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Münzen und Briefmarken – beide haben viel gemeinsam: es sind kleine Reisende. Münzen findet man an den unwahrscheinlichsten Orten, zum Beispiel in Zuckerdosen, Hosentaschen oder Geldbörsen. Seltener kommen sie in Spardosen vor, recht häufig allerdings findet man sie in der Waschtrommel oder im Trockner.
Sie gehören zum Leben, die kleinen runden Metallobjekte mit den geprägten Bildern. Sie haben sich eine ganze Abteilung in unserer Sprache gesichert. Die zwei Seiten einer Münze sind ebenso sprichwörtlich wie das "Zurückzahlen in der gleichen Währung" und "auf Heller und Pfennig". Unfreundliche Äußerungen werden nicht selten auf jemanden "gemünzt", und "das nötige Kleingeld" macht das Leben angenehmer.
In anderen Kulturen gehören Münzen zum traditionellen Hochzeitsstaat, ein Symbol für Reichtum und Fülle, und ein Vermehrungszauber gleichzeitig. Ganze Romane drehen sich um Münzen, und die dreißig Silberlinge der biblischen Geschichte sind als Judaslohn zu einem stehenden Begriff geworden.
Aber was haben diese kleinen Metallscheibchen an sich, dass sie zu einer solchen Größe in unserem Leben geworden sind?
Geldscheine haben diesen Status eigentlich nie erreicht, obwohl sie auch mit Bildern versehen sind. Allerdings kann man mit ihnen nicht in der Tasche klimpern ... sie klingen nicht. Vielleicht ist der Ton das Geheimnis? Als das Volk der Lyder etwa um 600 vor Christus die ersten Münzen prägte, war das eine geniale Idee, um den Zahlungsverkehr zu vereinheitlichen, und das Konzept schlug ein wie eine Bombe. Vorher hatte man Metallbarren oder Figuren benutzt, oder Waren getauscht. Diese ersten schmuck- und eher formlosen kleinen Teile wurden mit der Zeit verfeinert und mit Prägungen versehen. Als Motiv setzten sich Herrscher- oder Götterbildnisse durch. Es gibt wundervolle Beispiele antiker Prägekunst-Kleinodien, die jeden Sammler in Entzücken versetzen. Der Materialwert ist dabei nebensächlich, aber wenn man sich vorstellt, was eine korinthische Silbermünze erzählen könnte ...!
Seit es sie gibt, waren sie fast immer dabei gewesen ... mitgeführt in Truhen auf Feldzügen, vor Herrschern als Tribut dargereicht oder in Tempeln einer Gottheit geopfert, auf einem Piraten- oder Kauffahrtsschiff bewacht. Um sie entbrannten Schlachten, um sie wurde gezittert ... sie waren und sind der Lebensinhalt so manches Menschen. Münzen sind aber auch Vermittler, ihre Sprache wurde immer und überall verstanden, und viele beständige Dinge wurden mit ihrer Hilfe zustande gebracht. Sie sind ein Element für sich, das um uns herum existiert und genutzt werden kann. Und, wenn man sich näher damit beschäftigt, auch geliebt.
Was den Geldscheinen nie gelang, erreichte mühelos ein kleines bedrucktes Stückchen Papier – die Briefmarke wurde zum Sammlerobjekt. Als im Jahre 1837 Sir Rowland Hill eine Postreform in Großbritannien forderte, band er die Idee der "Wertmarke" in seine Kampagne ein. Der Grundgedanke war ein postalisches "Prepaid-System", bei welchem der Versender das Porto bezahlte. Das auf Briefen oder Päckchen platzierte kleine Papier galt sozusagen als Quittung dafür, dass die Gebühr bezahlt war. Für uns heute selbstverständlich, war dies damals ein revolutionierendes Novum. Sir Rowland ahnte wohl nicht, was er da lostrat.
Für Teile des Designs war Sir Rowland auch zuständig – und so entstand 1840 die "One Penny Black", die legendäre erste Briefmarke der Welt, mit dem Bildnis der Königin Victoria. Seit dieser Zeit haben außer Herrschern auch Gelehrte, Erfinder und Entdecker, Schauspieler und Märchenfiguren die Briefmarken geziert. Von Blumen bis Tieren, Bauwerken und Veranstaltungen gibt es eigentlich kaum etwas, das sich noch nicht auf einer Marke als Motiv befunden hätte. Spezielle Motive wurden als Sondermarkenserien herausgegeben – eine eigene Bilderbuchwelt.
Briefmarken sammeln war eigentlich ein anderes Wort für Freizeitbeschäftigung. Von den Sammlern, die seltenste und kostbarste Exponate hüten, bis hin zu den Kindern, die sehnsüchtig auf Post von der Tante aus Amerika warteten ... der Briefmarke wegen. Briefmarkenalben gehörten praktisch zur Einrichtung und zu jeder Familie, und sie sollen sogar bei der Festigung zwischenmenschlicher Beziehungen eine große Rolle gespielt haben – so ist die Frage "Darf ich dir meine Briefmarkensammlung zeigen?" sprichwörtlich geworden.
Anders als Münzen treten die Marken nur einmal eine Reise an, sie bleiben für gewöhnlich an ihrem Bestimmungsort. Oder sie wechseln den Besitzer und wandern in ein Album. Sie sind sehr empfindlich und müssen sorgsamst behandelt werden, Sammler umgeben sie mit Respekt und Liebe. Aber viele dieser Postwertzeichen befinden sich unbeachtet in Schubladen und Kästen, auf alten Briefumschlägen oder Postkarten. Dabei sind sie unbestechliche Zeitzeugen, kleben auf Feldpost aus Schlachten, begleiten Liebesbotschaften oder auch Kondolenzbriefe. Sie sind ein Symbol für die Botschaft, denn erst wenn die Marke aufgeklebt ist, kann der Brief verschickt werden. Nichts kann mehr zurückgenommen werden, die Mitteilungen werden real auf den Weg geschickt.
Wie viele Briefe sind lange liegen geblieben oder wurden nie abgeschickt, weil keine Marke zur Hand war. Oder eben das Kleingeld für den Automaten fehlte ... sie gehören wohl irgendwie zusammen, die meist sofort wieder vergessenen kleinen Abenteurer. Sie bewirken vieles auf ihren Reisen, und wenn sie angekommen sind, können sie die Phantasie anregen, Geschichten erzählen und Verbindungen schaffen. Anders als bei vielem gab es keinen Karriereknick, seit ihrer Erfindung halten sie sich ganz oben, nicht nur die Prominenten ihrer Art, auch die einfachen Vertreter.
Eine solche echte Erfolgsstory hat außer dem Rad wohl nichts aufzuweisen. Es würde nicht schaden, wenn wir da ab und an ein wenig genauer hinsehen und unseren Gedanken einen Abstecher in die erstaunliche Welt der Münzen und Briefmarken erlauben würden.
© "Mit Briefmarken und Münzen die Welt entdecken": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Die Abbildung zeigt die erste deutsche Briefmarke, den Schwarzen Einser, Lizenz: Public domain.
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