|
Schneidig mussten sie sein, drahtig und mit einem gut ausgebildeten Schnauzbart. In den Anfängen des vorigen Jahrhunderts gehörte das zum Bild des Mannes, wie man es im Allgemeinen schätzte. Mann und Uniform waren auch nicht unbedingt zu trennen, und die jungen Leutnants der Schwarm vieler braver Bürgerstöchter sowie das Elend mancher Mädchen aus nicht ganz so guten Familien. Mann trug auch nicht selten einen Mittelscheitel zum kurzen Haar, und sein Körper war kräftig, ohne überausgebildet zu sein.
Nach den beiden Weltkriegen hatte sich das Männerbild wieder geändert. Stars wie Burt Lancaster oder Charlton Heston beherrschten die Kinoleinwände und zauberten glänzende Augen bei den Fans, und ein Frank Sinatra ließ Herzen zu pinkfarbenen Pfützen schmelzen. Sie waren männlich, kräftig aber schlank, und sahen einfach gut aus. Man setzte voraus, dass diese Männer imstande waren, sich zur Not auch körperlich Respekt zu verschaffen. Dann, mit James Dean und Marlon Brando, kam ein neuer Typ auf – jung, verzweifelt, aggressiv und unwiderstehlich. Männer waren einfach anders – sie boten breite Schultern zum Anlehnen, machten nicht viele Worte und beschützten ihre Mädchen.
Und dann kam die große Wende. Helden wie Mick Jagger sahen ständig unterernährt aus und trugen enge Hosen – noch heute ist nicht klar, wer die Beatles in ihre extrem körpernahen Anzüge gestopft hat. Alleine haben sie das wohl nicht fertiggebracht. Männer hatten auf einmal schlank, lyrisch und – spätestens seit David Bowie auf der Bildfläche erschien – androgyn zu sein. Mädchen legten keinen Wert mehr auf Beschützt werden, sondern wollten lieber beschmust und angehimmelt werden – und die Jungs wollten das auch. Jedenfalls die meisten.
Zu jener Zeit war Fitness nicht angesagt – das Wort hatte keinerlei Bedeutung. Wenn einer Sportler war und Muskeln hatte, dann waren sie eher dezent und dafür sehr effektiv. Bis dann wieder ein Idol auf der Bildfläche erschien: Conan der Barbar bzw. Arnold Schwarzenegger. Dieser Österreicher warb für Muskelaufbau und Stärke und sah auch so aus. Plötzlich mussten tolle Kerle sonderbare Erhebungen auf dem Körper haben, auf welchem dicke Stränge wie Stahltrossen die Muskelgebirge miteinander verbanden. Dazu extrem schmale Hüften und ein knapper Slip – die Jungens und Männer hatten ihr Idol. Ein großer Teil der Frauen auch – auf einmal war wieder der starke und beschützende Mann angesagt. Die Haare waren längst nicht mehr kurz, und Metal-Musiker trugen zum wilden Schopf durchtrainierte Muskeln.
Weil das so in Mode war, das mit dem breiten Oberkörper, machten auf einmal alle mit, kauften sich Geräte, die in jeder Zeitschrift beworben wurden und neben denen meist ein "Vorher-Nachher-Bild" zu sehen war: die wundersame Verwandlung eines dünnen Kerls mit schlechter Haltung zu einem Helden mit stahlhartem Luxuskörper. Die Mister-Universum-Wahl war das größte Spektakel für diese Art des Körpergefühls – ein Wettbewerb für Muskelpakete und glänzende Männerkörper. Und Wettkämpfe dieser Art gab es viele für die Bewerber, und gibt es heute noch. Nur – beim besten Willen kann ein normaler Mensch, der vielleicht einer Arbeit nachgeht, mit nichts als Training solche extremen Muskelberge nicht hervorbringen. Der Zeitaufwand ist enorm – ... und natürlich weiß man sich zu helfen.
Anabole Steroide, oder auch Anabolika, sind die Wundermittel, die den Aufbau solch extremer Muskeln fördern. Die Mittel wurden früher zur allgemeinen Leistungssteigerung für Soldaten benutzt und fanden ihre Anwendung temporär bei Rekonvaleszenten und Alten, um die Leistungsfähigkeit des Körpers wieder herzustellen oder auch, um Wachstumsstörungen zu behandeln. Dabei handelt es sich, vereinfacht dargestellt, um synthetisch hergestelltes Testosteron, das männliche Sexualhormon. Im Sport machte man sich die leistungssteigernde Wirkung bald zunutze – das Doping hielt Einzug. Anabole Steroide sind nicht erlaubt – die Nebenwirkungen sind beträchtlich. Doch es gibt eine Subkultur, in der die Mittel gehandelt werden, wie anderswo Designerdrogen. Und eigentlich ist es eine Droge – denn wer damit anfängt, kann nur schwer wieder aufhören.
Wie Bulimie oder Magersucht ist die Sucht nach Muskeln und dem perfekten Körper eine Krankheit, und läuft trotz der Fixierung auf den Körper oder das Erscheinungsbild auf die Selbstzerstörung hinaus. Letztendlich wird der so mühsam aufgebaute Körper auch damit zerstört. Ebenso ist der Einfluss auf die Psyche sehr stark, es kann zu extremen Stimmungsschwankungen und gesteigerter Aggressivität kommen. Für den Betreffenden ist nichts mehr wichtig – außer dem Erreichen seines Zieles.
Ebenso wie ein Magersüchtiger jedes Körpergefühl verliert und sich immer noch für dick hält, obwohl er gefährlich dünn ist, werden die oft grotesk verformten Körper nicht wahrgenommen. Ging es vielleicht am Anfang noch um das "Gefallenwollen" oder vielleicht auch um den Wettbewerb, ist in der Endphase das Trainieren und die Einnahme der anabolen Steroide reiner Selbstzweck geworden. Viele Bodybuilder, die Preise einheimsten und eine gewisse Berühmtheit erlangten, sind sehr früh gestorben, so wie etwa Andreas Münzer – er ist ein trauriges Beispiel dafür, wie weit man nicht gehen sollte. Sport oder auch Krafttraining sollte dem Körper nützen – und nicht zerstören. Hier gilt, wie bei allem, das richtige Maß beizubehalten.
© "Muskelmänner – Sport sollte dem Körper nützen": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
Archive:
Jahrgänge:
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Rezensionen |
Krimi Thriller |
Ratgeber |
Sagen Legenden |
Fantasy Mythologie
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed