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Lesen Sie diese Geschichte ab dem I. Teil:
Wenn ein geliebtes Tier stirbt
Amy, die Socke, ist nun schon seit sieben Monaten Familienmitglied und hat sich nicht einfach eingelebt – sie hat sehr viel verändert. Entscheidet man sich für einen Hund einer bestimmten Rasse, kennt man gewisse grundlegende Eigenschaften im Voraus. Es handelt sich dabei zwar nur um ein grobes Raster, aber immerhin kann man einiges mit Sicherheit im Vorfeld festmachen. Wasserscheue Labradore sind äußerst selten, am besten deckt man sich mit jeder Menge schwimmender Frisbees oder Bällen ein. Dass ein Schäferhund ein Allroundtalent ist, weiß man – das ist ebenso klar wie die Riesenwiese für den irischen Wolfshund ein absolutes Muss ist.
Verliebt man sich in einen Mischling, dessen Eltern man kennt, kann man sich ebenfalls so einiges denken – was nicht bedeutet, dass Theorie und Praxis sich da wirklich nahe sind. Aber ein Hund wie Amy, von dem man absolut nichts weiß, was seine Abstammung betrifft, ist eine Art pelziges Roulette und ungeheuer spannend. Was man von Amy sicher wusste, waren Alter, Geschlecht und ... eigentlich gar nichts sonst. In Rumänien werden seit Jahrhunderten bestimmte Schläge grob gezüchtet – als Gebrauchshunde für Herde, Hof und Jagd. Das Aussehen ist dabei eher zweitrangig, was den Hunden eher zugutekommt. Sie vermehren sich – gehören sie den vielen Streunern an – völlig unkontrolliert.
Was nun bei Amy einerseits gefördert und andererseits gedämpft werden müsste, wusste man also nicht – man ließ sich einfach überraschen. Und darauf versteht sich diese Socke am allerbesten, wahrscheinlich ist sie das Produkt einer Wundertüte und eines Rätselwürfels. Irgendwann hat sie, wie man das schon nachlesen konnte, gelernt, wie man Türen aufmacht. Wie man sie schließt, hat sie beim Lernen ausgespart und sorgt damit für Bewegung. Schließlich legt man nicht immer auf Durchzug Wert und kommt auf diese Weise zu mehreren zusätzlichen Trainingseinheiten. Verboten hat ihr das natürlich niemand, denn es hat auch einen praktischen Effekt: hat sie auf eine ihrer Decken gelegen und den allgemeinen Aufbruch in den Garten oder das Wohnzimmer verschlafen, muss man sie nicht holen. Sobald sie merkt, dass niemand mehr in der Nähe ist, nutzt sie ihren Trick, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Dass Hunde bellen, ist eine Tatsache – damit müssen Nachbarn nun mal zurechtkommen, solange die Mitteilungswut Lumpis nicht zur Belästigung wird. Es gibt Hunde, die mehr zu Lautäußerungen neigen als andere, also – wie es im Fachjargon heißt – einen lockeren Hals haben. Der eine wufft einige Male heiser, wenn es klingelt, und hat damit seiner Meldepflicht Genüge getan, der andere muss zur Ordnung gerufen werden, damit er wieder mit seinen Bekundungen aufhört. Pausenlos kläffende Hunde sind nicht gerade sehr beliebt – auch nicht bei den eigenen Herrchen und Frauchen.
Amy beobachtet von ihrem Aussichtspunkt am Erkerfenster das für sie einsehbare Stück Straße und die Vorgartentüre. Nähert sich nun jemand dem Haus, springt sie wie der Blitz an die Türe, um zu sehen, wer da wohl kommt. Hat sie die Person erkannt, drückt ihr ganzer Körper freudige Erwartung aus – aber sie bellt nicht. Wird Amy von der Türglocke überrascht, geschieht das Gleiche – wie der Blitz saust sie hin und legt den Kopf schief. Weiß sie, dass einer ihrer "Fans" da draußen steht, lässt sie ein begeistertes Winseln hören.
Unterschiede zwischen Bekannt und Unbekannt macht sie allerdings sowieso nicht – wer eingelassen wird, muss sich ihre Begrüßung gefallen lassen. Anfangs sprang sie an jedem, aber wirklich jedem Menschen, der ihr sympathisch schien (also an allen) hoch und verstand gar nicht, wieso das nicht jeder mochte. Draußen tat sie es natürlich auch – was dem anderen Ende der Leine die eine oder andere säuerliche Zurechtweisung einbrachte. Man fragt sich allerdings, wieso die Leute erst einmal "Na, duuuu bist aber ein süßer Hund" säuseln, um dann überrascht zu sein, wenn die von den Worten betörte Amy an ihnen hochhüpft. Klar – ein gut erzogener Hund tut das nicht, ich weiß. Aber wer hat gesagt, dass die Socke ein gut erzogener Hund ist?
Diese unkontrollierten Begeisterungsbezeugungen haben sich "gelegt" – nachdem die kluge Amy begriffen hatte, dass das nicht jeder mag – und ihr "Hintermann" eigentlich auch nicht – tut sie es nur noch selten. Und tatsächlich nur bei den Menschen, denen es nichts ausmacht – sie kennt den Unterschied mittlerweile genau. Hundeerziehung ist wichtig – das steht außer Frage. Amy darf auf der Straße niemanden belästigen – sie tut das auch nicht, außer man spricht sie zuerst an. Es gibt immer noch Leute, die es für witzig halten, zu pfeifen oder mit der Zunge zu schnalzen, sobald sie einen Hund sehen. Darauf reagiert Amy allerdings kaum. Obwohl eine dunkle Macht in mir diesen sonderbaren Menschen den einen oder anderen Pfotenabdruck auf der hellen Hose durchaus gönnen würde ...
Mittlerweile ist es mit Amy sehr sicher auf ihrer Gassiroute – läuft sie frei und ein Spaziergänger ohne Hund nähert sich, ignoriert sie diesen, nachdem sie ihn eine kurze Weile beobachtet hat. Sie reagiert auf den Abruf, sie weiß, dass sie nicht hinlaufen darf. Das klappt sogar bei Leuten, die mit Hund unterwegs sind. Wenn sie allerdings zweifelsfrei einen ihrer Kumpel identifiziert hat, nützt zugegebenermaßen weder Pfeifen noch Rufen ... natürlich gibt das Schelte von erfahrenen "Hundeführern", schließlich muss ein Hund ja in jeder Lage sofort auf das entsprechende Kommando hören.
Kann ja sein – aber warum sollte ich Amy das Hundeherz zum Stolpern bringen und sie abrufen, wenn sie einen ihrer Freunde erkennt, der schon auf sie zugelaufen kommt ... nur um ihr in diesem Moment absoluten Gehorsam abzuverlangen? Dafür kommt sie auf Pfiff gelaufen, auch wenn Lucky, Silva oder Bero dann in die andere Richtung mit Herrchen oder Frauchen davongehen, wenn es einige Minuten herrlichen Gerangels und Sprintens gegeben hat.
Das Band zwischen Hund und Mensch wird stärker – das Zusammenleben bringt es mit sich. Und dieses Band ist das Schöne an solch einer Freundschaft – Kadavergehorsam ist lange nicht so wichtig. Denn wie die Erfahrung zeigt: je stärker das Band, desto verlässlicher der Hund.
© Text und Foto zu "Hundeerziehung: Das Band zwischen Hund und Mensch": Winfried Brumma (Pressenet), 2013.
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