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Langsam und bedächtig, gut gepanzert und reptilienhaft sind sie, die Schildkröten. Das gilt vor allem für die Landschildkröten. Denn einige Arten, die sich an das Wasser angepasst haben, sind durchaus nicht so behäbig.
Doch bleiben wir bei den Landbewohnern. Die meisten Kulturen, in denen man die Schildkröten kennt oder kannte, gaben ihnen einen Platz in ihrem Schöpfungsmythos. Sei es, dass eine Schildkröte die Welt auf ihrem Panzer trug – sei es, dass die ganze Welt in einem Schildkrötenpanzer geborgen lag. Literarisch hatte der Autor Terry Pratchett diesem Mythos in seinen Fantasy-Romanen zu neuem Ansehen verholfen: die berühmte Scheibenwelt befindet sich auf einer riesigen Schildkröte, wobei diese allerdings noch von vier Elefanten unterstützt wird.
Es gibt bei diesen Schöpfungsgeschichten viele Variationen, aber immer ist die Schildkröte so etwas wie die weise Alte. Oder sogar die Erde selbst. Da die gepanzerten Echsen ein recht hohes Alter erreichen, wenn man sie denn lässt, kam ihnen wie von selbst das Attribut der Weisheit zu. Völker, in denen die Alten geehrt wurden, nicht zuletzt ihrer Erfahrung wegen, sahen das Alter und die Bedächtigkeit dieses Tieres wohl mit großem Respekt an.
Die Anzahl an Jahren ist jedoch nicht das, auf das sich die Schildkröte bezieht, wenn sie als Krafttier in Erscheinung tritt. Die Bedächtigkeit allerdings schon.
Die Schildkröte trägt ihren Schutz mit sich, immer und überall. Sie hat sich ihren Panzer nicht wachsen lassen, er gehört einfach von Anfang an zu ihr. Auf den Menschen übertragen bedeutet das: Einen Panzer legt man sich nicht einfach so zu und wirft ihn dann wieder ab; es geht auch hier darum, sich mit Bedacht zu schützen. So wie die Schildkröte sich bei Gefahr in ihr "Gehäuse" zurückzieht, sollten wir dies auch tun. Doch wenn wir am Leben teilnehmen wollen, wenn wir die Sonne sehen wollen und vorwärtskommen, dann müssen wir eben auf den Rundum-Schutz verzichten. Und das ist ganz gut so.
Die Sicherheit im eigenen Rückzugsort kann so verführerisch sein, dass man gar nicht mehr herauskommen mag – was für eine Schildkröte fatal wäre. Und für uns Menschen auch. Der angeborene Rückzugsreflex bei Verletzungen oder bei Gefahr hat Sinn – auch für uns Menschen. Aber das darf nur vorübergehend sein. Das ist eine wichtige Sache, die die Schildkröte uns sagen will.
Zweitens geht es um die Beständigkeit. Die spirituelle Bedeutung der Schildkröte mahnt zum langsamen und überlegten Handeln. Vorwärtspreschen ist manchmal eine gute Sache – aber jetzt, so meint die kluge Erdbewohnerin, ist nicht Zeit zum Hasten. Mit dem Ziel vor Augen: langsam aber stetig voran, auch wenn man sich ab und zu zurückzieht dabei. Auch wenn die Schildkröte hier und da die "Luken dicht macht", blindlings zum Rückzug wendet sie sich bestimmt nicht. So gesehen kann sie nur an Boden gewinnen. Auch wenn es etwas länger dauert.
Zu weiteren Krafttiere Beiträgen: Das Schaf und der Widder | Der Schmetterling | Der Schwan | Das Schwein | Der Skorpion
© "Die spirituelle Bedeutung der Schildkröte": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2017. Bildnachweis: Landschildkröte, CC0 (Public Domain Lizenz).
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