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Wenn sich irgendwer von der Familie und den engen Freunden wieder traut, böse mit einem zu sein ... das ist doch ein sicheres Zeichen von Besserung, oder? Krebs ist "so eine Sache" – eine, die neben der Angst auch eine andere, eher praxisbezogene Seite hat. Die besteht darin, dass man das bisschen Leben, das man so in den Händen hält, kaum noch meistert. Dass man sich nicht mehr traut, auch nur noch einen Meter zu fahren, weil man gleich einnicken wird.
Der Krebs, die Krankheit, die Therapie – das sind Dinge, die ein riesiges "Nur für Mitglieder-Clubhaus" ergeben – eins, das eine eigene Sprache und vor allem eine eigene Landkarte hat, auf der sich nur die Eingeschriebenen zurechtfinden. "Kochst du schon?" Das ist eine Frage, die ein Nichtbetroffener so nicht verstehen kann. Dahinter steht das Wissen um die Erschöpfung, die Müdigkeit und die Gebirgskette, die aus Gipfeln wie "Heimtragen – Schneiden – Kochen – Wegräumen" besteht und die jedes Mal gemeistert werden muss. Was bleibt, ist oft Fastfood – nicht übermäßig gesund, aber moderat in diesem besonderen Club.
Jeder Krebs ist anders? Sicher, und die Reaktion der Menschen ist auch anders – auf den Krebs, das Zellenmonster reduzieren ist die weitaus häufigste Reaktion der Anderen. Die Anderen, das sind eben die Anderen.
Wer, wie Beate und Ijana, Krebs hatte oder hat, ist eine Krebsschwester. Ob man sie persönlich kennt oder nicht. Der Vergleich mit Geschichten aus der Anderswelt drängt sich auf ... eine Welt, die am gleichen Ort existiert wie die, welche wir als real ansehen und die doch eigene Gesetze hat. Der Übergang ist einfach – man muss ihn bloß haben, den Krebs. Dann ist alles anders – auch wenn kein weißes Kaninchen zum Tee lädt.
Zwei Frauen sprechen über das Leben davor, das Leben danach und über die magischen Zahlen: zwei, drei, vier oder fünf Jahre – wer fünf Jahre hinter sich hat, kann aufatmen, ist wieder in der Welt der Lebenden angelangt, so heißt es. Die eigene Zeitrechnung wird neu installiert, wer kannte mich "davor", wer kennt mich erst "seitdem", oder "danach"? Das macht einen Unterschied, weiß Beate. Und wer die Geschichte liest, weiß es früher oder später auch.
Krankheit klärt manchmal die Sicht der Dinge – oder verengt sie – jedenfalls wird der Fokus verschoben.
Kinder sind fasziniert von Dingen wie einem Bild auf einer Dose vielleicht, das einen Menschen zeigt, der eine Dose hält, auf deren Deckel wiederum ein Mensch eine Dose hält usw. usw. – die Geschichte, die Sandra Wöhe hier erzählt, ist ähnlich: eine Autorin hat das magische fünfte Jahr hinter sich gebracht – ihre Gedanken und auch das Gespräch mit der Krebsschwester Ijana kreisen um die Geschichte, die sie schreiben soll. Ihre Geschichte ... oder die Geschichte ihrer Krankheit? Es ist fast ein Vexierspiel, denn man ist mittendrin und sieht zuweilen von innen nach außen – vielleicht ist der Deckel ja auf der Büchse der Pandora.
Bücher über die Krankheit Krebs gibt es viele – Erlebnisberichte oder Biografien – aber Sandra Wöhes Buch "Fünf Jahre danach" ist ein Krebstatsachenliebesroman, ohne Schnitte und ohne häufig wechselnde Szene. Und man kann und kann nicht aufhören zu lesen – man ist mittendrin im "danach" und staunt über das, was man durch Beates Augen sieht. Ein Staunen ist es tatsächlich, denn die Autorin hat die Gabe, Bilder erstehen zu lassen ohne dramatisches Beiwerk und nachgefärbte Effekte. Bilder, die mühelos erlebt werden können, und Gefühle, die man irgendwie kennt ... auch ohne die Krankheit zu haben.
"Fünf Jahre danach" ist ein einzigartiges Buch. Es verbindet die Welten der Betroffenen und der Nichtbetroffenen, so hölzern diese beiden Worte auch klingen. Sandra Wöhes Buch ist lebendig und faszinierend – und das ist kein Widerspruch, selbst wenn man das auf den ersten Blick glauben könnte.
"Fünf Jahre danach" erschien im "konkursbuch Verlag Claudia Gehrke" und ist im Buchhandel in verschiedenen Versionen erhältlich: als Taschenbuch mit 288 Seiten sowie als E-Book.
Lesen Sie auch unsere Buchvorstellung "Die indonesischen Schwestern" – ebenfalls ein Roman von Sandra Wöhe.
© "Wer Krebs hat, ist nicht anders – wer ihn hatte, vielleicht schon": Rezension von Winfried Brumma (Pressenet), 2014. Abbildung des Buchcovers mit freundlicher Genehmigung der Autorin Sandra Wöhe.
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