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Studien zufolge gibt es zehntausende von Arbeitnehmern, die – da sie bei Zeit- und Leiharbeitsfirmen beschäftigt sind – Zuzahlungen von der Arge benötigen, um überhaupt ihr Leben finanzieren zu können. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass es weitaus mehr Menschen betrifft und dass die Tendenz steigend ist.
Nun wird Vollzeitarbeit mit minimalisiertem Einkommen schon fast als normal betrachtet und hingenommen – zwangsweise. Wir sprechen hier von Menschen, die acht Stunden und mehr arbeiten, Schichten fahren und trotz allem aufstockende Zahlungen in Anspruch nehmen müssen. Das bedeutet im Klartext, sie haben nicht mehr als das Nötigste. Es klingt vielleicht etwas überzogen, aber tatsächlich kostet Arbeit auch etwas. Wer außer Haus einer Tätigkeit nachgeht, braucht Geld dafür. Das fängt mit Buskarten an, betrifft Kleinkram wie Thermoskannen oder Mehraufwand für Lebensmittel und Kleidung. Wer an der untersten Einkommensgrenze angekommen ist, kann solche Ausgaben mit Sicherheit nicht mit einer Handbewegung abtun.
Man sollte sich die Situation der Betroffenen vor Augen führen: dass sie trotz Vollzeitbeschäftigung nicht über dem Hartz-IV-Niveau liegen, ist nur eine Seite der Medaille. Da sie, wenn auch nur zehn Euro von der Arge gezahlt werden sollten, ihre Kontobewegungen grundsätzlich offenlegen müssen, sind sie ebenso unfrei wie Hartz-IV-Bezieher, die nicht in Arbeit stehen. Es gibt da keine Unterschiede. Die Höhe der Zuzahlungen spielt dabei keine Rolle. Das bedeutet im Klartext, dass Arbeit nicht vor Unfreiheit oder Armut schützt.
Wer einmal in die Falle der Zeitarbeit geraten ist, kommt nur schwer wieder heraus. Viele Firmen, die Produktionshelfer, Reinigungspersonal oder Küchenhelfer suchen, nehmen Zeitarbeitsfirmen in Anspruch. Es ist für sie weitaus bequemer – da sie das Arbeitnehmer-Management auf diese Weise delegieren können. Aber es wäre falsch zu glauben, dass es dabei bleiben wird.
Falls nicht irgendjemand "Halt" sagt, werden die Dienstleistungsbereiche, wie zum Beispiel die Pflege von Kranken und Senioren, verstärkt in das Visier der Zeitarbeitsfirmen geraten. Die ausgebildete Fachkraft mit hervorragenden Zeugnissen könnte davon bald ebenso betroffen sein wie – in letzter Konsequenz – Lehrer, Erzieher und viele andere Berufe, die ein Studium voraussetzen. Ist es einmal so weit gekommen, werden Löhne wie Gehälter kaum noch zum Leben reichen.
Wie sich diese Situation auf die Qualität der geleisteten Arbeit auswirken würde, ist vorstellbar.
Wer hart arbeitet, braucht auch Erholung, bzw. hat das Recht dazu. Aber auch das will finanziert sein. Dabei geht es nicht um Urlaubsreisen – in der Zukunft könnte ein Besuch im Erlebnispark oder Kino schon zu teuer sein – auch für solche Arbeitnehmer, die sich nicht als "Helfer" verbraten lassen müssen.
Leider ist es so, dass sich Bezieher von Bezügen bei Zeitarbeitsfirmen bewerben müssen, da sie sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Kürzungen der so schon knappen Hilfen rechnen müssen. Hier werden also Menschen dazu gezwungen, die Armut im Land zu vergrößern, den Arbeitsmarkt dysfunktional zu halten und sich praktisch als Sklaven zur Verfügung zu stellen. Wobei durchaus nicht klar ist, inwieweit diese Art der Nötigung tatsächlich rechtlich durchsetzbar ist.
Ein Boykott sämtlicher Zeitarbeits- und Leihfirmen müsste von Firmen und Arbeitskräften ausgehen. Erstere werden sich hüten, die Polsterung aus den Chefsesseln zu reißen und wieder mehr Arbeit und Zeit in das Personalmanagement zu stecken – die Anderen haben zu viel Angst. Die Schraube der Kosten wird unerbittlich zugezogen und das Wenige, das zur Verfügung steht, darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Vor allem dann nicht, wenn ganze Familien betroffen sind.
Ziviler Ungehorsam kann teuer werden, aber tausende von Menschen, die sich der Sklaverei verweigern, haben letztendlich eine Lobby. Angst kann überwunden werden, Gemeinschaft vermindert Druck. Die Zeitarbeitsfirmen werden den Arbeitsmarkt in Zukunft so sehr schädigen, dass die Auswirkungen auf die Wirtschaft irreparabel sein könnten.
© "Wie macht man das kaputt, was einen kaputt macht. Ziviler Ungehorsam als letztes Mittel gegen Armut?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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