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Das Wort Homophobie bezeichnet die Angst vor Homosexualität, und zwar vor der männlichen ebenso wie vor der weiblichen. Homophobische Menschen reagieren aus Angst aggressiv-ablehnend auf Schwule und Lesben, ohne die Gründe dafür sachlich benennen zu können. Das ist in etwa die Definition.
Wenn man nun alt genug ist, um sich durchaus noch an Zeiten erinnern zu können, in denen ein schwuler Schauspieler unmöglich gewesen wäre, ebenso wie eine lesbische Diva, hat man sehr viel über das Thema gelernt. Früher war es fast unmöglich, in einer Kleinstadt als Schwuler oder Lesbe ein angstfreies Leben zu haben. Die Leute mussten sich in die nächste Stadt, in der es Szene-Clubs und Discos gab, bemühen. Nach und nach nahm die Akzeptanz zu, es war fast überall möglich, ein Leben ohne Lüge zu führen – jedenfalls in den meisten Ländern Europas.
Alibi-Ehen, wie sie noch notwendig gewesen waren, als Homosexualität unter Strafe gestanden hatte, wurden seltener, was ein Glück für alle Beteiligten war – denn der Ehepartner oder die Ehepartnerin wussten in den meisten Fällen nichts von der Orientierung ihres Mannes oder ihrer Frau. Manche erfuhren es nie – und wenn doch, war es eine Katastrophe.
Dann auf einmal gab es immer mehr schwule und lesbische Künstler – Schauspieler – Musiker – Sänger. Und das Outing beendete die Karriere durchaus nicht. Als dann ein Politiker sagte: "Ich bin schwul und das ist gut so", ging ein Aufatmen durch die Reihen der Andersorientierten. Und wir toleranten Heterosexuellen glaubten, dass man sich nun endlich wichtigeren Dingen zuwenden könne, weil das ja nun "durch" war.
Und gerade heute, da sich immer mehr Menschen outen (weitaus mehr als angenommen) greift homophobisches Verhalten immer mehr um sich. Das liegt zum Teil am mangelnden Wissen und den daraus resultierenden Vorurteilen. Und vielleicht auch an der Furcht, sich den eigenen Gefühlsunsicherheiten zu stellen.
Aus der Kindheit sind mir Worte wie "warmer Bruder" noch durchaus in Erinnerung. Ein Schwuler, so hieß es, ist schwächlich und eher ein Mädchen als ein Mann. Dass das absoluter Blödsinn ist, lernte man erst später. Mittlerweile sollte das geradegerückt sein, da sich einige hochrangige Leistungssportler als schwul geoutet haben. Aber gerade das macht den Homophoben noch mehr Angst – denn die sowieso eingebildeten Mauern sind dadurch gesprengt.
Man kann sich vielleicht über eine "Schwuchtel" lustig machen, die mit affektiertem Augenaufschlag vorbeischwebt – bei einem muskelbepackten Wrestler sieht das etwas anders aus. Den Kerl mit dem Six-Pack und den Tattoos hätte man ja nie als schwul eingeordnet. Wenn das aber nun nicht mehr funktioniert ... dann ist man nirgends mehr sicher. Und die vielleicht latent vorhandene Neugierde des Selbst kann nicht mehr durch Männlichkeitsrituale überdeckt werden, weil auch "richtige Kerle" schwul sind.
Dazu kommt, dass manche Männer sich als Mitglied eines exklusiven Vereins der Sammler und Jäger ansehen. Einer, der nicht mit den anderen auf das gleiche Wild pirscht, tanzt aus der Reihe – auch vielleicht deswegen, weil Frauen weniger Scheu vor körperlicher Nähe haben. Gute Freundinnen gehen Arm in Arm, trösten einander und müssen deshalb nicht gleich befürchten, dass jemand "Lesben" schreit. Bei Männern sieht das anders aus. Wenn Frauen Angst vor weiblicher Homosexualität haben, könnte man auf ein verdrängtes Bedürfnis schließen – oder aber, wenn Hass dabei eine Rolle spielt, auf eine Art Neid.
Lesbische Frauen, die sich nicht verstecken, leben anders, als eine Frau, die jahrelang für Mann, Kinder, Haus und Beruf gearbeitet hat. Sie sind freier, teilen sich die Pflichten eher als ein heterosexuelles Paar und genießen mehr Freiheiten als ein solches, selbst wenn es Kinder in der Beziehung gibt. Sie verweigern nicht nur die Sexualität der heterosexuellen Frau – sie verweigern auch die traditionelle Rollenteilung.
