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Hund beißt Mann ist wohl nichts Außergewöhnliches und passiert wohl öfter, aber Mann beißt Hund ist bislang wohl noch nie vorgekommen.
Der Briefträger Klaus H. wurde beschuldigt, am 14. Mai 2013 den Chihuahua "Filou" in die linke Wade gebissen zu haben. Der Kläger Armin R. wies darauf hin, dass sein Hund an Bewusstseinspaltung leidet und der Meinung ist, er sei ein Alligator.
Der Kläger legte auch Fotografien und Gutachten vor, die bestätigten, dass "Filou" sich als Alligator sehe und von Herrn Klaus H. gebissen worden war. Es fand eine Gerichtsverhandlung statt, und bis es soweit war, schlug dieser Fall in den Medien hohe Wellen.
Es bildeten sich zwei Lager – eines, das zum Beklagten hielt und eines, das zum Kläger hielt – das letztere Lager war eindeutig größer. Der Tierschutzbund wurde eingeschaltet und die Tierfreunde liefen zu Höchstform auf, schrieen etwas von "Selbstjustiz" und verlangten die härteste Bestrafung des "Täters". In verschiedenen Internet-Foren wurde zur Ermordung des Klaus H. aufgerufen. Seine Adresse war bald bekannt und Drohbriefe mit Androhung seiner Ermordung und übelsten Beschimpfungen, Beleidigungen usw. kamen täglich bei ihm an.
Sein Telefon klingelte ununterbrochen, und was ihm dort so alles gesagt wurde, wollte Klaus H., der schließlich Polizeischutz anforderte, nicht wiederholen. Es wäre ihm sowieso nicht geglaubt worden. Die Polizei indessen sagte ihm, sie kämen erst, wenn ihm etwas angetan worden wäre – also erst, wenn ein Mordversuch ihm gegenüber stattgefunden hätte und er im Krankenhaus oder auf dem Friedhof läge.
Klaus H. wurde noch anderer ungeklärter "Verbrechen" bezichtigt, was sich zwar als haltlos erwies, aber in den Köpfen seiner Feinde stand Klaus H. als Täter diverser übler Verbrechen fest. Die Stimmung im größeren Lager war hochexplosiv. Klaus H. und seine wenigen Freunde schüttelten ungläubig den Kopf und auch Klaus H.s Rechtsanwalt Harald N. wurde nicht von Drohungen verschont.
Nach, wie es Klaus H. schien, unendlich langer Zeit fand am 21. Oktober 2013 endlich die Gerichtsverhandlung statt. Klaus H. wurde mit Pfiffen und Buhrufen von den Anhängern des Klägers empfangen. "Filou" konnte vor Gericht nicht erscheinen, da er immer noch in ärztlicher Behandlung sei, erklärte der Kläger, dessen Anwalt, Martin G. zudem noch mit immer unsinnigeren Anträgen eine Verschleppung der Verhandlung erreichte. Was er damit bezweckte, konnte niemand erahnen und auch die Richter waren mehr und mehr genervt. Allerdings nicht so sehr vom Gebaren des Klägers und seines Anwalts, sondern mehr vom Beklagten und dessen Anwalt, von dem es immer mehr ersichtlich war, dass er lieber die Gegenseite vertreten hätte. Und immer wieder floss vom Kläger, seinen Freunden und dem Anwalt des Klägers das Wort "Selbstjustiz" in den Fortgang der Verhandlung ein.
Endlich ging es mit dieser wieder voran und "man" kam wieder auf den eigentlichen Grund der Verhandlung. Die körperlichen Beschwerden "Filous" seien jetzt wohl abgeheilt, aber psychisch sei noch sehr viel im Argen, und "Filou" wurde von einem Hundepsychologen, Herrn Dr. Jürgen M., der in der Verhandlung auch aussagte, behandelt. Herr M. erklärte langatmig, ausführlich mit vielen Fachausdrücken, die kein Mensch verstand und mit der Zeit ziemlich langweilig, dass "Filou" noch lange in seiner Behandlung (die natürlich sehr teuer war) sein müsste. Der Hund sei sehr angeschlagen und zusätzlich zu seiner Bewusstseinsstörung würde er immer aggressiver und erkannte sein eigenes Herrchen nicht mehr. Zusätzlich zum Beweis für die Bewusstseinspaltung erklärte der Hundebesitzer, "Filou" würde seit einiger Zeit Spinat und Brokkoli fressen. Allerdings unterließ es Armin R. den Richtern zu sagen, dass Alligatoren Brokkoli und Spinat nur dann fressen, wenn sie großen Hunger haben und nichts anderes zum Fressen da ist.
Der Beklagte indessen erklärte, der Hund habe ihn aggressiv angegriffen. Und er war auch der Meinung, einen Alligator vor sich zu haben, da es schon dunkel war und die Geräusche des Tieres nicht unbedingt auf einen Hund schließen ließen. "Filou" habe zwar schon gebellt, aber das habe sich nicht wie Bellen eines Hundes angehört. Ein "Belltest" wurde anberaumt, aber erst später, da ja "Filou" aus bekannten Gründen nicht zur Stelle war. Klaus H. habe erst später erfahren, dass er einen Hund gebissen habe. Dazu war dem Beklagten bewusst, was der Kläger wohlweislich verschwiegen hatte: dass Alligatoren Spinat und Brokkoli nur dann fressen, wenn nichts anderes da sei.
Das allerdings wurde vom Gericht nicht berücksichtigt, da es nicht um die Fressgewohnheiten eines Alligators äh Hundes ging, sondern nur darum, dass das Tier gebissen worden war.
Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Die Entscheidung über den Fall wurde der nächst höheren Instanz überlassen.
Wieder dauerte es einige Monate, bis die nächst höhere Instanz eine Entscheidung fällen konnte. Dazu wurden noch mehrere Gutachter hinzugezogen, und nach Anhörung dieser kam das Gericht zu folgenden Spruch. Dem Alligator- bzw. Hundebesitzer wurde befohlen, seinem Haustier einen Swimmingpool zu bauen und für entsprechend und genügend Nahrung für das Tier zu sorgen. Der Beklagte wurde dazu verdonnert, eine Umschulung als Alligatorhüter zu machen. Die Kosten des Verfahrens wurden aus der Staatskasse entnommen.
Die Freunde des Klägers sowie der Kläger selbst und sein Anwalt waren mit dem Urteil nicht zufrieden und wollten weitermachen und die nächst höhere Instanz einschalten, was aber gerade noch abgewendet werden konnte.
Der Beklagte war allerdings mit der Umschulung zum Alligatorhüter zufrieden, weil diese Umschulung in Florida stattfinden sollte. Inzwischen ist der Beklagte in Florida, hat seine Umschulung erfolgreich abgeschlossen und hat mitgeteilt, dass er nicht mehr nach Hause kommen würde. Seine Dienste würden in Florida benötigt. Was er sonst noch mitteilte, darüber sollte des Sängers Höflichkeit schweigen.
Eine fiktive nicht ganz ernst zu nehmende, aber bedenkenswerte Story der Autorin Ulla Schmid. Alle Bücher von Ulla Schmid auf ihrer Autorenseite.
© "Mann beißt Hund" – eine Story der Autorin Ulla Schmid. Bildnachweis: Winfried Brumma (Pressenet), 2014.
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