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Wie sehen wir Kinder, wie denken wir über sie – und vor allem: was wissen wir darüber, wie Kinder die Welt sehen? Seien wir ehrlich: viel weniger, als wir uns wünschen.
Noch immer haben wir Erwachsene es schwer, unsere Kinder als das zu sehen, was sie sind: Menschen, die noch im Wachsen begriffen sind und keineswegs in jeder Hinsicht unreife "noch nicht Große".
Das vorliegende Buch des zehnjährigen Jonas Kaurek zeigt noch viel mehr. Es lehrt "uns Große", dass das Wachsenmüssen der Kinder oft nur den Körper betrifft und sie uns manchmal weit voraus sind, was das Verständnis der Dinge angeht.
Das Vorwort des Verlegers Bernhard Salomon ist schon eine Geschichte für sich. Eine Geschichte, die erzählt, wie aus Gesprächen ein langer, langer Brief wurde, der sich dann in ein Buch verwandelt hat. Ein hochbegabter Junge, der in einer Patchwork-Familie lebt, hat einen besonderen Wunsch. Er möchte, dass sein Vater öfter da ist. Für ihn da ist. Denn er lebt anderswo. Das ist keine seltene Sache, und viele Kinder auf der ganzen Welt müssen damit irgendwie klarkommen.
Manche der Kinder sind über den Umstand vielleicht sogar froh. Sie haben ihren Vater kennengelernt, Jahre ihres jungen Lebens mit ihm geteilt. Jonas aber hat diese Erfahrungen nicht. Er sieht den, nach dem er sich wirklich sehnt, so wie ein zehnjähriger Junge das nur irgend kann, sehr selten.
Aus dem, was Jonas erzählt, kann man ablesen, dass der Mann, um den es hier geht, größere Nähe wohl nicht zulässt. Ob er das nun nicht will, nicht kann – oder nicht will, weil er es nicht kann – bleibt ein Rätsel. Jonas Mama hat gesagt, dass der Vater "Angst hat". Näher erklärt hat sie es nicht. Aber wir Erwachsene kennen die Angst vor Nähe sehr gut. Wir wissen, was wir alles falsch machen können ... und vergessen dabei, dass die Kinder das ebenso gut wissen.
Jonas erteilt uns hier einige Lektionen, was das betrifft. Sein Leben ist nicht einfach, auch oder gerade weil er noch ein Kind ist. Seine Handlungsfreiheit ist eine andere als unsere. Er hat andere Überlebensstrategien im täglichen Leben. Wenn Jonas etwas für sich klärt, nennen wir das für uns wohl "hinterfragen".
Wenn Jonas erzählt, was er so tut, wenn er mit Freunden etwas unternimmt, ist klar, dass er durchaus ein Zehnjähriger ist. Herumalbern, mit Furzkissen spielen und auch mal etwas kaputtmachen. Er ist auch kein "einfacher" Zehnjähriger. Er hat "Aggro Anfälle", wie er es sagt. Er wird sehr, sehr wütend manchmal.
Wenn man diesen langen "Buchbrief" liest, vergisst man trotzdem ab und an, dass das die Worte eines gerade mal zehnjährigen Kindes sind. So klar und selbstverständlich spricht Jonas, dass man sich beschämt fragt, wieso man um manche Sachen ein großes Aufheben macht. Denn hier sagt einer einfach und eindringlich Sachen, die ganz selbstverständlich klar sind. Dass jeder seinen eigenen Geschmack hat und manches nicht mag, was ein anderer mag. Keine große Sache. Wahrscheinlich machen die Erwachsenen eine Sache daraus.
Bernhard Salomon erzählt in seinem Vorwort, dass Jonas sich über die möglichen Konsequenzen dieses Buchbriefes bewusst ist. Es könnte vielleicht dazu führen, dass der Vater sich nun völlig zurückzieht. Aber trotzdem wagt der Junge diese Botschaft. Er tut es auf diese Weise, weil er es anders nicht kann. Denn der Ansprechpartner ist einer, der nicht zugehört hat bis jetzt. Dieser Mut, diese Waghalsigkeit, mit der ein verzweifelter Junge auf "alles oder nichts" spielt, hat mir einen großen Kloß im Hals verursacht.
Ich sehe das Buch nicht als Hilfeschrei eines Kindes. Ich sehe es als Manifest vieler oder vielleicht aller Kinder – weil wir genauer hinsehen oder vielmehr "hinfühlen" sollten.
Der 112-seitige Buchbrief "Ich bin jetzt zehn: Ein Junge schreibt seinem Vater" von Jonas Kaurek ist Ende 2015 beim Verlag edition a GmbH erschienen (ISBN 978-3990011379).
© "Ich bin jetzt zehn: Jonas schreibt seinem Vater": Rezension von Winfried Brumma (Pressenet), 2015. Dem Verlag edition a danken wir für das Rezensionsexemplar.
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