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Ich denke recht intensiv über das Schreiben im Allgemeinen nach. Was ist der Antrieb und wie erleben die Leute das? Ich habe einen guten Bekannten, der jede Arbeit angeht wie einen Kampf. Einen Boxkampf. Schreiben ist für ihn wie im Ring stehen – so beschreibt er das ... er hat schon veröffentlicht, aber er krankt scheinbar an seinen Kämpfen. Er lässt sich von sonderbaren Leuten – wie bezahlten Lektoren – seine Sachen zerpflücken und kämpft dann wieder eine Runde weiter – obwohl der Kampf längst entschieden und gewonnen ist.
Sein momentanes Werk ist ein Theaterstück über das Boxen ... ich verstand es, jeder würde das verstehen. Aber mein Bekannter lässt sich beirren ... er versucht dann, verständlicher zu werden ... er vergewaltigt seine eigenen Sachen. Sie ist wirklich kriegerisch, seine Art mit sich umzugehen. Meine eigene Weise ist völlig anders ... gegen die Kämpfe dieses Mannes fast von unanständiger Leichtigkeit. Im Vergleich jedenfalls.
Dann diese Frau ... sie KANN schreiben, wirklich gut schreiben. Aber sie glaubt es nicht ... will es nicht glauben. Dabei ist es das, was sie wirklich will. Aber sie will nichts für sich wollen dürfen ... sie macht sich klein, um den anderen zuvorzukommen. Eine andere, die ich kenne, tupft genial hingeworfene Splitter auf das Tableau ... spitz, messerscharf und immer treffend. Verstand wie eine Degenklinge ... unwiderstehlich. Ich muss fragen, wie es für sie ist, das Schreiben. Ist es so selbstverständlich? Sogar für diejenigen, die es nicht mögen – weder das Schreiben noch das Lesen – ist es doch eine nicht wegdenkbare Größe im täglichen Leben. Schilder – Aufkleber, Werbung ... alles ist mit Schriftzeichen versehen.
Es gab eine Zeit, in der das nicht so war. In der kaum einer lesen oder schreiben konnte. Man behalf sich anders ... es war die Zeit der Erzähler. Der Barden ... der Sänger. Ich frage mich, wie bildhaft sie dachten, damals. Wenn man dem Sänger zuhörte, da tauchten Bilder auf und Welten. Eine Stimme kann so viel auslösen, kann führen ... entführen. Rhythmus und Melodie sind ein geradezu magisches Mittel, um die Wirkung zu verstärken oder gar hervorzurufen. Viel, viel früher entführte der Gode oder Schamane mit der Flöte oder Trommel in ein Szenario, in dem die Geister sprachen ... noch im Mittelalter wurden Hexen mit einer Trommel dargestellt. Als man Runen schnitt um ihres Zaubers willen, verband man Bild und Idee mit dem Zeichen ... genauso wie in den Anfängen der Hieroglyphen. Es war immer mehr als ein Hinweis auf einen Laut, so ein Zeichen. Es lebte aus sich heraus.
Und diese Idee, diese Magie ist heute noch da, wenn man etwas be-schreibt ... so ist es, als halte man es fest, als gäbe man Gestalt mit dem Setzen von Zeichen auf Papier. Oder dem Aneinanderreihen von Zeichen auf dem Monitor. Be-schreiben heißt dann, Macht haben und sichtbar machen. Es ist dasselbe Prinzip wie beim be-sprechen. Es wird etwas beschworen ... geschaffen. Das kommt vielleicht dem Formen von Ton gleich ... man nimmt ein Material – so wie Bilder – und formt daraus etwas. Also gleichen wir das Fehlen der Geschichtenerzähler aus, indem wir uns mit lesbaren Symbolen behelfen ... wir haben Zauberzeichen geschaffen, die Bilder herstellen und festhalten können. Eine einfache Symbolkette ... ein WORT ist dazu in der Lage.
Ein einziges Wort kann abertausende von Assoziationen schaffen. Je nachdem, was es beim Leser auslöst, wobei die möglichen Kombinationen das Ganze noch unzählbarer machen. Im Prinzip ein Chip mit einer riesigen Speicherkapazität. Aber anders als ein binäres Prinzip steckt etwas dahinter ... die alte Zauberkraft der Symbole, deren sich – wer weiß – die Geschichten bedienen, um herumzureisen. Könnte ja sein ...
© "Verstand wie eine Degenklinge": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Die Abbildung zeigt Hieroglyphen; ein Detail aus der Stele des Anchefenchons (etwa 680/670 v. Chr.), Quelle: Wikipedia, Lizenz: gemeinfrei.
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