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Gaius Flaminius ist als einer der wenigen Überlebenden der römischen Truppen aus der Varusschlacht heimgekehrt. Noch zweimal muss er zu einem Einsatz außerhalb Roms. Mit Germanicus, dem Thronfolger, kämpft er drei Jahre lang in Germanien, anschließend begleitet er Germanicus nach Syrien.
Nun droht seinen Verwandten und Freunden Ungemach, denn eines Tages werden sie wegen des Verdachts auf Spionage und Verschwörung gegen Kaiser Tiberius verhaftet und eingekerkert. Wer steckt hinter diesen Machenschaften? Noch weiß Gaius nicht, dass er Verbündete im Kaiserhaus hat ...
Die Verwandten Gaius' und Cornelius' saßen immer noch eingekerkert und es waren schon fast zwei Jahre vergangen. Hatte Livilla sie vergessen oder hatte sie sich einfach anderen Dingen zugewandt? Es waren wohl beide Möglichkeiten.
Gaius, der sich seinen abrasierten Vollbart inzwischen wieder hatte wachsen lassen, und Lucius und Julius, der es sich nicht nehmen ließ, bei diesen Aktionen mitzumachen, waren immer wieder in Rom zugange und hielten das Gedenken an seine und Cornelius' Verwandten offen. Immer wieder erwähnten sie auf dem Forum Romanum und in Schenken die Namen der Gefangenen und das Unrecht, das ihnen angetan worden war, ohne ihre eigenen Namen zu nennen. Traten sie zu Beginn ihrer Aktion immer gemeinsam auf, so trennten sie sich, und jeder ging alleine auf Tour.
Julius kannte sich in Rom inzwischen sehr gut aus und bewegte sich sicher. Sollten sie eines Tages verhaftet werden, und sie rechneten immer damit, dann war es besser, wenn nur ein Einzelner verhaftet wurde, aber nichts geschah. Lucius und Julius waren nicht bekannt und Gaius wurde nicht erkannt. Sie kamen überein, die beiden Militärangehörigen Markus und Titus nicht mehr in ihre Aktionen einzubeziehen, sie sollten nicht in Schwierigkeiten geraten.
Es war, als ob die Gefangenen tot wären, und im Grunde genommen waren sie lebendig in ihren Kerkern begraben. In Gaius, Lucius und Julius wuchs mit jedem Tag, der vergangen war, die Gewissheit, dass den Gefangenen kein Leid geschehen würde; nur sollten sie einfach freigelassen werden. Gaius hegte den Gedanken, sich in den Palast zu begeben, um mit Tiberius zu reden.
Lucius redete es ihm aus: "Du weißt nicht, ob du Tiberius überhaupt antriffst. Er hält sich doch mehr auf Capri als in Rom auf. Und du weißt nicht, ob du Livilla begegnest und wie sie reagiert, wenn sie dich sieht und trotz deines Vollbartes womöglich erkennt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch nichts von unseren Aktionen erfahren hat. Es gibt bestimmt genügend Zuträger, die zu Livilla in den Palast laufen und über drei Männer berichten, die über das Unrecht, das sie deinen Verwandten und Freunden angetan hat, sprechen. Und dann braucht sie nicht mehr lange, dahinter zu kommen, dass du wieder da bist. Vermutlich würde sie dich verhaften lassen und du hättest noch weniger Chancen, deine Verwandten und Freunde zu befreien. Und dann würde es nicht mehr lange dauern, bis auch wir, Julius und ich, verhaftet werden würden."
"Ich denke, es wird ihr eher unangenehm sein, wenn sie über meine Anwesenheit und unsere Aktionen erfährt, und ich glaube nicht, dass sie mich und uns verhaften würde, denn das kann sie nicht wagen. Du siehst doch die Reaktionen der Leute, wenn wir sie auf meine Verwandten und Freunde ansprechen. Sie kann uns nicht erst verhaften lassen und kurz danach müsste sie nicht nur mich, sondern auch meine Verwandten, Freunde und euch freilassen, wenn sie keinen Volksaufstand riskieren will."
Gaius wusste gar nicht, wie Recht er mit seiner Vermutung hatte. Livilla, aber auch maßgebliche Personen, wie ihr Mann und Sejanus, hatten längst erfahren, dass drei ihnen und den übrigen Römern unbekannte Männer in Rom über die Flaminius- und Livius-Verwandten sprachen. Es konnte sich nur um nahe Verwandte oder gute Freunde der Gefangenen handeln. Livilla hatte ihre Spitzel zwar angehalten, die drei Männer ausfindig zu machen, aber diese kamen immer nur um weniges zu spät.
Gaius, Lucius und Julius hielten sich nie länger als notwendig an einem Platz auf, und nachdem sie nicht mehr gemeinsam auftraten, war es noch schwieriger, an sie heranzukommen. Drusus' und Sejanus' Leute waren auch in Rom zugange, aber aus anderen Gründen als Livillas Leute. Und im Übrigen war es Livilla nicht nur unangenehm, sondern peinlich und gegen die Gefangenen konnte sie auch nicht vorgehen. Ob sie eine Freilassung dieser plante, war nicht bekannt und auch nicht sehr wahrscheinlich und sie wusste selbst um das Prekäre ihrer Lage. Sie war es leid, sich ständig die Ermahnungen ihres Mannes und ihres Liebhabers anzuhören und auch Teile des Militärs standen nicht mehr uneingeschränkt hinter dem Kaiserhaus, zumindest nicht hinter ihr. So befand sie es für besser, gar nichts zu unternehmen, und sie lebte im Palast ihr eigenes Leben und in diesem Leben kam das Volk sowieso nicht mehr vor.
Drusus indessen war nicht untätig geblieben, er wusste, dass er mit seinen Ermahnungen bei seiner Frau auf taube Ohren stieß. Wenigstens ließ sie die Gefangenen in Ruhe, es gab immer noch keine Verhöre und keine Prozesse. Er suchte die Briefe, die sie entweder selbst gefälscht oder in Auftrag gegeben hatte, und die Zeugen, die sie bestochen hatte. Dies war eine zeitaufwendige, unfruchtbare Arbeit, er kam einfach nicht weiter.
Alle Bücher von Ulla Schmid auf ihrer Autorenseite. Die historischen Romane der Arminius-Reihe sind beim Verlag edition fischer erschienen.
© Textbeitrag "Der überlebende Legionär": Autorin Ulla Schmid.
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