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Herbst ist es und alles wird ein wenig anders, vor allem ein wenig windiger. Das bedeutet allerdings auch, dass die Gärten, Parks, Höfe und leider auch die Gehsteige sich in raschelnde Pfade verwandeln. Wer immer einen kleinen Garten sein Eigen nennt oder den Gehweg fegen muss, ist jetzt in der Pflicht. Oder, wie in meinem Fall, in einer gewissen Zwiespältigkeit befangen. Denn Schönheit liegt – ebenso wie Ordnung – im Auge des Betrachters.
Sachte vom Wind bewegtes, flammenfarbenes Herbstlaub, das die ansonsten grauen Straßen schmückt, verbreitet eine gewisse Atmosphäre. Eine heimelige, an Gemütlichkeit unter warmem Lampenlicht am Feierabend mahnende herrliche Herbststimmung kommt da auf. Der Vorgarten, der von jedem Passanten und Straßennachbarn eingesehen werden kann, verwandelt sich in ein herrliches Farbenspektakel, und die Mülleimer machen beim Rausstellen einen herrlich weichen Ton. Schließlich sind sie ja gut gepolstert, jetzt im Herbst. Man könnte dieses Szenario genießen – vor allem, wenn die Luft noch lau ist, der Abend mild und die solarbetriebenen Leuchten ein sanftes Licht auf das Blätterkunterbunt werfen. Man könnte – wenn man dürfte. Denn für diejenigen unter uns, die sich an malerischen Herbstbildern vor dem Küchenfenster erfreuen, beginnt jetzt die Zeit der Prüfungen.
Freundliche Nachbarn haben beim Schwatz an der Gartenpforte den bunten Blätterteppich im Auge und streuen hier und da ein: "Ja, ich habe gerade das Laub zusammengemacht und entsorgt." Die Freundlichkeit nimmt im gleichen Maße ab wie die Dichte des Laubbelages zunimmt. Ist es erst einmal so weit, kann man eigentlich kaum noch eine wirksame Verteidigungsstrategie entwerfen. Hinweise auf die Wälder, in denen niemand das Laub zusammenrecht, werden sofort entkräftet – schließlich ist man ja in der Stadt, und da hat Ordnung zu herrschen. Die Halbwertzeit von abgefallenen Blättern kann auch nicht als Punkt verbucht werden, denn davon hat noch niemand etwas gehört. Was mit Verrotten zu tun hat, ist Abfall. Das Zeug muss in die Tonne – und damit basta.
Mit Verlaub, wie kommt es nur, dass Menschen die verschiedenen Grautöne von Pflaster- oder Teerbelägen einem farbenfrohen Stadtbild vorziehen? Der Winter ist in Sicht und wird wahrscheinlich unsere Wohnorte in Schwarzweißaufnahmen verwandeln – für viele Wochen. Der Farbenrausch des schwindenden Jahres ist ein letztes Geschenk der Natur ... wieso wollen alle es kahl und leblos haben? Ist – wie der farbenliebende Vorgartenchaot es argwöhnt – das eintönig kalte und duotonbestimmte Straßenbild ein Abbild der ordnungsfanatischen Seele? Tatsächlich ist es nicht verboten, sondern erlaubt, das bunte Geriesel liegenzulassen.
Die Witterung, der natürliche Verfall und viele andere Umwelteinflüsse lassen die ganze Pracht recht schnell verschwinden – man kann die Blätter auch um Büsche und Bäume rechen – obwohl das in den Augen der meisten nicht unbedingt genügt. Es ist dann nämlich nicht wirklich weg – eingetütet – eliminiert, sondern erinnert an ... ja, an was eigentlich? Bleibt die Hoffnung, dass die Nachbarn irgendwann lernen, dass die bunten Blätter nicht gefährlich sind und auch sonst keine Bedrohung der Ordnung darstellen. Sie gehören zum Leben dazu. Also sollte man seinen Standpunkt beibehalten, auch wenn die Richtliniengärtner der Nachbarschaft einen für den Laubhaftigen halten.
© Text und Foto zu "Herbst-Atmosphäre sollte grundsätzlich erlaubt sein": Winfried Brumma (Pressenet), 2012.
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