|
Der Wunsch nach Wissen ist so alt wie die Menschheit. Vor allem, wenn es um das Wissen geht, das man sich nicht durch ein Studium oder einen Lehrer erwerben könnte. Es geht um die Vorschau auf künftige Ereignisse.
Niemand kennt die Zukunft wirklich – Prognosen sind zwar errechenbar, aber nicht hundertprozentig sicher. Zudem fehlen zu einer wirklich sicheren Trendanalyse meist Informationen. Der Verlauf der Ereignisse ist von vielen Dingen abhängig – und vor allem von vielen Menschen und Ereignissen.
Wer etwas plant, muss grundsätzlich damit rechnen, dass ein unvorhergesehenes Geschehnis alles zunichte macht oder grundlegend verändert. Als Beispiel kann ein kaputter Anlasser gelten – wenn der Wagen nicht anspringt, nützt der ausgefeilteste Zeitplan nichts mehr. Natürlich kann das auch zu Ärger in der Firma führen, weil man die sonderbaren Geräusche, die das Auto beim Start machte, einfach zu lange ignorierte, anstatt nachsehen zu lassen, denn es wäre vermeidbar gewesen. Vielleicht wäre man auch bei einem pünktlichen Start in einen Massenunfall geraten, der auf der Strecke passierte. Die Umstände führen plötzlich Regie, und wie eine Reihe von umstürzenden Dominosteinen führt eins zum anderen. Das muss nicht unbedingt negativ sein, jeder kennt wohl den an für sich schon orakelhaften Spruch: "Wer weiß, wofür es gut ist."
Das sind einige Beispiele, aber die mögliche Zukunft ist nicht exakt vorhersehbar. Und tatsächlich will der Ratsuchende auch nicht wirklich wissen, was morgen sein wird, oder jedenfalls selten. Meist geht es darum, zu wissen, was in der Gegenwart geschieht, denn die ist meist unübersehbar genug. Die Frage, ob der Job gewechselt werden soll oder ob der Partner untreu ist, bezieht sich nicht auf die Zukunft. Beides hat unweigerlich Auswirkungen auf das Kommende, aber zuerst muss hier Klarheit geschaffen werden. Die Zukunft gestaltet sich in dem Moment neu, in dem man sich über das, was gerade passiert, sicher ist.
Jemand, der ernsthaft einen Jobwechsel in Betracht zieht, hat sich mit Sicherheit schon umgesehen, mindestens aber informiert. Wer Untreue vermutet, tut das nicht aus Spaß, sondern hat Gründe für diese Annahme. Nur der Fragesteller selber weiß wirklich, wie sehr ihn die unbefriedigende oder stressige Arbeitssituation belastet, und Menschen, die in einer Beziehung leben, haben ein feines Gespür für allerkleinste Veränderungen.
Worum es im Endeffekt wirklich geht, ist es, den Zweifel auszuräumen. Es wird ein Weg gesucht, die Situation nicht mehr nur subjektiv wahrzunehmen. Also: "Bin ich nur momentan überfordert oder gelangweilt, oder ist es für mich wirklich nicht weiter tragbar, in dieser Firma zu arbeiten?" Im anderen Fall: "Verdächtige ich meinen Partner grundlos und bilde mir die kleinen Entfremdungen oder Signale nur ein, oder ist wirklich etwas geschehen?" Eigentlich ist es mehr eine Innenschau als ein Orakel. Die Zukunft ergibt sich aus dem, was man erfährt dabei.
Viele Medien zeigen Trends auf, mögliche Varianten. Der Tarot oder das I Ging weisen, wie auch viele andere Medien, auf entsprechende Verhaltensweisen oder Taten hin, welche die Dinge positiv bzw. negativ beeinflussen können und machen so eine Vorschau in gewissem Rahmen möglich. Tatsächlich zu "sehen", dass in einer Woche eine Tasse zerbricht oder jemand zu Schaden kommt, gehört mehr in die Sparte der Visionen. Die gibt es natürlich – aber sie stellen sich wohl nicht nach Bedarf ein.
Kristallseher – also Menschen, die mit Kristallkugeln arbeiten, sehen keinen farbigen Film in 3D, komplett mit Ton und Farbe. Es kommt hier darauf an, den Kontakt zum Unbewussten herzustellen. Bei einiger Übung und der dazu nötigen Sensibilität erschließen sich Botschaften, wenn auch eher vor dem inneren Auge als in der Kugel. Das Starren auf glänzende Flächen wie Spiegel, polierte Metallplatten oder auch Kristall bewirkt eine leichte Trance. Und somit – auch wenn das vielleicht sonderbar klingt – für eine klare Sicht der Dinge. Aber auch hier wird eher das Hier und Jetzt wichtig sein. Ereignisse, die in der Zukunft liegen, können wahrgenommen werden, doch sie sind nicht unveränderbar. Der stärkste Trend manifestiert sich als herausragende Möglichkeit, aber das kann sich durch tausende von Dingen ändern.
Sich auf das Orakel einzulassen, um die eigenen Wünsche, Ängste, Stärken oder Schwächen auszuloten, ist durchaus angebracht. Ebenso, wenn es darum geht, eine Situationsanalyse zu machen – schließlich beginnt die Zukunft in jedem nächsten Augenblick und wir haben da mehr als nur ein Wort mitzureden. Wer wollte aber den nächsten Tag Minute für Minute kennen, noch bevor er angebrochen ist?
© "Das Hier und Jetzt verstehen. Bereit für die Zukunft. Befragen Sie das Orakel – aber bleiben Sie ruhig": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Die Abbildung zeigt die Delphische Sibylle (Detail aus einem Fresko von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle), Lizenz: gemeinfrei.
Archive:
Jahrgänge:
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Rezensionen |
Krimi Thriller |
Ratgeber |
Sagen Legenden |
Fantasy Mythologie
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed