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"Was hat das Sitzen und Atmen mit Lernen zu tun?", fragst du jetzt sicher.
Nun, ich möchte nicht, dass du dich beim Lernen verkrampfst, die Fäuste ballst, die Stirn runzelst oder die Zähne zusammenbeißt. Das macht schnell müde und unlustig, vermindert den Lernerfolg und kann sogar Kopfweh verursachen.
So entspannt wie möglich sollst du sein, aber nicht dabei einschlafen. Dazu eignet sich eine natürliche Sitzhaltung. Der Stuhl sollte so hoch sein, dass deine Knie beim Sitzen einen rechten Winkel bilden. Beim Hinsetzen solltest du dein wertes Gesäß nach hinten strecken. So wird vermieden, dass dein Rücken sich nach hinten rundet. Die nun aufrechte Haltung soll nicht verkrampft sein. Die Schultern locker.
Die ganze Schwere deines Körpers ruht nun im Bauchraum. Spüre deinen Körper durch. Ist irgendwo noch ein Muskel angespannt oder gar verkrampft? Lass ihn ruhig locker. Deine nun ideal aufgerichtete Wirbelsäule trägt den Oberkörper, die Beine ruhen auf den flach aufgesetzten Füßen. Nur keine unnötige Anstrengung!
Der rechte Atem beginnt mit dem Gehenlassen der eingeatmeten Luft. Nicht pressen ... einfach gehenlassen, wie einen Seufzer. Und nun lasse die Luft wieder kommen, bis hinunter in den Bauchraum. Hast du Probleme mit der gesunden Bauchatmung, so übe sie im Liegen auf dem Rücken, da kannst du gar nicht anders. Klappt die Bauchatmung dann problemlos im Sitzen, so sitzt du richtig. Richtiges Sitzen und richtiges Atmen helfen dir, dich zu konzentrieren, bewahren dich vor vorzeitiger Ermüdung, und dein Gehirn erhält mehr Sauerstoff.
Noch ein Tipp: Bist du vor einer Arbeit nervös, so setze dich unverkrampft aufrecht hin und lass deinen Atem gehen, so tief und so langsam, wie es dir möglich ist, ohne Zwang auf deinen Körper auszuüben. Du wirst merken, wie mit dem langsamen Atem auch dein Herzschlag langsamer und ruhiger wird. Die Aufregung wird dann immer geringer. Am besten ist es, diese Übung schon zu praktizieren, bevor die Angst kommt.
Nun bist du total entspannt – lass uns einige Sätze lesen...
Ein Satz ist ein kleiner Film, der erst in seiner Gesamtheit ein Bild ergibt.
Als Beispiel dafür bauen wir mal einen Satz auf:
Das Wort "singt" kann ich mir ganz für sich allein nicht vorstellen.
Zusammen mit "Michael Jackson" ergibt es aber doch schon ein Bild, wenn auch noch kein vollständiges: "Michael Jackson singt." Das ist zwar ein grammatikalisch als vollständig geltender Satz, aber das Bild ist unvollständig. Es fehlt ein Rahmen um den Sänger. Wo singt er?
Sagen wir: "in seinem Badezimmer". Aha, das Badezimmer eines Stars, da muss es ja glänzen von Spiegelwänden und vergoldeten Armaturen.
Also: "Michael Jackson singt in seinem Badezimmer." Das kann ich mir schon vorstellen. Vielleicht rieche ich auch etwas? Aber ich höre noch nichts. Was singt er? Seinen größten Hit? Im Badezimmer? Na, sagen wir "ein lustiges Liedchen". Letzteres können wir zwar nicht sehen, aber es wird sich auf den Gesichtszügen des Sängers spiegeln. Und erst wenn ich es dort auch sehe, ist das Bild vollständig.
Also heißt unser Satz jetzt: "Michael Jackson singt in seinem Badezimmer ein lustiges Liedchen."
Und wenn ich jetzt nur "Jackos" Gesicht vor mir sehe, fällt mir gleich wieder der ganze Satz ein.
Merke dir: Erst der ganze Satz ergibt das richtige Bild! Deshalb musst du dich beim Lesen darum bemühen, möglichst schnell den ganzen Satz oder wenigstens einen sinnvollen Satzabschnitt zu erfassen.
Was passiert, wenn man nur Wort für Wort liest, wie man es leider beim ewigen lauten Plapperlesen in der Klasse lernt, sehen wir schon durch eine einfache Satzumstellung:
"In seinem Badezimmer singt Michael Jackson ein lustiges Liedchen."
Wenn ich nun nur "Badezimmer" im Kopf habe, ohne im selben Augenblick schon vorauszuschauen, so sehe ich wohl irgendein Badezimmer, das ich kenne. Lese ich nun weiter, wessen Badezimmer es ist, muss ich meine Vorstellung neu zurechtrücken. Das kostet Zeit und schafft Frust. Manche Schüler vergessen auch sofort jedes Wort, das sie gelesen haben, weil sie jahrelang nur das laute Vorlesen Wort für Wort geübt haben.
Das wichtigste zur Übersicht über einen Satz ist, schnell herauszufinden, wer die Hauptperson (Subjekt) ist und was sie tut (Prädikat), erleidet oder ist.
In unserem Satz war das natürlich kein anderer als Michael Jackson und er sang. Das Badezimmer war seine Bühne, das lustige Liedchen eine notwendige Ergänzung zum Singen.
Nehmen wir einen anderen noch recht einfachen Satz:
"Auf der Wiese vor dem Waldrand jagt eine Füchsin nach Mäusen."
Sicher hast du schnell herausgefunden, dass Wiese und Waldrand die Bühne ergeben, die Füchsin die Hauptperson ist, die jagt, und die Mäuse die Ergänzung zu "jagt" sind.
Beim nächsten Satz wird es etwas schwerer:
"Nach der Aufführung ihres neuen Stückes 'Der Rosenwilderer' von Kurt Schnulzig wurde die Laienspielgruppe des örtlichen Gesangsvereins vom Publikum mit 'standing ovations' gefeiert."
Wenn dein inneres Bild steht, dann hast du auch die Hauptperson, denn diese steht ja auf der Bühne! Und selbst wenn du nun nur die Laienspielgruppe vor dir siehst, wirst du dich nach aufmerksamem Lesen an den ganzen Satz erinnern, weil deine beiden Gehirnhälften zusammen arbeiten.
Das ist ein Satz, den ein Anfänger ruhig erst zweimal lesen darf:
"Die Fachleute fragen sich, ob dem Rennrodler Georg Hackl beim Einzelfahren in der Rodel-WM die Titelverteidigung gelingt."
Siehst du die fragenden Mienen der Fachleute? (Vor Mikrophonen oder in der Runde mit Sektgläsern in den Händen). Siehst du den Rennrodler mit ebenso fragender Miene auf seinem Schlitten?
Gelingen ist das, was man sich nicht bildhaft vorstellen kann, ebenso wenig wie Titelverteidigung, wiewohl "gelingt" das Prädikat ist und "Titelverteidigung" das Subjekt. Die beiden sind rein grammatikalisch die Kernaussage des Satzes.
Wenn du lange genug mit bildhafter Vorstellung gelesen und geübt hast, wird es dir nicht schwerfallen, auch dazu ein Bild zu finden, zum Beispiel Hackl als Arme hochreißender Sieger ... oder als Verlierer grübelnd, den Kopf auf die Fäuste gestützt, auf seinem Rodel hockend.
Rufe ich mir nun nur dieses Bild vor das innere Auge, fällt mir der ganze Satz ein. Dir auch? Oder noch nicht? Geduld, das kommt alles mit der Zeit, wenn du nicht aufgibst und dich beim Üben nicht selbst belügst. Zum Sieger gehört Charakter.
© Texte der Lesetraining Lernhilfe "Richtig sitzen, richtig atmen": Unterrichtsmaterialien von Friedrich Treber, überarbeitet von Pressenet. Bildnachweis (beide pixabay.com, CC0 Public Domain Lizenz): Zwei Stühle und Badezimmer. Diese Serie beinhaltet zehn Lektionen.
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