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Musstest du schon einmal eine Million Euro verdienen, um nicht zu verhungern?
Genau das passiert den Freunden Dugo, Brauni, Camel und Zaza, als ihre Geisterbahnfahrt in der Parallelwelt des Luna Parks endet. Jeder bekommt im Park sofort einen Job. Nur wer eine Million verdient, darf wieder nach Hause. Es ist die Hölle der Gier. Alle dort denken nur noch ans Geldverdienen. Wer keine Million verdient, der muss auf unabsehbare Zeit im Park bleiben und steigt dort immer mehr ab, bis er im armen "Luna Park Süd" schließlich auf der Straße landet und bettelt.
Brauni wird im reichen "Luna Park Nord" ein erfolgreicher Banker und soll faule Hypothekenpapiere an seine Freunde verkaufen. Camel soll mit seiner Spielhölle armen Schluckern im Süden den letzten Cent aus der Tasche locken.
Entkommen dem Park am Ende nur diejenigen, die über Leichen gehen?
Camel und Brauni standen sich derweil draußen die Beine in den Bauch. Die Fahrt dauerte schon zehn Minuten, viel zu lange für den lächerlichen Betrag von zwei Euro pro Person.
Brauni fragte den Mann am Ticketschalter: "Sie, äh, unsere Freunde sind schon seit zehn Minuten da drin. Wann kommen die denn raus? Ist das normal?"
Der Ticketverkäufer blickte Brauni und Camel erstaunt an. "Das kann nicht sein." In seiner Kabine war ein Schaltpult, das er jetzt kontrollierte.
Brauni stellte sich auf Zehenspitzen, beugte sich vor, um ins Häuschen zu sehen, und sah ein Lämpchen rot blinken.
"Hmmm. Da stimmt was nicht", gab der Ticketverkäufer schließlich zu. "Der Alarm leuchtet. Der Strom drinnen ist ausgefallen."
"Dann stecken Zaza und Dugo fest?" Brauni war etwas fassungslos. "Womöglich im Dunkeln." Camel versuchte seiner Stimme einen tiefen, unheimlichen Ton zu verleihen.
"Moment!" Der Ticketverkäufer verließ sein Häuschen, stieg auf die Schienen vor den ersten Wagen und versuchte das Froschmaul zu öffnen. Er drückte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Die Klapptür ging aber nicht auf. Er fluchte, kam zurück und holte aus dem Häuschen eine Art Brechstange. Dann hebelte er an der Tür herum. Mit aller Kraft. Sie öffnete sich nicht. Er stieg wieder von der Bahn herunter und rief: "Ich muss den Pannendienst anrufen." Er tippte auf seinem Handy herum.
Brauni und Camel stiegen nun auch zum Froschmaul hinauf und rüttelten an ihm. Es war nichts zu machen.
"Ich dachte, die Klapptüren wären aus Pappe oder höchstens aus Sperrholz. Das Ding hier wirkt aber wie ne Safetür. Wie aus Eisen." Brauni war fix und fertig.
"Krass! Lass uns die andre Tür probieren, aus der sie wieder rauskommen müssen", schlug Camel vor. Die Tür mit dem Drachenmaul war ebenso solide verschlossen.
Brauni trat wütend gegen die Wand neben dem Drachenmaul und schrie gleich laut auf: "Hart wie Stein!"
"Versteh ich nicht", erwiderte Camel. "Das Zeug ist doch meist aus Leichtbauteilen zusammengesetzt, damit man es schnell auf- und wieder abbauen kann?"
Brauni zog seinen Schuh aus und rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht lange die Zehen. Schließlich schlug er vor: "Lass uns mal um das Ding rumgehen."
+ + +
Drinnen herrschte nach wie vor pure Finsternis. Zaza und ich hatten das Gefühl, der Wagen bewege sich auf den Schienen immer weiter fort.
"Wie lange soll das so weitergehen?", fragte Zaza bang.
Ich hatte selbst gehörig Angst, durfte mir aber nichts anmerken lassen, musste Zaza beruhigen: "Es muss so sein: Die Bahn hat eine Panne. Die Beleuchtung ist ausgefallen, und die Wagen bewegen sich immerfort im Kreis."
"Es fühlt sich aber nicht an wie ne Kreisfahrt. Ich hab den Eindruck, wir fahren immer weiter geradeaus." Zaza hatte nur noch ein Stimmchen.
