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Das ist wirklich schrecklich, da habe ich mir doch mein neues Samtwams an diesen langen Dornen zerfetzt, meine Güte – ich sehe schon den Blick des Hofschneiders vor meinem inneren Auge. Der Gute hat so eine Art, die Brauen hochzuziehen, man kommt sich vor wie ein Schuljunge. Als sich diese Ranken so leicht zur Seite biegen ließen, bin ich wohl ein wenig zu forsch gewesen und habe nicht mehr auf meine Kleidung geachtet.
Nun ja, durch dieses Jahrhunderte alte Gestrüpp hätte ich mich nicht kämpfen wollen, das macht doch keinen Spaß. Spaß macht mir hier sowieso überhaupt nichts, denn es ist ein ziemlich dummes Abenteuer daraus geworden, aus dem kleinen Spielchen. Warum um alles in der Welt glauben eigentlich alle Menschen, dass Prinzen nichts anderes im Kopf haben, als Prinzessinnen zu befreien? Eigentlich will sich keiner so etwas antun, schließlich ist man ja nicht von Geburt an lebensmüde, nur weil die Eltern ein Königspaar sind.
Zwei meiner besten Freunde habe ich auf diese Weise verloren. Einer wurde von einem wütenden Drachen bis zur Unkenntlichkeit verbrannt – man konnte ihn nur noch an seiner Rüstung erkennen – als er dem Hilferuf eines verzweifelten Königs folgte, dessen Tochter geraubt worden war. Wie sich herausstellte, handelte es sich um ein Missverständnis, denn das Ungeheuer hatte die Tochter des Hufschmieds gefressen, während die Prinzessin mit dem Hofsänger durchgebrannt war.
Ach ja, und meinen Milchbruder hat es ebenso schwer getroffen, er verliebte sich in eine Königstochter, die mit einem Fluch belegt war. Leider hatte er einen unfähigen Magier angeheuert, um den Bann zu brechen, aber das Ritual ging fürchterlich daneben und die Schöne verwandelte sich in eine Weinbergschnecke. Er hat das nicht verkraftet, der Freund meiner Kindertage, denn eine Rückverwandlung war nicht mehr möglich, da er in erzürnter Voreiligkeit den depperten Zauberer getötet hatte. Er verfiel in Schwermut und verweigerte die Nahrung, bis er an Entkräftung starb.
Es ist wohl kaum verwunderlich, dass mich der erklärte Lieblingssport für Prinzen, nämlich das Prinzessinnenretten, nicht weiter interessierte. Wozu auch, ich helfe meinem Vater willig bei den Regierungsgeschäften, wenn er mich benötigt, meine Freizeit gestalte ich dafür, wie ich es für richtig halte. Ab und an nehme ich sogar an den fürchterlichen Kuppelbällen teil, die Maman für mich gibt. Als Tänzer mache ich keine gute Figur, und in höfischem Putz sehe ich aus wie eine brokatene Stopfwurst ...
* * * Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
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© "Dornrose": Erzählung von Winfried Brumma (Pressenet), 2009. Bildnachweis: Spukschloss Schlossgang, CC0 (Public Domain Lizenz).
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