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Um die Preise "stabil" zu halten, werden überall in Europa Tonnen von Gemüse oder Milchprodukten vernichtet – die Marktwirtschaft fordert das – jedenfalls hört man das und kommt beim Rechnen zum selben Schluss. Allerdings nur, wenn man es mathematisch angeht.
Sieht man Bilder von erbarmungswürdig abgemagerten Menschen, die zusammengekauert auf den Hungertod warten, dann sollte ein Bild von mit Baggern zusammengeschobenen Gemüse, das entsorgt wird, bei uns Übelkeit herbeiführen. Aber im Kleinen ist es nicht anders – da landen kiloweise Nahrungsmittel in den Biotonnen, müssen aus dem Kühlschrank raus, weil gerade ein tolles neues Rezept ausprobiert wird oder niemand in der Familie es über sich bringt, das Gleiche zu essen wie am Vortag.
Die Lebensmittelindustrie lebt hervorragend von fetten und süßen Zutaten plus Sammelbildchen. Was aber ein wenig verstörend wirkt, ist die Angst der jungen Menschen vor allem, was schon geöffnet ist – es scheint, als mache die Berührung mit normaler Luft alles Essbare ungenießbar. Etwas aufzuwärmen ist fast so eklig wie Schularbeiten machen.
Die Keksrolle, der nur zwei Stück fehlen, liegt für Wochen neben der Tastatur auf dem Schreibtisch, darunter etwa fünf angebrochene Flaschen mit irgendetwas sehr ungesundem – nach drei oder vier Schluck davon ist es scheinbar völlig verdorben. Angefangene Chipstüten, ranzig gewordene Erdnüsse, angeknabberte Schokoriegel ... es ist ein Bild des Grauens für jeden, der ein wenig auf Hygiene achten will.
Ist das Datum auf der Wurstpackung oder dem Joghurtbecher das heutige? Nichts wie weg damit – dabei ist es noch eine ganze Zeit lang genießbar und keineswegs schlecht. Das Datum bezeichnet nicht den sofortigen Verfall – vor allem bei unserem Essen nicht, das meist sehr hohe Anteile an Konservierungsmitteln beinhaltet. Die Frischmilch, die Oma im Krug hatte, war da weitaus empfindlicher. Was wir da aus den Packungen über das Müsli laufen lassen, hat allerdings nur entfernte Ähnlichkeit mit der Milch im Tonkrug oder der Blechkanne.
Ein Ansatz wäre, beim Einkaufen mehr auf den tatsächlichen Bedarf zu achten. Gerade was Kinder betrifft, ist eine zu große Auswahl nicht die beste Idee. Viel von den Sachen, die unbedingt einer in der Familie haben wollte, gammeln dann in einem Winkel des Schrankes vor sich hin, bis sich jemand erbarmt und sie wegwirft. Meist ohne auf das Datum darauf zu achten.
© "Hungertod und Wegwerfgesellschaft": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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