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Es gibt immer weniger Raucher, so heißt es jedenfalls, und tatsächlich scheint das späte Schnullersyndrom gerade bei jungen Menschen rückläufig zu sein. Das hört sich gut an, denn es zeigt ein gewisses Verantwortungsdenken in Bezug auf die eigene Gesundheit und die anderer Menschen.
Bei einem Stadtbummel fällt der Unterschied ein wenig ins Auge, bzw. in die Nase. Wo noch vor Jahren die Fußgängerzonen vernebelt waren – sprich: kaum jemand ohne brennende Zigarette zu sehen war – ist das weitaus seltener geworden. Massenhaft Kippen findet man nur noch vor den Sitzbänken in den Parkanlagen.
Zigarettenautomaten gab es früher viel mehr als heute. Jede längere Straße verfügte praktisch über so ein Ding, und von 2001 bis 2017 wurde der Bestand von mehr als 800.000 auf 340.000 Automaten reduziert. Da konnte man spätabends und nachts noch erstaunlich oft Leute treffen – manchmal solche, die zwar im Mantel, aber dafür mit Pantoffeln unterwegs waren. Mancher hatte die Zigaretten vergessen und konnte nicht einschlafen ohne eine letzte Flumme. Außerdem muss die Frühstückszigarette gesichert sein, irgendetwas muss den morgendlichen Husten ja anleiern.
Einfach wird es den Rauchern nicht mehr gemacht, sie müssen weitaus öfter auf ihre kleinen Haltegriffe verzichten – in Restaurants zum Beispiel und in Cafés. Im Kino herrscht absolutes Verbot – was die freie Sicht auf die Leinwand nicht mindert. In einigen Kinos gab es früher Aschenbecher – und führte zu erheblichem Nebelaufkommen, was nicht immer zum Film passte. Aber da das Rauchen immer weniger gesellschaftsfähig wird und auch die gesundheitlichen Risiken stärker in das Bewusstsein der Menschen tritt (... man kann auch bei größter Anstrengung nicht alles verdrängen), haben sich innovative Leute etwas ausgedacht: die elektrische Zigarette.
Man inhaliert mit diesem Ding nicht wirklich Rauch, sondern eher Dampf ... es ist eine Art Miniwasserpfeife für das Zigarettenetui, allerdings ohne Tabak. Verbrannt wird dabei nichts, also Rauch entsteht nicht. Da kein Tabak benutzt wird, greift die Zigarette auf eine Flüssigkeit – das Liquid – zurück. Dieses ist mit verschiedenen Inhaltsstoffen wie Aromen und auch Nikotin in verschiedenen Dosen (nach Hersteller) versetzt. Durch Wärmeentwicklung verdampft die Trägerflüssigkeit, was die Illusion des Rauchens vermitteln soll. Die E-Zigarette soll, so viele Befürworter, bei der Entwöhnung helfen – ebenso wie ein Nikotinpflaster. Und genau da setzt die Kritik ein. Erstens einmal ist das Inhalieren verschiedener Stoffe nicht grundsätzlich gefahrlos für die Gesundheit – Nikotin ist auf jeden Fall ja enthalten, wenn auch der Teer fehlt.
Wer also mit dem Rauchen aufhören will, soll das genau damit bewerkstelligen, dass er ein Ersatzprodukt konsumiert, das ihn ständig an seine Sucht erinnert und somit daran koppelt. Da einiges, was die Sucht betrifft, Kopfsache ist, wird das nicht funktionieren. Ebenso wenig wie Methadon das Wundermittel für den Heroinentzug ist, als das es angepriesen wurde. Die Sucht wird dabei nur durch eine andere ersetzt – die Süchtigen, die in einem Programm sind, müssen sich nicht um die Beschaffung sorgen. Beim elektrischen Rauchen soll das "echte" Qualmen ja simuliert werden – wie soll das jemandem helfen, von der Sucht loszukommen?
Nikotin ist nicht das Problem – es bleibt nicht lange im Körper – verflüchtigt sich rasch. Zündet man sich eine halbe Stunde lang keine neue Zigarette an, ist der körperliche Entzug praktisch vorbei ... es gibt ihn nicht. Wenn ein Raucher zittert, aggressiv wird und Kopfschmerzen bekommt, liegt es garantiert nicht am Nikotinhunger, der den Körper peinigt – sondern an der Justierung im Kopf. Wer sich aber Nikotin ständig zuführt, bleibt bei der Sucht. Deshalb bringen Raucherpflaster nichts – sie sind eine Ersatzdroge für Raucher, die am Rauchen gehindert werden. Wer im Krankenhaus liegt und sich nicht bewegen kann, wird nicht in die Raucherecke schlurfen können, um sich eine Zigarette anzuzünden. Deshalb werden in den Kliniken sogar Pflaster verwendet – und somit die Sucht am Leben gehalten. Zum Aussteigen taugt ein Raucherpflaster keineswegs – da es genau das zuführt, wovon man sich lösen will. Also ist die E-Zigarette ein Suchtfestiger, und mit Sicherheit kein Helfer für die Entwöhnung. Es gibt – und das wird jeder gewesene Raucher bestätigen können – nur eine einzige Art, damit aufzuhören: nämlich einfach aufhören. Herunterdosieren klappt in den seltensten Fällen, da ist es wirklich wie bei Heroin.
Man steckt sich die nächste Zigarette nicht an – nach einigen Minuten wird der Körper über den verhinderten Nikotinschub weggekommen sein – das Gehirn allerdings noch nicht. Das kann allerdings sehr schnell folgen. Erstaunlich viele Raucher haben sich vor dem Ausstieg Sorgen darüber gemacht, was sie wohl mit ihren Händen anfangen sollten. Und nach der bewusst letzten Zigarette hat keiner mehr an so etwas gedacht – einfach weil die Hände frei waren. In jeder Hinsicht frei.
Elektrische Ersatzschnuller sind Platzhalter für die Sucht – vielleicht sogar ein Einstieg. Wer wirklich weg will von den kleinen Lebensstehlern, der lässt sie einfach da, wo sie sind: im Laden, im Automaten oder sonst wo. Ganz gleich, ob sie nun Rauch oder Nebel produzieren.
© "Das elektrische Rauchen: Rauch oder Nebel – das ist hier die Frage": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Bildnachweis: Feuer und Rauch, CC0 (Public Domain Lizenz).
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