"Das kann doch gar nicht sein, die Geisterbahn ist höchstens zwanzig Meter lang und zehn breit", versuchte ich ihr unaufgeregt klarzumachen. Meine Stimme zitterte aber verdächtig. Auch ich hatte das Gefühl, wir führen geradeaus und hätten schon eine ziemliche Strecke zurückgelegt. "Es ist alles wegen der Dunkelheit. Die Dunkelheit verwirrt uns, sie täuscht uns vor, wir bewegten uns auf einer geraden Linie."
"Kann sein", piepste Zaza wenig überzeugt und klammerte sich noch fester an meinen Arm.
"Zeit, dass wir um Hilfe rufen, Zaza. Mit der Bahn stimmt definitiv was nicht", schlug ich endlich vor. Es war wenig sinnvoll, die Situation noch länger schönzureden. Aus Leibeskräften riefen wir nun um Hilfe.
+ + +
Brauni und Camel bogen draußen um die Ecke der Geisterbahn, um sich die Hinterseite anzusehen.
"Vielleicht kommen wir dort irgendwo rein." Brauni pochte mit der Faust gegen die Hinterwand. "Nicht zu fassen, wie aus Stein!"
Camel spitzte die Ohren. "Horch mal ... schscht!"
Beide horchten mit angehaltenem Atem.
"Ja, ich hör's auch. Hilferufe. Ganz leise."
"Klingt wie von ungeheuer weit weg."
"Es sind Zaza und Dugo!"
"Verdammt, was ist dort drinnen los?"
+ + +
Ich wünschte, ich hätte eine der Pillen gehabt, die meine Eltern sich immer unter die Zunge legen, wenn sie nervös sind. Sie lösen sich in Nullkommanichts im Mund auf, und man wird rasch gleichgültig.
Auf unsere wiederholten Schreie erfolgte keine Reaktion. Wir schrien wirklich aus voller Kehle, und Zaza kreischte noch dazu in einem so hohen, durchdringenden Ton, dass uns eigentlich jeder hören musste. Draußen waren doch noch der Ticketverkäufer, Brauni und Camel und zahlreiche Rummelbesucher. Vielleicht hatten sich Brauni und Camel bei dem langen Warten gelangweilt und waren woanders hingegangen. Und der Ticketverkäufer schlief, weil keine Kundschaft da war. Und die anderen Rummelbesucher waren zu weit weg, um uns zu hören.
Zaza weinte ganz leise an meiner Schulter. "Ich möchte hier raus."
Ich fühlte mich hilflos, ohnmächtig. Wie konnte ich Zaza trösten? Ich war selbst mit den Nerven fertig. Da nahm ich vor uns, ziemlich weit weg, einen winzigen Lichtschimmer wahr. Ich wies Zaza sofort darauf hin.
"Was ist das? Geht's dort raus?", fragte sie mich, als ob ich alles wissen müsste.
Es machte den Eindruck, als ob wir auf den hellen Schimmer zufuhren.
"Was ich nicht verstehe: Das Licht scheint so verdammt weit weg. Das kann doch gar nicht sein. Hier gibt's doch nicht solche Strecken."
"Vielleicht ne optische Täuschung. Vielleicht nur ein winziges Loch in ner Außenwand", bemerkte Zaza kleinlaut.
Auf einmal beschleunigte der Wagen spürbar. Wir glitten geräuschvoll über die Schienen. Fahrtwind blies uns ins Gesicht, und Zaza und ich hielten uns eng umklammert. Wer wen zuerst umarmt hatte, wusste ich später nicht mehr. Ich presste aus Angst die Augen zu, öffnete sie dann aber wieder. Es sah so aus, als glitten wir durch einen dunklen Tunnel, an dessen Ende ein Ausgang ins Licht führte. ...
Welche Abenteuer Dugo, Brauni, Camel und Zaza noch erleben, könnt ihr im Roman "Luna Park 2: Jahrmarkt der Gier" lesen. Das Buch – für Leser von 11 bis 111 Jahren – gibt es in verschiedenen Formaten im Buchhandel.
Hinweis: Die Serie beginnt bereits mit dem Band "Luna Park: Jahrmarkt des Grauens", der 2010 beim Abentheuer Verlag erschienen ist!
Beachten Sie auch unsere Rezension zu "Luna Park 2"!
Olivia Monti studierte Rechtswissenschaft in München und promovierte am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Seit 1994 ist sie freie Autorin. Sie schreibt Romane und Sachbücher und veröffentlichte u.a. bei der Frankfurter Verlagsanstalt, S. Fischer und Edition Epoca.
© Vielen Dank an die Autorin Olivia Monti, die uns diese Leseprobe und die Abbildung des Buchcovers zur Verfügung gestellt hat!
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