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Jahrzehntelang leben die Menschen in dem von Deutschen gegründeten wolhynischen Dorf Janowka in Frieden und Wohlstand. Mit den ukrainischen, polnischen, russischen und jüdischen Nachbarn lebt man in gutem Einvernehmen zusammen. Der Wind dreht sich, als Zar Nicolaus II. Ende des 19. Jahrhunderts den Deutschen aufgrund der großpolitischen Wetterlage das Leben schwer macht. Immer mehr Siedler verlassen das Land in Richtung Preußen oder Nordamerika. Die, die bleiben, erleben die Hölle nach Ausbruch des 1. Weltkriegs. Zweihunderttausend deutsche Wolhynier werden nach Sibirien verschleppt. Die Überlebenden dieses Exodus dürfen nach dem Krieg zurückkehren, fühlen sich aber in ihrer Heimat nicht mehr wohl. Jeder versucht, das Land zu verlassen.
Auch die Familie Exner wird zerrissen. Einige gehen nach Deutschland, andere nach Polen. Die meisten versuchen, nach Kanada zu gelangen. Vier starke Frauen, die das Schicksal voneinander trennt und in verschiedene Richtungen schickt, versuchen, die Familie zusammen zu halten. Jede versucht auf ihre Weise, dem Leben etwas abzugewinnen. Aufgeben kommt nicht infrage. Gottvertrauen und das Festhalten an der angestammten christlichen Religion – wo auch immer das Schicksal einen hintreibt – sind die Voraussetzung, das zu meistern, was einem auferlegt wird. Diese Frauen sind es, die das Überleben der Familie sichern.
Der Autor Helmut Exner, ein Nachkomme dieser Frauen, spürt in der Parallelhandlung des Buches "Die Frauen von Janowka" dem Leben seiner Vorfahren nach und landet dabei in einer Gegenwart, die er bisher nicht kannte. Er findet über Kontinente hinweg die Kinder und Kindeskinder dieser Frauen wieder. Dabei stellt er fest, dass das gemeinsame Erbe, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten, Lebenseinstellungen und auch äußere Ähnlichkeiten stark ausgeprägt sind. Von Religiosität über Lebensart bis hin zu Essgewohnheiten gibt es auch nach hundert Jahren Trennung frappierende Gemeinsamkeiten.
Der Roman des Autors Helmut Exner ist beim EPV-Verlag erschienen und kann dort direkt erworben werden.
Angesichts des warmen Sommerabends, an dem sich normalerweise viele Leute lieber im Garten von der harten Arbeit des Tages ausruhten, war das Bethaus gut besucht. Etliche Frauen, aber nur ein paar Männer aus dem Dorf, zwei Frauen aus Solomiak und die junge Ukrainerin, die den Sommer über bei Nachbarn wohnte und arbeitete, waren da. Chorleiter war der Küster. Gesungen wurden deutsche, russische, ukrainische und polnische Volkslieder. Jeder Sänger hatte ein handgeschriebenes Liederbuch mit den Texten. Da nur wenige Noten lesen konnten, machte sich kaum jemand die Mühe, die Noten vom Blatt des Küsters zu übertragen.
Inzwischen hatte Gottlieb seinen Bruder Friedrich abgeholt, um mit ihm zum Fluss zu gehen. Um den Abend so richtig genießen zu können, hatte jeder zwei Flaschen von Serafines Bier mitgenommen.
"So lässt sich's leben", sagte Friedrich. Die beiden Männer saßen auf den großen Steinen am Fluss und hatten jeder bereits die zweite Flasche Bier in Angriff genommen. Ihre Kleidung hatten sie noch nicht wieder angelegt. Da nur selten Alkohol getrunken wurde, zeigte das Bier seine Wirkung. Die beiden wurden immer lustiger und leutseliger. Dann watete Gottlieb in den halb ausgetrockneten Fluss und bewarf Friedrich mit einer Handvoll Schlamm.
"Verflucht! Das kriegst du wieder!" Er rannte hinter Gottlieb her und tat sein Bestes, ihn ebenfalls mit Schlamm zu bewerfen. Am Ende sahen beide aus wie Gespenster von einem anderen Stern.
"Schlamm ist gesund", meinte Friedrich und bepackte sich noch zusätzlich damit, bis nur noch die Augen aus der grau-braunen Pampe hervorlugten. Gottlieb tat es ihm gleich. "So müsste Serafine uns sehen. Das wär' doch mal eine Sache. Stell dir vor, sie kommt ins Haus und wir stürzen brüllend die Treppe runter", meinte Friedrich.
Die beiden konnten sich kaum halten vor Lachen und schritten zur Tat. Als sie das Haus erreichten, war der Schlamm auf ihren Körpern bereits eingetrocknet. Da Serafine gleich vom Singen nach Hause kommen musste, versteckten die beiden Männer sich oben. Es dauerte nicht lang, bis sie hörten, dass jemand die Haustür öffnete. Langsam und mit furchterregend animalischen Geräuschen kamen erst Friedrich und dann Gottlieb die Treppe herunter. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie merkten, dass in der Küche neben Serafine auch Mutter Christine sowie die Frau des Küsters standen und nicht glaubten, was sie sahen. Zuerst fing die Küstersfrau hysterisch zu schreien an, dann zog Serafine nach. Christine war die erste, die merkte, dass es sich nicht um Ungeheuer handelte, sondern um ihre Söhne.
"Ihr Wahnsinnigen!", rief sie.
Serafines Schreien ging in ein glucksendes Lachen über, während die Küstersfrau rief: "Ihr verflixten Kerle! Man sollte euch verprügeln. Ich wäre fast gestorben. Und außerdem, nackt vor Frauen herumzulaufen. Schämt euch!"
"Aber wir haben doch Schlammanzüge an", prustete Friedrich, der vor Lachen kaum atmen konnte.
"Raus mit euch; geht euch waschen und zieht euch an!", meldete sich Christine in einer Mischung aus Entrüstung und Lachkrampf zu Wort. "Ich werde eurem Vater sagen, dass er euch verdreschen soll."
"Das wird er wohl kaum tun. Wenn er gewusst hätte, was wir hier für Spaß haben, hätte er bestimmt mitgemacht", rief Gottlieb, während er zur Hintertür rauslief.
Und so war es. Als Christine und Gottlieb ihm später von der Aktion berichteten, meinte Karl zu seinem Sohn: "Warum habt ihr mir nicht Bescheid gesagt, was ihr vorhabt? Ich hätte etwas dafür gegeben, das dumme Pferdegesicht der Küsterin zu sehen."
"Sie ist so eine nette Frau", sagte Christine.
"Ich behaupte ja nicht, dass sie keine nette Frau ist. Aber sie hat ein Gesicht wie eine Stute beim Decken."
"Karl, oh Karl, du wirst dich in deinem Leben nicht mehr ändern. Es ist völlig klar, woher deine Söhne diese Verrücktheiten haben. Als ob es nicht reichen würde, mit so einem Mann gestraft zu sein, muss ich auch gleich noch zwei Söhne bekommen, die dein exaktes Ebenbild sind."
Und da Karl immer das letzte Wort haben musste, antwortete er: "Ja, den seinen gibt's der Herr im Schlaf." Und nach einen kurzen Pause: "Manchmal auch im Beischlaf."
Nun verschlug es Christine die Sprache, während Gottlieb in sich hinein gluckste. ...
© Texte zur Buchvorstellung von "Die Frauen von Janowka" sowie Abbildung des Buchcovers mit freundlicher Genehmigung des EPV-Verlages Die oben genannten Bücher können direkt über den Verlag bezogen werden.
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