum Bäcker, zum Metzger und in den Lebensmittelladen. In allen drei Läden waren die freundlichen, netten Verkäuferinnen, mit denen ich sonst ein paar private, persönliche Worte wechselte, und mit denen ich harmlos herumalbern konnte, nicht mehr da. Sie waren durch Roboter ersetzt worden. Mit starren Augen in eingefrorenen Gesichtern sowie monotonen, leiernden Stimmen spuckten sie aus, was ich zu zahlen hatte und gaben mir das Wechselgeld. Unterwegs begegnete mir eine der Verkäuferinnen aus der Bäckerei. Traurig erzählte sie mir, dass sie und ihre Kolleginnen arbeitslos geworden waren.
Am Nachmittag besuchte ich noch meine Cousine Maria im Krankenhaus. Sie mussten ihr den Blinddarm herausnehmen. An der Rezeption saß eine Dame, gut aussehend, aber irgendwie leer, mechanisch mit hölzernen Bewegungen, auch hier starre Augen im starren Gesicht. Mit monotoner Stimme bekam ich die Zimmernummer meiner Cousine gesagt. Aha, hier also auch schon Roboter. Das gesamte Personal des Krankenhauses kam mir roboterhaft vor. Hölzerne, steife, eckige Bewegungen, starre Einheitsgesichter und monotone leiernde Stimmen machten mir bewusst, dass das menschliche Klinikpersonal durch Roboter ersetzt worden war. Ich fragte Maria aber nicht, wer ihr die Narkose verpasst und wer sie operiert hatte, wer Medikamente und Spritzen verabreicht und wer die Mahlzeiten austeilt, wer die Krankenzimmer reinigt und wer immer wieder mal hereinkäme, die Betten auszuschütteln und dabei ein paar Worte mit den Patienten zu wechseln.
Nach dem Krankenbesuch schaute ich noch rasch im Altersheim bei Tante Klara vorbei. Ich ahnte es schon, als ich ins Haus trat: Auch hier saß an der Rezeption ein Roboter. Im gesamten Haus waren Roboter im Dienst. Die Rückfragen im Büro des Heimleiters bekam ich wie folgt beantwortet: "Roboter sind viel effizienter. Sie brauchen keinen Lohn und kein Gehalt sowie keinen Urlaub, daher streiken sie auch nicht, sie werden nie krank und sie hinterfragen nichts. Somit sparen wir eine Menge an Personalkosten ein."
Auf meine Fragen, wie sich die alten Menschen dabei fühlten und warum dann die Heimkosten so horrend hoch wären, reagierte der Heimleiter sehr ungnädig. Ich war mir sicher, dass in den Büros des Heimes auch schon Roboter saßen.
Nach dem Besuch bei Tante Klara war ich müde und hungrig. Da ich keine Lust zum Kochen hatte, kehrte ich bei Konstantin, der für meine Begriffe das beste Griechen-Restaurant meiner Heimatstadt führte, und meinem Stammlokal, ein. Konstantin begrüßte jeden seiner Gäste mit Handschlag und einem Ouzo. Er kannte jeden seiner Gäste beim Namen, auch wenn diese schon lange nicht mehr hier waren. Ich bekam ihn nicht zu Gesicht. Ebenso sah ich niemanden mehr seines gesamten Bedienungspersonals, aber dafür ... Ich konnte mir denken, dass sie mitsamt dem Küchenpersonal ausgewechselt worden waren. Hier also auch. Über das Los des Konstantin, und ob es seine Entscheidung war, das Personal auszuwechseln, mochte ich lieber nicht nachdenken. Der Zeus-Teller wurde mir lieblos auf den Tisch geknallt und das Essen schmeckte mir nicht. Auf das Dessert verzichtete ich dann und ich zog mich tief enttäuscht zurück. Ab diesem Zeitpunkt war dieses Griechen-Restaurant nicht mehr mein Stammlokal.
Als ich abends nach Hause kam, mutmaßte ich, dass die Patienten im Krankenhaus und die alten Menschen im Altersheim auch schon ausgetauscht und durch Roboter ersetzt worden waren. Ich hatte mir bestimmt nicht eingebildet, dass meine Cousine und meine Tante mit leiernden monotonen Stimmen sprachen und sie sich hölzern, steif und eckig bewegten. Auf bestimmte Fragen, die ich ihnen stellte, waren sie nicht vorbereitet und erzählten mir einen Stuss. Dabei sind beide im Vollbesitz ihrer geistigen Gesundheit. Bei einem Cola mit Cognac stellte sich mir die Frage, ob man einem Roboter den Blinddarm herausnehmen müsste oder ob Maria nach der Operation durch einen Roboter ersetzt worden war. Das gäbe doch eine große Ersparnis. Roboter werden doch nie krank. Unser Gesundheitsminister könnte sich freuen. Allerdings führen solche Maßnahmen zu steigenden Arbeitslosenzahlen. Diese Gedanken führten bei mir zu Kopfschmerzen und so kam ich zu dem Schluss, dass ich einfach das Cola hätte weglassen und den Cognac hätte pur trinken sollen.
Ich dachte noch über das Vorstellungsgespräch nach. Sollte hier etwa auch ...? Die Dame und die zwei Herren sahen perfekt aus, für meine Begriffe zu perfekt, irgendwie wie geklont, auch hier starre Augen in leeren Gesichtern sowie leiernde, monotone Stimmen und hölzerne, steife, eckige Bewegungen. Auch hier seltsame Antworten auf Fragen, die vom Schema F abgewichen waren. Dafür war ich extra zum Friseur gegangen. Beim Friseur das gleiche Spielchen. Handarbeit ist ja so teuer und genau besehen, gefielen mir mein Haarschnitt und das ganze Drumherum beim Friseur nicht. Die Atmosphäre hätte in einen Eiskeller gepasst.
Roboter streiken nicht! Wer hatte mir das erzählt? Der Heimleiter des Altenheims! Was war denn mit diesem? Dieser war wohl nicht ausgewechselt worden, denn er reagierte auf meine Fragen ungehalten, richtig menschlich.
Ich stellte fest, dass Emil nicht gesaugt und nicht staubgewischt hatte. Mir war nicht klar, warum, ich hatte ihn doch richtig programmiert. Ich war zu müde, nachzuforschen, warum Emil streikte und rief im Elektro-Geschäft, in dem ich ihn gekauft hatte, an. Ich wusste schon, was mich erwartete, bevor der Hörer abgenommen wurde.
Eine freundliche, weibliche Stimme meldete sich zu Wort: "Guten Morgen. Mit dem Gongschlag ist es 6.00 Uhr. Sie hören die Nachrichten", und mein Radiowecker riss mich aus diesem Albtraum.
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© "Computer und Roboter, die Hilfsmittel unserer Tage": Textbeitrag von Autorin Ulla Schmid. Die Abbildung zeigt den humanoiden Roboter Kotaro, Urheber: Manfred Werner – Tsui, Creative Commons-Lizenz.
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