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Unter einer Familie verstand und versteht man einen Zusammenschluss von Menschen, die miteinander verwandt sind. Da wäre zunächst ein Elternpaar und die dazugehörigen Kinder, welche im Allgemeinen zusammen wohnen.
Weitere Verwandte wie Geschwister oder Eltern des Elternpaares gehören ebenfalls zur Familie, wohnen aber woanders. Die Großeltern meist in einem Seniorenheim. Das gilt für den Fall, in dem die Eltern mit den Kindern in einem Mietverhältnis wohnen und kein eigenes Haus zur Verfügung haben.
Dass dies in früheren Zeiten anders war, wissen wir alle – entweder noch aus Erzählungen der Alten oder aus dem Geschichtsunterricht. Die Alten waren notwendig, wenn sie noch einigermaßen rüstig waren, um die Kinder zu hüten und auch um den Jungen mit ihrer Erfahrung zu helfen. Seniorenheime waren unbekannt und man lebte zusammen, so gut es eben gehen wollte. Der wirtschaftliche Zusammenhalt der Familie war eine Frage des Überlebens.
Nehmen wir diese Familie, wie sie früher recht gut funktionierte, als Modell, dann haben wir uns sehr weit davon entfernt. Großeltern, Kinder und Enkel leben in den allerseltensten Fällen unter einem Dach. Dazu wäre eine gewisse finanzielle Sicherheit notwendig, welche in den meisten Fällen nicht gegeben ist. Eine Wohnung, die gerade noch bezahlbar ist, wenn beide Elternteile arbeiten, ist meist nicht groß genug. Sollte ein Senior zu einem Pflegefall werden, fällt ein Verdienst aus, damit die Betreuung gesichert ist.
Zwar gibt es Möglichkeiten, die Krankenkassen zahlen für Pflegedienste – aber meist wird ein Pflegefall zum Problem. Also ist ein Pflegeheim vorprogrammiert in den allermeisten Fällen.
Wo früher mehrere Generationen unter einem Dach lebten, gibt es heute Konflikte zwischen Eltern und Kindern. Die Situation eskaliert zuweilen, was das Zusammenleben extrem erschwert. Die Folgen sind Gewalt, psychische Probleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Bei allen Beteiligten.
Wohnen Vater und Mutter mit ihren Kindern in einer Wohnung, spricht man von einer Familie. Die Definition ist da zwar weitgefächerter – aber in unserem modernen Sprachgebrauch ist eine solche soziale Kleinzelle eine Familie. Verheiratete Eltern genießen einige wenige Vorteile. Bessere Steuerklassen zum Beispiel und Vergünstigungen für Familien. Das ist allerdings keine wirkliche Hilfe.
Die dahinter stehende Idee von Zusammenhalt und gegenseitiger Hilfe und Unterstützung wird in den meisten Fällen nicht verwirklicht in dem Sinne, dass das Miteinander zu einem fruchtbaren Zusammenschluss in Bezug auf Lernen, Lehren, Beschützen und Anerkennung wird. Das Band zwischen Eltern und Kindern reißt sehr viel früher, als es einmal der Fall war.
Da Kinder ein enormer Wirtschaftsfaktor sind, wird die Eigenständigkeit in Konsumverhalten und Lebensanspruch künstlich vorangetrieben und führt so oft zu unvermeidlichen Brüchen zwischen den Mitgliedern der Familie. Die Eltern stehen in den meisten Fällen unter großem Druck, da sie die eigenen Bedürfnisse und die der Kinder befriedigen wollen – dabei werden sie sich nicht wirklich mit ihrem Erziehungsauftrag auseinandersetzen können. Wer zwei Jobs hat, damit er die laufenden Kosten zahlen und den Kindern noch etwas bieten kann – das gilt meist für beide Elternteile – wird die Energie nicht mehr aufbringen, um eine tatsächliche Kommunikation aufrecht zu erhalten.
Somit sieht die Situation oft so aus: Vater und Mutter versuchen zwanghaft, nach der Arbeit noch etwas vom Abend zu haben. Die Kinder sind – je nach Alter – mit verschiedenen Spielen beschäftigt oder erst gar nicht zu Hause. Die Stimmung ist verständlicherweise gereizt – Schulstress ist ein nicht zu unterschätzender Faktor bei Kindern – und man geht sich aus dem Weg. Wir können hier nicht von einer Familie im althergebrachten Sinn sprechen, sondern tatsächlich von einer Art Wohngemeinschaft.
Diese kleinen Zellen sind somit eine Art Aufbewahrungsort für Kinder, damit sich der Staat nicht mit ihnen befassen muss. Der greift erst dann ein, wenn die Eltern völlig gescheitert sind und die Kinder an ihrem eigenen Scheitern arbeiten, weil sie keine Alternative haben oder sehen. Das Eingreifen gerät allerdings eher zur Bestrafung – für Hilfen ist es nicht selten zu spät.
Das Modell "Vater, Mutter, Kind" ist gescheitert oder fast gescheitert. Die ältere Variation mit Großeltern und weiteren Verwandten ist nicht mehr lebbar für den Großteil der Bevölkerung. Das Scheitern gründet in der wirtschaftlichen Lage und dem nicht mehr erteilten Erziehungsauftrag für die Eltern. Da die Kinder vom frühesten Alter nach den Belangen der Technisierung und der Wirtschaft ebenso nach den damit verbundenen Wünschen und Zielen konditioniert werden, ohne dass die Eltern etwas dagegen tun könnten, ist ein Erziehen kaum mehr möglich.
Die "Familie" ist also zu einer Art privatem Kinderhort mit mindestens einer erwachsenen Bezugsperson mutiert. Wobei der Bezug nicht selten rein materiell erlebt und aufrechterhalten wird. Wir brauchen neue Modelle, denn die alten können so nicht mehr funktionieren.
Ein Rückschritt in einigen wenigen Dingen wäre möglicherweise zuträglich. Was umerzogen werden müsste, wäre die Wirtschaft, die Kinder als die größten Einnahmequellen sieht, die sie haben kann. Da hier ein Umdenken nicht wahrscheinlich ist, wäre Verweigerung eine Möglichkeit. Der Zugriff muss erschwert werden. Aber wer will und kann den Fernseher und den PC für die Kinder verbieten, wenn das die einzige Möglichkeit ist, nach der Arbeit ein wenig Ruhe zu haben.
Das soll hier nicht angeprangert werden, sondern als verständlich gesehen werden. Also müssen wir für die Eltern eine Situation schaffen, in der sie tatsächlich ihre Kinder fördern können und auch wollen.
Das Verweigern wäre auch hier eine Antwort. Vielleicht, indem man sich den Wunsch nach einem Kind wirklich überlegt. Aber wir müssen wieder hin zum Miteinander, ohne dass gleich Familien entstehen, die somit schwer beweglich und leicht angreifbar sind. Die Einzelnen können sich gegenseitig sehr wohl helfen. Dazu müsste sich das Bewusstsein der Menschen ändern.
© Textbeitrag "Die Demontage des Konzepts Familie": Winfried Brumma (Pressenet), 2015. Bildnachweise: Gemälde Familie sowie Eltern und Kinder, CC0 (Public Domain Lizenz).
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