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Keine Beziehung zwischen Menschen ist so emotional und möglicherweise auch so widersprüchlich und geheimnisvoll, wie die des Künstlers und des Betrachters. Was hier mitgeteilt wird, ist eine sprachlose, aber umso deutlichere Botschaft eines Schaffenden an den Verstehenden.
Der Künstler zeigt, was aus ihm kommt und wie er etwas wahrnimmt, und der Betrachter erfühlt und "ersieht" entweder das, oder aber er spürt das, was in ihm ausgelöst wird. Aber es ist immer eine Verbindung, die entsteht. Deshalb ist das Betrachten von Bildern immer mehr als das Sehen von Dingen oder Farben. Es ist ein "Erfahren" von etwas, das für den Betrachter geschaffen wurde.
Die Werke der Berliner Künstlerin Barbara Knuth machen die Position des Betrachters zu einem wundervollen Fensterplatz, von dem aus man in Welten sieht, die man so vorher nicht gesehen hat, aber trotzdem kennt. Wir haben mehr als einen Blick in Knuths Atelier gewagt und außergewöhnliche Gemälde und Skulpturen entdeckt, die wir Ihnen vorstellen möchten.
Barbara Knuths Gemälde der Landschafts-Serie, die ab 1991 entstanden, sind heimelig satte Orte, die sofort etwas ansprechen, das mit Wohlfühlen zu tun hat. Knuth zeigt ihre Wälder oder Seen geradezu plakativ, was die Farbe angeht, selbst wenn die Nacht hereinbricht und alles vorwiegend blautönig ist wie in "Stille" (2008, Öl).
In weiteren ihrer Werke bringt uns eine kühle Brise mit freundlichem Eishauch schneebedeckte Gipfel so nahe, dass man spüren kann, wie angenehme Kühle kurz aufkommt. Es geht nicht um Kälte, es geht um Klarheit. Der Wunsch kommt auf, die Landschaftsbilder wären Türen in die unwiderstehlichen Waldstücke oder an die traumhaften Seeufer.
Still-Leben sind nicht jedermanns Sache, denn möglicherweise ist es zu still dabei. Wenn unbewegte Objekte dargestellt werden, kann so etwas wie ein leichter imaginärer Staubfilm die Augen müde machen. Bei Knuth allerdings taugen die Still-Leben zum Augenaufreißen, denn was hier "Guck her!" ruft, ist ganz und gar nicht "still". Es ist eigentlich eher prall lebendig, wenn auch unbewegt.
"Glückliche Zitronen II" (2007, Öl) erklärt seinen Titel sofort, es bleibt kein Zweifel. Zitronengelb auf tintenwasserblauem Hintergrundspiel, das ist wirklich gewagt glücklich. Es springt fast aus dem Bild heraus, dieses Gelb. Ich glaube kaum, dass man dieses Bild ohne ein spontanes Lächeln ansehen kann. Das gilt auch für "Orangenzweig II" (2007, Öl), dessen türkise Bläue den satten Orangenton zu einem Katalysator für Assoziationen macht.
Die mintgrüne Kühle von "Siesta II" (2011, Öl) zeigt sich auf den ersten Blick wirklich still. Man erahnt die Kühle von Fliesen an einem heißen Tag, die ein willkommenes Zurückziehen und Ausruhen bietet. Aber es ist ein lebendiges Pausieren; die Freude an der Sonne draußen ist präsent.
Die Künstlerin beschwört im gewohnten Farbreichtum die Planeten herauf, zeigt die Symbole mit dem uralten Spiralsymbol in ihrer eigenen Ordnung, wie in "Universum II" (2006, Öl). Es sind freundliche Sterne, die in ihrem bunten Kosmos zu sehen sind.
Die "Entstehung" (2006, Mischtechnik) zeigt ein völlig anderes Bild, hier gibt es weitaus weniger klare Positionen. Erdhafte Töne umwirbeln einander, schichten förmlich auf und werden dem ordnenden Blau immer mehr Raum geben. Ein dramatischer Himmel befindet sich in einer Art schöpferischer Interaktion mit den Kräften der Erde. Was entstehen wird, ist noch nicht absehbar, aber es wird entstehen. Es ist nicht aufhaltbar.
Phantasie ist der Motor der Kunst und die kardinale Pforte für beide: Künstler und Betrachter. Knuths magisch-phantastische Bilder sind spannend. Sie lassen etwas sehen, das man sonst nicht einfach sieht.
"Fliegende Akrobaten I" (2007, Öl) lässt zwei Gebilde sehen, Puzzleteile fast, die aber in Bewegung sind. Die Verschmelzung der beiden Teile kann man nur annähernd erahnen. Erdgebundene Farben im Blau der Luft. Eben Akrobaten, die den Boden verlassen und ein Ganzes bilden müssen im Rausch der spielerischen Bewegung.
