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Waren die Winter meiner Kindheit schöner? Waren sie schneeiger oder spaßiger? Sicher, das ist in meiner Erinnerung so. Aber vor allem waren diese Winter anders. Damals waren es Spaßwinter. Gummistiefel mit dicken Socken und Schlitten. Daran erinnere ich mich. Keiner bangte um "weiße Weihnachten", weil sie einfach selbstverständlich waren.
Kinder erleben Zeit anders, aber dennoch erinnere ich mich an die zur Seite geschippten Schneehaufen, die lange Wochen blieben, wo sie waren. Auf vielen Gehsteigen war der Schnee schmutzig, weil man noch Asche oder Sand jeder Farbe als Streugut benutzte. Das sah zwar nicht so toll aus, aber es war vermutlich besser für die Umwelt.
Schnee war weiß, Eis war durchsichtig ... und das war so ziemlich alles, was ich vom Winter wusste. Hier und da gab es noch Eisblumen an den schlecht isolierten Fenstern manches Altbaus. Aber das war es auch schon.
Aber dann lernte ich, dass es verschiedene Winter gibt. Matschige Winter oder eisglatte Winter. Und ganz besondere Winter. Ich erinnere mich an ein bestimmtes Jahr, in dem es außergewöhnlich kalt war und diese Kälte lange andauerte. Auf den Bäumen und Sträuchern hatte sich eine Art Blitzeis gebildet, das alle Nässe gefrieren ließ.
Dadurch waren jeder Ast und jeder Zweig wie in Glas eingegossen. Das sah unwirklich und zauberisch aus, besonders wenn sich Sonnenstrahlen darin fingen. Und das Unglaubliche war, dass man unter den Bäumen ein feines Klingen hörte, wenn die Bäume vom Wind bewegt wurden. Tagelang blieb dieses Wunder erhalten und ich erinnere mich, dass ich die Hundespaziergänge so lange ausdehnte, bis ich meine Füße und Hände kaum mehr spürte. Nur um zu schauen. Das war ein Kristallwinter.
Weniger dramatisch, aber doch sehr schön anzusehen sind die kleinen Gebilde, die auf allem wachsen, wenn Feuchtigkeit gefriert. Auf den Straßen und Wegen liegt zwar kein Schnee, aber Büsche und Bäume sind weiß, wie mit Puderzucker bestäubt. Der Wald sieht herrlich aus damit, man erkennt die filigrane Schönheit der entlaubten Bäume auf einmal, weil man sie wahrnimmt. Silberwinter.
Und heuer habe ich noch eine andere Art von Winter entdeckt: den Rosenwinter. Eine verspätete Zuchtrose unternahm tatsächlich das Wagnis, noch einmal zu knospen. Das kleine Wunder begab sich in meinem Vorgarten. Und trotz der Witterung entfaltete sich die Rose. Sie hat immer noch nicht aufgegeben und ist erst mit Reif und dann sogar mit Schnee bedeckt gewesen. Wintersilber.
Kristall, Silber und Rosen: das sind Dinge, die zu einem festlichen Bankett gehören. Oder zu einem schönen Märchen. Einem Wintermärchen. Und das Schöne dabei ist: solche Märchen erzählen sich von selbst, wenn man nur hinsieht.
© "Wintersilber und die Winter meiner Kindheit": Textbeitrag und Abbildung von Winfried Brumma (Pressenet), 2016.
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