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Gesundes, glänzendes und lebendiges Haar braucht Pflege von innen und vor allem Vitamine. So oder ähnlich lauten die mannigfachen Aussagen der Werbefilme, die Shampoos, Kuren und jedes erdenkliche Haarpflegemittel anpreisen. Und wir kaufen Zauberformeln in durchgestylten Flaschen, Wunderkuren in Plastikphiolen und Tübchen.
Was haben wir nicht alles in unseren Badezimmern allein fürs Haar gesammelt: Shampoo für fettiges, trockenes, dünnes, strapaziertes, koloriertes, glattes und krauses Haar. Mit Proteinen, Vitaminen und Rezepturen, die sehr phantasievolle Namen tragen – das alles gilt allerdings nur für die Wäsche. Dann haben wir noch Kuren, Spülungen, Packungen und sogar Masken für die Haare, direkt nach dem Hauptwaschgang anzuwenden. Leute mit massenhaft Haar greifen zu Glättern, und die Zeitgenossen mit der eher dünnen Pracht suchen nach mehr Volumen – und alle werden fündig.
Schließlich muss das gewaschene und notfallreparierte Haar dann noch in Form gebracht werden. Und hier sind die Möglichkeiten praktisch unendlich: es gibt Schaum, Haarlack, Festiger und Gel – davon allein mehrere Sorten. Wer den feuchten Touch bevorzugt, kann unter dutzenden Sorten wählen – wer es "strong" mag, hat eine ebenso riesige Auswahl.
Der im Bad integrierte Elektro-Shop bietet dann Glätteisen, Kreppeisen zum Wellen, elektrische Lockenwickler, Lockenstäbe mit Heißluft, sowie Föne, die meist aussehen wie futuristische Schießeisen. In den Drogeriemärkten sind die Regale für Haarpflegeartikel mehrere Meter lang – und meist doppelseitig bestückt. Es handelt sich um einen ganzen Industriezweig, der tausende von Produkten herstellt – alles für Hornschuppen, die in mehreren Lagen einen langen und dünnen Faden bilden: das Haar. Diese Hornfäden sind keineswegs etwas Lebendiges, sondern tatsächlich abgestorbenes Material. Der Slogan vom lebendigen Haar greift also irgendwie ins Leere, vergegenwärtigt man sich die Tatsachen.
Wie das Haar wirkt, ob stumpf oder glänzend, hat in der Hauptsache etwas damit zu tun, wie diese Schuppen nun aufeinanderliegen. Das ist das ganze Geheimnis. Und hier kommen die Shampoos und anderen Pflegemittel zum Zuge, denn sie enthalten Stoffe, die glättend wirken. Meist handelt es sich um einen dünnen Film, der sich um das Haar legt und so die Oberfläche glättet und ein wenig schützt.
Da Horn ein natürliches und nicht lebendiges Material ist, könnte ein handelsüblicher Weichspüler für Wäsche das Gleiche leisten wie eine teure Kur. Er umhüllt das Haar, schützt und glättet es – genau wie wir es bei unserer Wäsche lieben. Das ist so ziemlich alles, was wir für unser Haar tun können, damit es nicht allzu spröde werden kann. Das kann vermieden werden, wenn die Schuppen gut schließen – es ist ebenso wie bei einem Tannenzapfen.
Lebendig wäre die Zierde des Hauptes dann, verfügte sie über eigene Nerven – das tut sie aber keineswegs. Und was nicht lebt, kann man nicht ernähren – und schon gar nicht von außen. Wer also glaubt, dass ein Haarwaschmittel mit Vitaminzusatz dem Haar etwas nützt, liegt falsch. Es kann nichts, ebenso wenig wie unsere Haut, damit anfangen. Vitamine können nicht von außen aufgenommen werden. Dieser Teil der Werbung ist reine Phantasie, wenn auch eine, die sich gut rechnet – für die Hersteller jedenfalls.
Der Trick mit dem Volumen ist auch eine Sache der gezielten "Ummantelung". Es ist ein temporärer Effekt, der das Haar fülliger erscheinen lässt. Wirklich "dicker" wird der Schopf dadurch nicht. Es geht nur um die Optik. Das ist auch in Ordnung so, solange niemand denkt, er kann sich eine füllige Löwenmähne zulegen, indem er das "richtige" Pflegesystem benutzt.
Wie unsere Haupteszierde sich zeigt, ist vor allem eine Sache der Gene, des Zeitaufwandes und letztendlich auch des Geschmacks. Goldblond wird zu Schwarz umgefärbt – Haselnussbraun zu Platinblond. Hier werden die Haare extrem glatt gebügelt – direkt nebenan zu Kräusellocken gewellt. Ein fedriger Kurzhaarschnitt wird gekonnt angelegt – oder fremdes Haar eingeflochten, um den Traum von der langen Mähne endlich wahr werden zu lassen. Nichts ist mehr unmöglich, nur das andauernde Verändern der genetischen Anlagen eben nicht. Man wäre auf jeden Fall erstaunt, mit wie wenig Mitteln man tatsächlich auskommt.
Übrigens: wenn man Vitamine einfach so aufcremen könnte, gäbe es längst nicht so viele Diskussionen in den Familien wegen "Obst und Gemüse".
© "Gesunde Haare? Die Hornfäden und die Vitamine": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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