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"Kunst kommt von Können, nicht von Wollen. Sonst hieß es Wulst." Über diesen Satz des Autors Ludwig Fulda hat man gelacht, und im günstigen Fall sogar nachgedacht. Beinhaltet "Kunst" tatsächlich "Können"? Etymologisch gesehen stimmt das auf jeden Fall.
Aber muss Kunst immer gekonnt sein? Wenn ich ein Bild von Jean Renoir ansehe, könnte ich vor Freude über die Sonnigkeit, die er zeigt, in die Hände klatschen. Die geballte Leidenschaft eines Bildes von Vincent van Gogh lässt mich immer innehalten und dieses Glühen der inneren und äußeren Hitze bestaunen.
Da gibt es Leute, die Schrott zu den erstaunlichsten Skulpturen zusammenschweißen, was mir unbedingte Bewunderung abnötigt. Das Umwandeln bestimmter Dinge zu völlig anderen Dingen, die allein der Ausdruckskraft dienen, das ist eine neue Art der Hermetik. Dali, dieser besessene Katalane zeigte mehr als nur fotorealistische Objekte, die er zu Szenen zusammensetzte, die wir sonst nur aus Träumen kennen. Er nahm mit auf Abwege. Das tat auch Magritte. Seine bizarren Träume trugen Nadelstreifen. Zeitlebens verfiel er nicht der Bohème und wirkte eher wie ein Buchhalter. Und doch prägen sich seine Bilder ein wie nicht viele andere.
Picasso wird gerne zitiert, geht es um Kunst. Seine sonderbaren oder vielleicht auch verstörenden Werke waren Weiterentwicklungen. Frühe Bilder belegen sein Können. Er malte keine Abstraktionen, weil er es nicht anders konnte – ebenso wenig wie Amedeo Modigliani. Dessen Portraits folgen seiner eigensten Art der Darstellung. Und trotzdem ist die Individualität des Modells völlig klar. Verstand dieser Selbstzerstörer es vielleicht, das was er sah, für alle sichtbar zu machen?
Joseph Beuys hat Badewannen mit Fett versaut. Unter anderem. Was hat uns das gesagt? Ich habe Bilder gesehen von den Verpackungen des Christo. Und sehe das täglich, wenn Häuser renoviert werden. Was hätte ich verstehen sollen?
Was ist mit Grandma Moses? Ihre Art zu malen war "naiv". Freude am Zeigen, ohne Kniffe wie Schatten oder den Versuch, die Räumlichkeit einzubeziehen. Kinder malen so, könnte man meinen. So mancher hat ein Bild von Miró betrachtet und gesagt: "Das kann meine fünfjährige Tochter auch!" ... Kann sie es? Nein, das kann sie nicht. Ihre Anordnung von Formen und Farben bedeuten etwas völlig Anderes – vielleicht auch gar nichts außer Spaß am Malen. Nicht, dass es mir nichts sagen könnte, so ein Bild von der kleinen Marie oder Saskia. Aber während ich das bestaune, malt sie schon etwas anderes, isst ein Stück Schokolade, spielt mit ihrer Barbie oder quengelt, weil sie ihr Bild wiederhaben will. Das macht das Bild allerdings nicht schlechter. Aber flüchtiger vielleicht?
Soll das heißen, dass Kunst bewusst geschehen muss, um eben das zu sein: Kunst? Ich meine: Ja.
Oscar Wilde war ein Verfechter der Kunst für sich alleine. Kunst, so meinte er, sollte keinen Zweck haben, außer dem des Schönseins. Ist Kunst dann vielleicht bewusst geschaffene Schönheit? Dann wäre das Arrangieren eines Blumenstraußes auch Kunst. Ist es das?
Das japanische Ikebana ist eine Kunstform. Für meinen Geschmack zu sehr den Regeln verhaftet und durchstilisiert – aber dahinter stecken Jahrhunderte der Betrachtung. Was an und für sich schon "Können" darstellt. Das Betrachten will nämlich ebenfalls gekonnt sein. Was jeder Kunsthändler bestätigen könnte.
Was muss man also können, um Künstler zu sein? Ich denke, man muss mitteilen können. Ob man das auf die naive Art tut oder ausgefeilt und handwerklich überzeugend. Ein Kunstwerk sollte man vielleicht nicht mit den Augen, sondern mit dem Solarplexus betrachten. Da sollte es wirken.
Ist ein Künstler nun ein perfekter Handwerker? Im Mittelalter machte man zwischen Kunst und Handwerk keine Unterschiede, oder so gut wie keine. Oder sollte ein Maler, Bildhauer oder Schriftsteller ein perfekter Transporteur von Gefühlen und Botschaften sein?
Eine meiner Lieblingsanekdoten ist die Geschichte von Anna Pawlowa, der Tänzerin. Auf die Frage, was sie mit ihrem Tanz denn ausdrücken wollte, sagte sie sinngemäß: "Wenn ich es anders ausdrücken könnte, als durch den Tanz – dann könnte ich mir diese Strapazen sparen."
© "Kunst ist bewusst geschaffene Schönheit, aber nicht für die Augen gemacht": Textbeitrag und Collage der Zeichnungen: Winfried Brumma und Izabel Comati (Pressenet), 2015.
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