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Das heimische Idiom, also der lokale Dialekt, ist ebenso der Veränderung unterworfen wie alles andere auch. Das bedeutet, dass liebgewordene Begriffe verschwinden, langsam aber stetig – bis zu dem Punkt, an dem jüngere Leute keine Ahnung haben, was gemeint ist.
Dialekt kommt im Großen und Ganzen ohne Lehnworte aus anderen Sprachen aus. Amerikanismen zum Beispiel haben da sehr wenig Raum. Aber in manchen Gegenden, vor allem in Grenzgebieten, sieht es wieder etwas anders aus. So etwa wie in Südwestdeutschland, hart an der Grenze zu Frankreich. Dort nämlich haben sich manche Begriffe, schön nach lokaler Mundart "überarbeitet", lange Zeit gehalten.
Wenn das "Blimmo" an einem kalten Wintermorgen ungebührlich verrutschte, ging ein entsetzter Blick zum "Blaffo", bevor man – halbwegs erwacht – die Sache richten konnte. Die Rede ist vom Federbett, das im französischen "Plumeau" heißt, in lokalem Deutsch dann aber zu "Blimmo" wurde. Das "Blaffo" war nichts anderes als die Zimmerdecke – das "Plafond" eben. Heute sprechen vielleicht die ganz Alten noch so, gemeinhin hört man diese Worte nicht mehr. In der Kindheit war das "Troddwa" etwas, das man auf gar keinen Fall zu verlassen hatte – auf dem "Trottoir" nämlich war man vor dem Autoverkehr sicher. Eine Couch gab es in kaum einem Wohnzimmer, denn Opa saß auf dem "Schesslong" – ob es sich nun um eine Klappcouch oder eine Wohngarnitur handelte ... alles was breiter als ein Sessel und gepolstert war, wurde eben "Schesslong" genannt.. In Frankreich hießen die Teile "Chaise longue" und gehörten zur eleganten Wohnkultur.
Urgroßmutter setzte ihren schwarzen Sonntagshut auf, griff nach dem säuberlich eingerollten "Barrablee" und ging zur Kirche – es bedarf einiger Phantasie, um darin einen "Parapluie" zu erkennen, einen Regenschirm. Uroma geizte auch nicht mit der Sprache – insgesamt gab es mehr Selbstlaute. So goss sie "Millisch" in ihren Sonntagskaffee, nicht etwa Milch. Der Arm wurde "Arem" genannt, und es war auch nicht kalt sondern "warem". Die Wortverkürzungen stellen nicht unbedingt eine Verbesserung für das Ohr dar – es ist allerdings Geschmackssache – man denke an das alte Wort "Adelar" für Adler – das klingt irgendwie dramatischer und wahrscheinlich auch schöner. Man ging auch zum "Johrmarik" – nicht etwa, wie heute, zum "Johrmagd".
Es konnte auch vorkommen, dass irgendeine Tante in den höchsten Tönen von einem Kleid schwärmte, das sie irgendwo gesehen hatte, und vor allem waren die "Wollascha" so "schäh" gewesen. Damit meinte sie die Volants, also die Rüschen. Die Silbe "scha" ist eine Verkleinerungs- bzw. Verniedlichungsform. Das Kleid hatte also hübsche kleine Volants gehabt. Ohne Training kann man das nicht so ohne weiteres übersetzen. Mit Wörtern aus dem Englischen tat man sich ebenso schwer – die neu aufkommenden Blue Jeans wurden "Blu Tsching" genannt. Jeder wusste, was gemeint war. Heute klingt das eher wie eine Rap Gruppe.
Im Allgemeinen war die alte Sprechweise in der Gegend etwas weicher und melodischer – so nannte man einen Schrank grundsätzlich "Schonk" – das O wie in "Sorge". Heute ist daraus der "Schronk" geworden. Ein Schränkchen war ein "Schänkel", und so konnte es dazu kommen, dass eine Dame im Laden nach "zwä Schänkelscha" fragte und vom Verkäufer die Antwort bekam: "Awwa Sie honn doch zwää." Im modernisierten Dialekt hätte sie nach "Schränkscha" gesucht. Unterscheidungen im Sinne von Kleider-, Küchen- oder Bücherschrank gab es, sprachlich gesehen, eigentlich nicht. Mit Türen versehene Stauplätze waren grundsätzlich "ä Schonk". Und trotzdem fanden die Dinge ihren richtigen Platz – jedenfalls meistens.
Sollte heute jemand einem Jugendlichen etwas vom "Wassastäh" erzählen, wäre ein erstaunter Blick die Folge. Das Wort meint "Wasserstein", also Wasserbecken. Das "Stein" bezieht sich auf das Material, aus dem die Becken früher bestanden, Marmor oder Porzellan in den meisten Fällen, wobei letzteres ja auch Steingut genannt wird. Als die Edelstahlspülen nach und nach die Küchen eroberten, wurden sie noch lange "Wassastäh" genannt – auch wenn sie damit überhaupt nichts mehr gemein hatten. Aber auch da wussten noch alle, was gemeint war.
© "Wies gemännt is – Gedanken über die Sprache": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Bildnachweis: Sprechen Sie Deutsch?, CC0 (Public Domain Lizenz).
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