Dazu muss gesagt werden, dass der dumme Spruch "Wer von euch beiden ist denn der Mann?" völlig ins Leere greift. Wenn eine Frau sich eher salopp kleidet und Verhaltensweisen zeigt, die normalerweise den Männern zugeordnet werden, dann einfach deshalb, weil sie das traditionelle Verhalten hinterfragt hat. Außerdem – kurzes Haar und Männerklamotten sind kein Zeichen von Lesben. Auch das ist mittlerweile eigentlich widerlegt – denn sehr viele glamouröse Schönheiten aus der Filmbranche haben sich geoutet. "Die hat keinen abgekriegt, die ist so hässlich und unweiblich – klar ist die lesbisch", wird spätestens hier ad absurdum geführt.
Und trotz dieser Tatsachen – da doch endlich die Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen erlaubt ist – wächst die Homophobie ständig, ebenso wie die nicht nachvollziehbaren Argumente der Schwulen- und Lesbenhasser.
Es scheint einige Sorge zu geben, dass die Menschheit aussterben könnte, wenn es nur noch Schwule gibt. Das ist praktisch unmöglich – denn es hat immer Heterosexuelle gegeben und wird sie weiterhin geben. Genauso wie Schwule und Lesben übrigens. Es wird von verschiedenen Gruppierungen gesagt, diese Art der Sexualität wäre eine Krankheit – was ebenso unsinnig ist. Die Annahme, dass Kinder homosexuell werden, wenn sie mit Schwulen Kontakt haben, gehört in das Reich der Legende. Wir wissen, dass Kinder aus gleichgeschlechtlichen Ehen durchaus nicht "genau so" werden müssen – es kommt eher selten vor.
Ebenso hat die Tatsache, dass ein Kind zwei Väter oder zwei Mütter hat, keine negativen Auswirkungen im sozialen Umfeld gezeigt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich ein solches Paar wohl in der Regel weitaus mehr mit den Kindern auseinandersetzt und beschäftigt, gerade um negative Entwicklungen zu vermeiden. Es liegt hier wie anderswo an der Familie und deren Verständnis für die Kinder.
So mancher Vater hatte Ängste, sein Sohn könnte schwul werden, nur weil er mit der Schwester Puppenhochzeit spielte. Das ist Unsinn – denn nachdem, was wir wissen, ist die Orientierung festgelegt: Man wird nicht schwul, man ist es. So wie man blond, groß, schwarzhaarig oder blass ist.
Sehen wir uns einmal andere Kulturen an, so erkennen wir, dass es Völker gibt, die nicht einmal ein Wort für schwul oder lesbisch haben. Nicht weil es das nicht gäbe – sondern, weil es keiner der Erwähnung wert hält. Die Meinung mancher Fachleute, dass eine eindeutige und hundertprozentige Orientierung eine Illusion ist, hat manches für sich. Eine Theorie lautet sogar, dass Bisexualität das Normale ist. Da wir mittlerweile auch wissen, dass es seit jeher mehr als zwei Geschlechter gegeben hat, scheint dieser Gedanke nicht allzu weit hergeholt zu sein.
Wir sollten aufhören, alles so klar umrissen zu sehen, als wäre es mit Markierstift eingerahmt, denn so ist kaum etwas oder jemand. So mancher hat Gefühle nie wirklich hinterfragt, weil er dem großen Korsett der Neuzeit nicht entrinnen kann. Dieses einschnürende Mieder heißt: "Das gehört sich so", oder: "Das ist doch normal". So mancher und manche haben sich in ihren Beziehungen nie wirklich wohlgefühlt ... so als fehlte da etwas, ohne das benennen zu können. Denn: "Alles ist ja so wie es sein muss."
Ein Freund wird kein anderer Mensch, weil er mit einem Mann lebt – eine Freundin ist nicht plötzlich keine mehr, weil sie eine Frau geheiratet hat. Wenn wir einen Menschen mögen, sollte es keine Rolle spielen, wem er seine Liebe schenkt – ob er promiskuitiv oder treusorgender Partner ist oder sogar asexuell. Das geht uns nicht wirklich etwas an und es spielt auch keine Rolle.
Gleichgeschlechtlich orientierte Menschen bringen weder die Bevölkerungsdichte noch die Moral in Gefahr – jedenfalls nicht mehr als die Heterosexuellen auch. Wer sich durch die Liebe eines anderen Menschen bedroht fühlt, sollte die Gründe in sich selber suchen.
Wie anfangs gesagt: Eigentlich hat die Menschheit keine Zeit, sich mit völlig unnötigen Dingen zu belasten ... denn sie hat wichtigere Probleme zu lösen.
© Textbeitrag "Homophobie: Die Furcht vor den eigenen Gefühlen": Winfried Brumma (Pressenet), 2014. Bildnachweis: Graffiti Gesichter, CC0 (Public Domain Lizenz).
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