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Wie die Menschheit sich bis jetzt im Ganzen entwickelt hat, liegt im Auge des Betrachters. Aber dass wir Menschen unsere Werkzeuge und unsere Sicht der Dinge sehr weit entwickelt haben, ist nicht zu bestreiten.
Wir sind sehr weit weg von den Menschen, die in Höhlen hausten und ihre Knochenwerkzeuge selber machten. Wir sind auch weit weg von den ersten Benzinkutschen, die langsam aber sicher die Städte eroberten. Wir sind mittlerweile sogar weit weg von den ersten Heimcomputern und den ersten Handys.
Natürlich haben sich auch andere Dinge sehr gewandelt – die Schulpflicht hat wesentlich dazu beigetragen. Ein Schüler weiß mehr als ein Gelehrter im Mittelalter, wenn er auch andere Dinge weiß. Im Großen und Ganzen ist Wissen für jeden abrufbar – ob er nun ein Buch nutzt oder sein Smartphone.
Das Wahlrecht für Frauen musste hart erkämpft werden, aber kaum einer denkt noch daran, dass es einmal selbstverständlich war, dass nur Männer wählen gehen durften.
Dass Menschen, die sich ihre Welt durch das erklären müssen, was sie mit ihren Augen sehen, gewisse Ängste entwickeln, leuchtet ein. Menschen jedoch, die nicht selber sehen, sondern nur das wahrnehmen, was man ihnen sichtbar macht, verfielen der Hexenhysterie zu manchen Zeiten und hatten die damit verbundenen Ängste auszustehen. Wer überall Dämonen und teuflische Umtriebe vermutet, wird sich vor jedem Schatten erschrecken.
Die alten Angstmacher sind gebannt, lange schon, könnte man meinen. Niemand außer vielleicht Kindern hat Angst vor unheimlichen Wesen, die unter dem Bett sitzen und lauern. Der Teufel und seine höllischen Diener sind gut für Horrorfilme oder Gruselgeschichten. Niemand nimmt so etwas mehr ernst – eher sieht man sich lieber eine Übertragung des neuesten Space Shuttle Starts an.
Man kann die Erde im All bewundern, per Satellitenfoto, und sich am Anblick des blauen Planeten erfreuen. Sieht ja auch gut aus, wie er da so als blaugeäderter Achat im All rotiert. Es bringt jedoch keinen Puls mehr zum Rasen wie zum Beispiel die ersten Raumflüge. Es geht mit Riesenschritten voran. Könnte man denken.
Dann stolpert man über Webseiten und Artikel, die man eigentlich für Satire halten will. Eine recht große Gemeinde von Menschen (Tendenz steigend) rudert entschlossen und mit aller Kraft zurück.
Aber wohin zurück? Das ist die Frage. Denn wenn man davon überzeugt ist, dass die Erde keineswegs rund, sondern flach wie eine Tischplatte ist, verabschiedet man sich von der Basiszeit, in der man lebt. Es gibt Internetseiten und Diskussionsrunden auf den gängigen Plattformen, die mit unfehlbaren Beweisen für die flache Erde aufwarten. Wütend geführte Streitgespräche und eine ganz spezielle Überheblichkeit der neuen Gläubigen lassen den Leser die Augen weit aufreißen. Erst vor Staunen, dann vielleicht vor Entsetzen – denn von "Insidern" erfahren wir, dass auch der Mars bewohnt und hohl sei, wenn auch nur höchstwahrscheinlich.
Menschen, die sich frei bewegen können, also nicht etwa in einer Irrenanstalt ihr Smartphone nutzen, um ihre Statements zu posten, schreiben seitenlang über Außerirdische und auf der Erde lebende Wesen wie Reptiloiden und andere Nichtmenschen. Das geht so weit, dass es gezeichnete Typisierungen gibt, die die Unterschiede zwischen den verschiedenen "Anderen" genauestens dokumentieren. Schließlich gibt es ja genug "Fachleute", die Kontakt mit Echsenwesen und anderen Sonderbarkeiten haben.
Die immer weiter anwachsende Gemeinde der Flacherdler und der Reptiloidenfans hat für den gemeinen Bürger, der sich die Erde als Ball vorstellt, nur Verachtung übrig. Schon allein, weil diese sowieso alle langsam vergiftet werden. Schließlich weiß ja jeder, dass die weißen Streifen, die ein Flugzeug am Himmel hinterlässt, giftige Sprühungen sind. Und dass damit das Wetter beeinflusst wird.
Gegenmittel gibt es natürlich auch. Spaßige Vorrichtungen, die aus so gut wie nichts außer ein wenig Plastik und Metall bestehen und für viel Geld beim Hersteller zu beziehen sind. Außerdem, so liest der fassungslose Mensch, hilft fassweise Apfelessig. Man muss das Zeug nur im Garten verteilen und schon wird die Wirkung der bösen Strahlen oder Gifte aufgehoben. Dies erinnert stark an die Heiligenamulette, die im Mittelalter für viele Dukaten verkauft wurden. Oder auch die Amulette der Konkurrenz, die bei Vollmond irgendeiner Gottheit geweiht wurden. Es ist ganz dasselbe.
Das gilt auch für die Leute, die sich gegen jede Impfung bei Kindern aussprechen und ihre Kinder auch nicht "vergiften" lassen dadurch. Vermutlich baden sie die Kleinen in Essig. In früheren Zeiten glaubte man auch, dass Messbücher in Wiegen die Kinder vor Krankheit schützen.
Smartphones, Gentechnologie, Raumstationen, Mikrochirurgie und alles andere – ist es zu viel für das Stammhirn? Ist der in uns durchaus noch lebende Höhlenbewohner nicht fähig, mit dem von ihm selber initiierten Fortschritt zu leben? Rennt der moderne Mensch, überlastet mit dem, was den Fortschritt ausmacht, wie ein Roboter mit Kurzschluss gegen eine Wand?
Muss mit aller aufzubietender Phantasie eine einfachere Welt geschaffen werden – eine flache Erde, und Feinde, die nicht zu greifen sind und gut dafür taugen, die inneren Ängste zu füttern und gleichzeitig zu befrieden? Braucht der heutige Mensch kleine Gottheiten, in Form irgendwelcher Außerirdischer oder versteckt lebender unstofflicher Wesen? Ist die uralte Angst vor der von ihnen so gesehen "weiblichen Macht" immer noch so lebendig, dass Menschen Parteien hinterherrennen, die den Frauen am liebsten alle mühsam erkämpften Rechte wieder nehmen wollen?
Die alten Zeiten waren hart, aber überschaubarer, mögen viele Menschen glauben. Das ist natürlich Unsinn, denn schon Babylon und Theben hatten einen effizienten Verwaltungsapparat. Das wirklich sehr einfach zu begreifende, wenn auch sehr harte Leben, gab es allerhöchstens in den Höhlen der Uraltvorderen. Und auch da wird es gesellschaftliche Zwänge, Tabus und komplizierte Regeln gegeben haben.
Dass sie nicht in unsere Zeit gehören, ist offensichtlich. Auch wenn sie durchaus gerne die neuesten Möglichkeiten nutzen, um ihre dünnen Beweise für die flache Erde scheibchenweise zu verbreiten.
© "Kontakt mit Echsenwesen und die flache Erde": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2016. Bildnachweis (CC0, Public Domain Lizenz): Weltall und Sterne.
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