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Ohne dieses Detail wäre ein modisches Outfit undenkbar – es ist so etwas wie der letzte Lack auf dem Kunstwerk. Und darum geht es auch: um den Nagellack. Seit den 1920er-Jahren, als der erste Nagellack auf den Markt kam, ist er ein Verkaufsschlager. Und es gibt ihn in allen nur erdenklichen Farben, in cremiger, schillernder oder auch mit Glitzerpigmenten versetzter Ausführung. In den ersten Jahren seines Auftretens auf der Modebühne haftete dem glamourösen Zubehör etwas Verruchtes an.
Lange, gepflegte und lackierte Nägel waren eher das Attribut einer Femme fatale als einer "anständigen Frau". Zartrosa oder Perlmuttweiß waren gerade noch so geduldet, und die Nägel eines netten Mädchens mussten eher kurz sein. Entfernen musste man die neuen Lacke auch können, und dafür wurden acetonhaltige Lösungsmittel benutzt. Die sind heute allerdings in stark entschärfter Form auf dem Markt, und für gewöhnlich enthalten sie keine aggressiven Stoffe mehr, sondern mildern durch enthaltene Öle die Prozedur des Entfernens.
Die modernen Nagellacke trocknen weitaus schneller als früher, außerdem ist die Farbpalette größer. Die Hersteller haben sich einiges einfallen lassen, um ihre Produkte abzusetzen – es gibt "Longlife Lacke", die lange halten sollen – was sie auch tun. Vorausgesetzt natürlich, man tut mit den Händen absolut nichts, dann halten auch die einfachen, günstigen Varianten sehr lange. Wer seine Nägel richtig pflegt, so kann man es jedenfalls in Zeitschriften für mode- oder trendorientierte Frauen lesen, braucht nicht nur mehrere Fläschchen Nagellack in verschiedenen Farben.
Zuerst einmal sollte die gepflegte Frau einen Rillenfüller benutzen – das ist ein farbloser Lack, der den Fingernagel glättet, indem er Unebenheiten ausfüllt. Darauf sollte dann der Unterlack kommen, der dafür sorgt, dass die Hauptlackierung die denkbar glatteste Unterlage nutzen kann. Ist das Korallenrot oder Pflaumenlila dann trocken, kommt die Versiegelung in Form eines Oberlacks darauf. Das Ganze kostet nicht mehr als etwas dreißig Minuten insgesamt (für sehr Geübte) und ist dann wirklich perfekt.
Während Frau dann darauf wartet, dass die einzelnen Schichten gut durchtrocknen (es ist fatal, trägt man frischen Lack auf einen noch nicht harten Untergrund auf), denkt sie vielleicht darüber nach, ob das Ganze nicht ein wenig zu aufwendig ist, nur um totes Hornmaterial schick aussehen zu lassen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es durchaus reichen kann, wenn man eine widerspenstige CD-Hülle mit den Nägeln öffnet, um die ganze Herrlichkeit an den Rändern abblättern zu lassen. Und zwar völlig gleichgültig, ob der Lack nun teuer war, oder ob er vom Discounter stammt. Wer nun die Zeit hat, macht alles noch einmal von vorne ...
Jeder modische Trend hat seinen eigenen Schmerz, und auch das Nägel lackieren hat so seine Besonderheiten. So kann man ziemlich sicher sein, dass man just dann auf die Toilette muss, wenn alle Nägel frisch lackiert sind. Das wäre nur zu umgehen, wenn man die Nagelpflege völlig nackt betreibt. Aber selbst dann wird mit Sicherheit das Telefon oder Handy klingeln. Man leidet nicht unter Juckreiz – aber sobald der feuchte Lack auf den Nägeln vor sich hintrocknet, muss man gewaltsam den Drang zum Kratzen dieser kleinen Stelle auf der Kopfhaut unterdrücken. Und niemanden wird es wundern, dass die völlig freie Nase gerade jetzt geputzt werden muss.
Katzenbesitzerinnen tun gut daran, ihre haarigen Lieblinge für die Zeit der Nagelpflege aus dem Zimmer zu sperren, denn selbst Miezen, die keinen besonderen Wert auf Streicheleinheiten legen, wollen unbedingt ihre Backen an Frauchens Händen reiben. Was zu interessanten Haarlinienmustern auf der glänzenden Lackfläche führt, sobald man Pussies Fellteilchen entfernt hat. Es hat entfernt Ähnlichkeit mit Strukturtapete oder Rauputz.
In der Antike wurden gefärbte Nägel oder sogar Hände ebenfalls als schick angesehen, aber es handelte sich bei den Farben um pflanzliche Produkte. Noch heute gibt es die Tradition bei vielen orientalischen oder afrikanischen Völkern, die ihre Hände und Nägel mit Henna oder anderen biologischen Mitteln färben. Neu ist diese Verschönerung also nicht, nur dient sie nicht der Tradition, welche durchaus auch religiöse Hintergründe haben konnte im Altertum, sondern einzig dem Dekor. Und wer Durchhaltevermögen hat und von ruhiger Gemütsart ist, sollte sich das durchaus auch gönnen.
© Textbeitrag und Fotografien zu "Nägel mit Köpfen": Winfried Brumma (Pressenet), 2012.
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