Bezaubernde Wesen, die in einem weichen Raster viele Eindrücke präsentieren, zeigen sich in der 2015 entstandenen Serie "Schmetterlinge im Kopf". Verschiedene Schmetterlinge in verschiedenen Stimmungen? Vielleicht. Die Luftwesen tragen Augen, Münder, ganze Gesichter auf Körper und Flügeln. Köpfe, die Schmetterlinge im Kopf haben, sind selber zu Schmetterlingen geworden. Reizvolle Kompositionen und das Spiel der Farben sorgen dafür, dass man sie im Kopf hat, die Schmetterlinge.
Eher als Schemen denn als Schatten sieht der Betrachter Menschen in Momentaufnahmen, dunkel auf feurigem Grund. Geschichten wie "Tanz auf dem Vulkan" oder "Sehnsucht I" (beide 2007, Acryl) vibrieren von einer Spannung, die im Moment gefangen ist. Der Schauende wird nicht weiterkommen, es sei denn, er erkennt die Geschichten in sich selber. Die Schattenbilder sind intensivste Momente – sie wirken statisch auf den ersten Blick. Und strotzen vor "Geschehen".
Barbara Knuth versteht es, ihren ureigenen Stil räumlich weiterzuführen. Muster und Farbe finden sich in ihren handwerklichen Arbeiten aus Ton und Bronze wieder, die ab 2012 entstanden. Venedig, der ewigen Stadt der Liebe, sind einige Skulpturen gewidmet, dabei erinnern Knuths Gondeln an die Barke des Sonnengottes Re, oder an ein Lustboot des Minos, und doch sind sie voller magischer Weiblichkeit. Füllhörner vielleicht, auf jeden Fall aber eigenwillig und beeindruckend in ihrer orchideenhaften Form.
In den Bildern des ab 2013 entstandenen Zyklus "Köpfe und Phantasie" wenden sich Menschen einander und gleichzeitig dem Betrachter zu. Sie haben keine Münder, die man sehen könnte, aber wozu sollten sie diese auch brauchen? Hier geht es um das Sehen, vielleicht um das Gesehenwerden. Das weiche Gitter mit den vielen kleinen Flächen trägt viele Augen, aber die Farben sind verhalten. Das Lebendige zeigt sich in den Augen und den Linien der Gesichter, die in Rottönen gehalten sind. Reden die Menschen hier nicht viel miteinander – oder tun sie es, sagen aber nicht viel?
Wir entdecken eine weitere Impression in den gleichen, gedeckten Farben. Der Betrachter sieht wieder Augen, viele Gesichter und auch Hände. Erhobene Hände, die wie in abwehrender Haltung erstarrt zu sein scheinen. Die Augen scheinen nicht übermäßig offen, es geht vielleicht um Wachsamkeit und auch um Melancholie.
Je mehr man die Gesichter auf diesen Bildern ansieht, desto bekannter werden sie. Man glaubt in den Augen und Gesichtern eine ganze Palette von Ausdrücken zu sehen: Misstrauen, Abwehr, Traurigkeit möglicherweise. Der Eindruck von Fröhlichkeit fehlt.
New York ist die erstaunlichste Stadt der Welt. Sie hat viel mit Knuths Bildern gemein: lebendig, spannend und in Bewegung. Die Eindrücke der Stadt finden sich in der 2016-2017 entstandenen Serie "New York" – und die Bilder erzählen sehr viel. Gesichter, Millionen Gesichter prägen diese Stadtmaschine, und Knuth macht sie sichtbar.
Aber wir erleben diese Stadt ohne die Hektik, die ihr zugeschrieben wird: Skyscraper, die in ein Türkis hineinragen, sind von Schmetterlingen umgeben. Schmetterlinge – ewige Symbole für Leichtigkeit, mystische Luftgeschöpfe und uralte Tuschezeichen für Verwandlung und Weiterentwicklung. Auch hier gibt es wieder eine Art Raster, aber wieder kein statisches. Es ist ein beweglicher Rahmen, vielleicht ein Sichtbarmacher für besondere Dinge. So wie für Schmetterlinge eben. Die Wolkenkratzer tragen Gesichter, Augen, Münder – sie sind freundlich. Sie sind offen. Sie sind New York.
© "Ein Spiel der Farben, das im Kopf beginnt. Werke der Künstlerin Barbara Knuth (ehemalige Webite www.barbara-knuth.de). Retrospektive 1991–2017": Kunstrezension von Winfried Brumma (Pressenet), 2017.
© Bei der Künstlerin Barbara Knuth bedanken wir uns herzlich für das uns übermittelte Bildmaterial:
– Oben: "New York", Detail aus Bild III (2017)
– Mitte I: "Universum", Bild II (2006)
– Mitte II: "Schmetterlinge im Kopf", Bild II (2015)
– Unten: "Die Welt der Liebe" aus der "Köpfe/Phantasie"-Serie, Bild VI (2013)
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