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Meine Schwester hatte mich vor sechs Wochen angerufen, sie hätte einen Gutschein für mich, für 4 Wochen Vita-Club. Als wir uns trafen, hatte sie den Gutschein vergessen, obwohl ich sie vorher noch telefonisch daran erinnert hatte. Also war ich schließlich bei ihr vorbeigekommen, um mir das Kleinod zu holen.
Heute war der Tag. Ich hatte frei und sah mich schon in der Sauna liegen, als ich meinem Wagen entstieg, nachdem ich nach einer solitären Bevölkerungsumfrage erfahren hatte, welcher Parkplatz nun denn der zum Vita-Club gehörige war. Zumindest war der Mann nett und zwinkerte mir zu.
Als ich dem Lift entstieg, wollte ich frohgemut das Areal des Vita-Clubs betreten. Sowohl die zwei Drehkreuze als auch die zwei hüfthohen Metalltüren waren verschlossen. Nur glückliche Kartenbesitzer besaßen den magischen Code. Meine Gutscheinkarte – leider nicht. Die Damen am Infoschalter waren beschäftigt, also hieß es zuerst warten. Doch schließlich traf mich der Blick der hinter viel Metall von mir entfernten Angestellten und sie drückte gnädig einen Knopf. Glücklich lächelnd ging ich auf sie zu und überreichte ihr den Gutschein.
Ob ich diesen schon eingescannt hätte und/oder mich online angemeldet hätte? Ich wackelte mit den Ohren. Das letzte Mal, als ich einen Geschenkgutschein eingelöst hatte, war das bei Homes Place vor ca. sechs Jahren. Es hatte so funktioniert: Du gingst zum Infoschalter, gabst den Gutschein ab und wurdest eingelassen. Das war vermutlich digitales Mittelalter.
Die junge Frau war jedoch sehr nett und erklärte, ich müsse meinen Namen, meine Adresse und Kontonummer im Online-Formular eintragen, um den Gutschein nützen zu können.
Nun, ich bin 56 und verstehe gut, dass die halb so alte Frau vor mir mich nicht verstand, als ich sie mit meinem verzagten Gesichtsausdruck konfrontierte. Ob nach Ablauf der einmonatigen Frist denn diese Daten automatisch gelöscht würden, fragte ich vorsichtig nach.
Nein, man müsse sich nochmal auf der Vita-Club Homepage einloggen und das Abonnement kündigen. Abonnement? Ich wollte doch nur ... so gern heute kostenfrei in die Sauna gehen und trainieren.
Ich müsse doch nur mein Handy ... meint mein Gegenüber.
... Ich hätte kein Smartphone.
Der Blick der jungen Dame machte ein digitales Mammut aus mir.
Na gut, sagte sie dann gnädig, dann helfe sie mir vor Ort, mich zu registrieren – dann würde ich allerdings nur noch Anspruch auf zwei kostenlose Wochen haben. Ich nickte leicht verzweifelt. Die Dame verschwand daraufhin, nicht ohne mir vorher noch ein Tablet zu überreichen. Ob ich bitte meine Daten eintragen könnte.
Hier möchte ich eine kleine Pause in meiner Erzählung einlegen und Sie aufmuntern, Ihre Grundschulkenntnisse in Mathematik einzusetzen und mir mit Ihrem logischen Verstand zu folgen:
4 Wochen Vita-Club:
geteilt durch 2 Wochen Vita-Club
= individuell zeit-unterschiedliche Onlineregistrierung in Minuten / Stunden / Nerven / Lebenszeit mit dem Computer oder Handy verbracht.
Demnach, würden sich die eigentlichen vier Wochen bei einer selbstständigen Online-Registrierung auf eigentliche zwei Wochen dezimieren, da man den Rest seiner Zeit mit Registrieren und Co. beschäftigt ist. Dadurch, meine Herrschaften, sehen Sie, wie wertvoll Ihre Lebenszeit gehandelt wird! Aber vermutlich darf man sich danach freuen, wenn im oberen rechten Computer-Eck Sonderangebote für Turnschuhe auftauchen. Es hat ja alles was für sich.
Doch zurück zum eigentlichen Geschehen vor dem Einlass des Vita-Clubs. Sie haben recht. Ich versuchte mich zu registrieren. Die Kreditkarte hatte ich jedoch im Auto gelassen. Beim Hinausgehen warten, bis gepiepst wird. Beim Einlass warten, bis gepiepst wird.
Allmählich fühlte ich mich wie in einem Hochsicherheitstrakt und beschloss nun auch ein bisschen auf meine Kosten zu kommen:
Ich verstehe nicht die entsprechenden Felder auszufüllen.
Nein, hier gehört der Name hin.
Wie ich bei der Email-Adresse die Zahlen eintragen könne?
Hier, dieser Button.
Als ich dann bei dem Feld für den Kreditkarteneintrag ankomme, stelle ich fest, dass eine Bankomatkarte mit Kontonummer und BIC benötigt wird. Ich stecke meine Mastercard ein und überreiche der jungen Dame lächelnd den Geschenkgutschein.
Eigentlich habe ich sowieso nicht vorgehabt, einen vierwöchigen Gutschein mit meiner Lebenszeit, meinen Nerven, meinen persönlichen Daten und meiner Bankkontonummer zu erkaufen.
Alles in allem etwas teuer, dieses Geschenk.
Während ich den Hochsicherheitstrakt verlasse, gleitet mein Blick über all die wohl-trainierten Körper. Ob diese Menschen auch mit einem Geschenkgutschein zu trainieren begonnen haben? Außerdem kann ich nicht umhin mich zu fragen, was man hier alles glatt-trainiert. Und ich wäre fast noch mal umgekehrt, um dem Vita-Club einen neuen Slogan zu verkaufen:
"Äußerlich und innerlich schön – trainieren Sie glatte Haut und glatte Hirnwindungen!"
Unwillkürlich beschleicht mich Unruhe und ich frage mich insgeheim, ob ich der einzige Mensch bin, der extra zum Vita-Club fährt, um einen Geschenkgutschein zu retournieren. Vielleicht bin ich ja der Idiot.
Wie auch immer, ich fahre nach Hellbrunn und jogge in der Natur. Ich sehe Vögel und spüre Wind auf meinen nackten Oberarmen.
Was wird in 50 Jahren sein? Je schneller, desto besser? Sollte es jemand nicht schaffen, technischen Ansprüchen gerecht zu werden, darf er das mit Air-Pollution und Klimaanlage ausgestattete Trainingslager für schöne neue Menschen nicht betreten. Soll er doch in der Natur vergasen.
Ich sehe das neue Video von Ariana Grande vor meinem geistigen Auge. Sie sieht aus wie eine Puppe und tanzt mit Puppen, und die Schulmädchen tun mir leid, die sich dafür strafen, nicht wie Puppen auszusehen.
Unwillkürlich frage mich, ob Faschismus etwas ist, das einmal war und ob es etwas ist, das in Zukunft noch aufzuhalten ist. Aber das ist vermutlich viel zu weit hergeholt. Und würde Ihr Gesicht in unnötige Falten werfen.
© Im Fitness-Club: "Von der Lust beschenkt zu werden". Ein Textbeitrag von Ghila Pan, 08/2019. Bildnachweise (von oben nach unten): Sauna Wellness | Fitness Training | Jogging in der Natur; alle Illustrationen: CC0 (Public Domain Lizenz).
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